Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ich den ungeheueren Wirrwar erblicke, in
welchen die Regierungen Europa's durch eine Reihe von
Gewaltmaßregeln -- aus angeblicher Furcht vor der "rothen
Republik," im Grunde aber um die unumschränkte Herr-
schaft des Adel- und Beamtenthums unter dem Scheine der
Verfassungsmäßigkeit zu retten, und die Errungenschaften
der März-Umwälzung eine nach der andern zu erdrosseln --
den ganzen Welttheil gestürzt haben: so drängt sich mir
der Gedanke mit unabweislicher Nothwendigkeit auf, daß
auch nur die Lösung der gesellschaftlichen Frage diesen
Knäuel auf friedlichem und geregeltem Wege entwirren
kann. Das jetzt in Aussicht stehende Mittel, durch eine
Umgestaltung unseres engern Staatsverbandes und des
großen Deutschen Vaterlandes, ebenso staatlich aus der bei-
spiellosen Lage herauszukommen, in der wir uns befinden,
habe ich zwar in der Einleitung besprochen, fürchte aber
nunmehr fast, daß es zu lange auf sich warten läßt, um
nicht zu spät zu kommen.

Berlin, den 13. April 1849.
Michelet.

Wenn ich den ungeheueren Wirrwar erblicke, in
welchen die Regierungen Europa’s durch eine Reihe von
Gewaltmaßregeln — aus angeblicher Furcht vor der „rothen
Republik,‟ im Grunde aber um die unumſchränkte Herr-
ſchaft des Adel- und Beamtenthums unter dem Scheine der
Verfaſſungsmäßigkeit zu retten, und die Errungenſchaften
der März-Umwälzung eine nach der andern zu erdroſſeln —
den ganzen Welttheil geſtürzt haben: ſo drängt ſich mir
der Gedanke mit unabweislicher Nothwendigkeit auf, daß
auch nur die Löſung der geſellſchaftlichen Frage dieſen
Knäuel auf friedlichem und geregeltem Wege entwirren
kann. Das jetzt in Ausſicht ſtehende Mittel, durch eine
Umgeſtaltung unſeres engern Staatsverbandes und des
großen Deutſchen Vaterlandes, ebenſo ſtaatlich aus der bei-
ſpielloſen Lage herauszukommen, in der wir uns befinden,
habe ich zwar in der Einleitung beſprochen, fürchte aber
nunmehr faſt, daß es zu lange auf ſich warten läßt, um
nicht zu ſpät zu kommen.

Berlin, den 13. April 1849.
Michelet.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <pb facs="#f0008" n="IV"/>
        <p>Wenn ich den ungeheueren Wirrwar erblicke, in<lb/>
welchen die Regierungen Europa&#x2019;s durch eine Reihe von<lb/>
Gewaltmaßregeln &#x2014; aus angeblicher Furcht vor der &#x201E;rothen<lb/>
Republik,&#x201F; im Grunde aber um die unum&#x017F;chränkte Herr-<lb/>
&#x017F;chaft des Adel- und Beamtenthums unter dem Scheine der<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßigkeit zu retten, und die Errungen&#x017F;chaften<lb/>
der März-Umwälzung eine nach der andern zu erdro&#x017F;&#x017F;eln &#x2014;<lb/>
den ganzen Welttheil ge&#x017F;türzt haben: &#x017F;o drängt &#x017F;ich mir<lb/>
der Gedanke mit unabweislicher Nothwendigkeit auf, daß<lb/>
auch nur die Lö&#x017F;ung der ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Frage die&#x017F;en<lb/>
Knäuel auf friedlichem und geregeltem Wege entwirren<lb/>
kann. Das jetzt in Aus&#x017F;icht &#x017F;tehende Mittel, durch eine<lb/>
Umge&#x017F;taltung un&#x017F;eres engern Staatsverbandes und des<lb/>
großen Deut&#x017F;chen Vaterlandes, eben&#x017F;o &#x017F;taatlich aus der bei-<lb/>
&#x017F;piello&#x017F;en Lage herauszukommen, in der wir uns befinden,<lb/>
habe ich zwar in der Einleitung be&#x017F;prochen, fürchte aber<lb/>
nunmehr fa&#x017F;t, daß es zu lange auf &#x017F;ich warten läßt, um<lb/>
nicht zu &#x017F;pät zu kommen.</p><lb/>
        <closer>
          <salute>Berlin, den 13. April 1849.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#b">Michelet.</hi></hi></salute>
        </closer>
      </div><lb/>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IV/0008] Wenn ich den ungeheueren Wirrwar erblicke, in welchen die Regierungen Europa’s durch eine Reihe von Gewaltmaßregeln — aus angeblicher Furcht vor der „rothen Republik,‟ im Grunde aber um die unumſchränkte Herr- ſchaft des Adel- und Beamtenthums unter dem Scheine der Verfaſſungsmäßigkeit zu retten, und die Errungenſchaften der März-Umwälzung eine nach der andern zu erdroſſeln — den ganzen Welttheil geſtürzt haben: ſo drängt ſich mir der Gedanke mit unabweislicher Nothwendigkeit auf, daß auch nur die Löſung der geſellſchaftlichen Frage dieſen Knäuel auf friedlichem und geregeltem Wege entwirren kann. Das jetzt in Ausſicht ſtehende Mittel, durch eine Umgeſtaltung unſeres engern Staatsverbandes und des großen Deutſchen Vaterlandes, ebenſo ſtaatlich aus der bei- ſpielloſen Lage herauszukommen, in der wir uns befinden, habe ich zwar in der Einleitung beſprochen, fürchte aber nunmehr faſt, daß es zu lange auf ſich warten läßt, um nicht zu ſpät zu kommen. Berlin, den 13. April 1849. Michelet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/8
Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/8>, abgerufen am 29.03.2024.