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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Sechstes Kapitel.

Unter diesen Gesprächen waren die Freunde auf
der staubigen Landstraße, die durch das Veltlin hinauf¬
führt, eine gute Strecke weiter getrabt und schon er¬
glänzten in der Ferne das Schloß und die Mauern
von Morbegno.

Jetzt blickte Jenatsch scharf auf die letzte Windung
des in weitem Bogen nach dem Städtchen laufenden
Weges. Dort bewegte sich langsam ein kleiner brau¬
ner Reiter.

"Bravo," rief der Bündner, "da machst Du eine
prächtige Bekanntschaft! Dort kommt der Pater Pan¬
crazi, voreinst -- das ist vor einem Jahrzehnt -- Al¬
menserkapuziner und Beichtiger der Nönnchen von Cazis.
Wir haben ihm sein Kloster aufgehoben. Wären unsere
Kapuziner alle so gute Bündner wie er, und so witzige
Gesellen, man hätte sie unbehelligt gelassen. Seit¬

Meyer, Georg Jenatsch. 6
Sechstes Kapitel.

Unter dieſen Geſprächen waren die Freunde auf
der ſtaubigen Landſtraße, die durch das Veltlin hinauf¬
führt, eine gute Strecke weiter getrabt und ſchon er¬
glänzten in der Ferne das Schloß und die Mauern
von Morbegno.

Jetzt blickte Jenatſch ſcharf auf die letzte Windung
des in weitem Bogen nach dem Städtchen laufenden
Weges. Dort bewegte ſich langſam ein kleiner brau¬
ner Reiter.

„Bravo,“ rief der Bündner, „da machſt Du eine
prächtige Bekanntſchaft! Dort kommt der Pater Pan¬
crazi, voreinſt — das iſt vor einem Jahrzehnt — Al¬
menſerkapuziner und Beichtiger der Nönnchen von Cazis.
Wir haben ihm ſein Kloſter aufgehoben. Wären unſere
Kapuziner alle ſo gute Bündner wie er, und ſo witzige
Geſellen, man hätte ſie unbehelligt gelaſſen. Seit¬

Meyer, Georg Jenatſch. 6
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[0091] Sechstes Kapitel. Unter dieſen Geſprächen waren die Freunde auf der ſtaubigen Landſtraße, die durch das Veltlin hinauf¬ führt, eine gute Strecke weiter getrabt und ſchon er¬ glänzten in der Ferne das Schloß und die Mauern von Morbegno. Jetzt blickte Jenatſch ſcharf auf die letzte Windung des in weitem Bogen nach dem Städtchen laufenden Weges. Dort bewegte ſich langſam ein kleiner brau¬ ner Reiter. „Bravo,“ rief der Bündner, „da machſt Du eine prächtige Bekanntſchaft! Dort kommt der Pater Pan¬ crazi, voreinſt — das iſt vor einem Jahrzehnt — Al¬ menſerkapuziner und Beichtiger der Nönnchen von Cazis. Wir haben ihm ſein Kloſter aufgehoben. Wären unſere Kapuziner alle ſo gute Bündner wie er, und ſo witzige Geſellen, man hätte ſie unbehelligt gelaſſen. Seit¬ Meyer, Georg Jenatſch. 6

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/91>, abgerufen am 28.03.2024.