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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Ausrüstung für schwierige und gefährliche Gänge.
ob nicht ein organischer Fehler, z. B. des Herzens oder der
Lunge, Kurzathmigkeit, große Kurzsichtigkeit, starker Blut-
andrang nach dem Kopfe oder dergleichen dies verbieten.
Liegt kein Hinderniß vor, ist er gesund, kräftig, nicht zu alt,
im Bergsteigen nicht ganz ungeübt, dann, geliebter Reise-
schüler -- in der Freude meines Herzens ist es mir Bedürf-
niß, Du zu sagen -- singe Deinem Schöpfer ein Loblied,
denn Du darfst hoffen, ein Stück Herrlichkeit dieser Welt zu
schauen, von dem Du noch keine Vorstellung hast! -- Glück
und Segen begleite Deine Schritte, Sonne, Mond und
Sterne, Wind, Wetter und Wolken seien Dir hold!

Doch gemach, junger Freund, keine Uebereilung! Beim
Abschiednehmen sind wir noch lange nicht, erst muß daheim
Einiges erledigt werden. Zuvörderst bitte ich Dich, einmal
auf die nachfolgenden Mittheilungen zu achten: ihr Eis und
Schnee wird beitragen, Deine ungestüme Hitze etwas zu
kühlen. Diesmal handelt es sich nicht um Manschetten, Hut
und Hutbänder und sonstige Quisquilien, sondern einfach um
Kopf und Kragen, Hals und Beine, die Deinigen nämlich.
Um Dein Blut nicht auf mein Haupt zu laden, bemerke ich
hiermit ausdrücklich, obschon es sich von selbst versteht, daß
meine Rathschläge keineswegs den Führer von Beruf ersetzen
oder ihm vorgreifen wollen. Denn dieser hat unterwegs, so-
bald Du Dich ihm einmal anvertrautest, unumschränkte Ge-
walt über Deine Person, deren Schritte und Tritte, wie der
Lootse am Bord die Befugnisse und die Verantwortlichkeit
des Capitäns und Steuermanns in sich vereinigt. Auch spielt
in allen diesen Dingen (wie in der Medicin) die Wissenschaft
im Verhältniß zur Kunst eine sehr bescheidene Rolle. Trotz-
dem glaube ich, daß die folgenden Winke Dir nicht ohne
Nutzen sein werden. Meine eigenen und meiner Wander-
genossen Erfahrungen habe ich vervollständigt durch einiges den
Jahrbüchern der drei Alpenvereine, ferner dem Schriftchen
von Charles Boner (Verfasser von Chamois Hunting in
Bavaria
) und verschiedenen Reisebeschreibungen Entnommene,

IV. Ausrüſtung für ſchwierige und gefährliche Gänge.
ob nicht ein organiſcher Fehler, z. B. des Herzens oder der
Lunge, Kurzathmigkeit, große Kurzſichtigkeit, ſtarker Blut-
andrang nach dem Kopfe oder dergleichen dies verbieten.
Liegt kein Hinderniß vor, iſt er geſund, kräftig, nicht zu alt,
im Bergſteigen nicht ganz ungeübt, dann, geliebter Reiſe-
ſchüler — in der Freude meines Herzens iſt es mir Bedürf-
niß, Du zu ſagen — ſinge Deinem Schöpfer ein Loblied,
denn Du darfſt hoffen, ein Stück Herrlichkeit dieſer Welt zu
ſchauen, von dem Du noch keine Vorſtellung haſt! — Glück
und Segen begleite Deine Schritte, Sonne, Mond und
Sterne, Wind, Wetter und Wolken ſeien Dir hold!

Doch gemach, junger Freund, keine Uebereilung! Beim
Abſchiednehmen ſind wir noch lange nicht, erſt muß daheim
Einiges erledigt werden. Zuvörderſt bitte ich Dich, einmal
auf die nachfolgenden Mittheilungen zu achten: ihr Eis und
Schnee wird beitragen, Deine ungeſtüme Hitze etwas zu
kühlen. Diesmal handelt es ſich nicht um Manſchetten, Hut
und Hutbänder und ſonſtige Quisquilien, ſondern einfach um
Kopf und Kragen, Hals und Beine, die Deinigen nämlich.
Um Dein Blut nicht auf mein Haupt zu laden, bemerke ich
hiermit ausdrücklich, obſchon es ſich von ſelbſt verſteht, daß
meine Rathſchläge keineswegs den Führer von Beruf erſetzen
oder ihm vorgreifen wollen. Denn dieſer hat unterwegs, ſo-
bald Du Dich ihm einmal anvertrauteſt, unumſchränkte Ge-
walt über Deine Perſon, deren Schritte und Tritte, wie der
Lootſe am Bord die Befugniſſe und die Verantwortlichkeit
des Capitäns und Steuermanns in ſich vereinigt. Auch ſpielt
in allen dieſen Dingen (wie in der Medicin) die Wiſſenſchaft
im Verhältniß zur Kunſt eine ſehr beſcheidene Rolle. Trotz-
dem glaube ich, daß die folgenden Winke Dir nicht ohne
Nutzen ſein werden. Meine eigenen und meiner Wander-
genoſſen Erfahrungen habe ich vervollſtändigt durch einiges den
Jahrbüchern der drei Alpenvereine, ferner dem Schriftchen
von Charles Boner (Verfaſſer von Chamois Hunting in
Bavaria
) und verſchiedenen Reiſebeſchreibungen Entnommene,

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[64/0078] IV. Ausrüſtung für ſchwierige und gefährliche Gänge. ob nicht ein organiſcher Fehler, z. B. des Herzens oder der Lunge, Kurzathmigkeit, große Kurzſichtigkeit, ſtarker Blut- andrang nach dem Kopfe oder dergleichen dies verbieten. Liegt kein Hinderniß vor, iſt er geſund, kräftig, nicht zu alt, im Bergſteigen nicht ganz ungeübt, dann, geliebter Reiſe- ſchüler — in der Freude meines Herzens iſt es mir Bedürf- niß, Du zu ſagen — ſinge Deinem Schöpfer ein Loblied, denn Du darfſt hoffen, ein Stück Herrlichkeit dieſer Welt zu ſchauen, von dem Du noch keine Vorſtellung haſt! — Glück und Segen begleite Deine Schritte, Sonne, Mond und Sterne, Wind, Wetter und Wolken ſeien Dir hold! Doch gemach, junger Freund, keine Uebereilung! Beim Abſchiednehmen ſind wir noch lange nicht, erſt muß daheim Einiges erledigt werden. Zuvörderſt bitte ich Dich, einmal auf die nachfolgenden Mittheilungen zu achten: ihr Eis und Schnee wird beitragen, Deine ungeſtüme Hitze etwas zu kühlen. Diesmal handelt es ſich nicht um Manſchetten, Hut und Hutbänder und ſonſtige Quisquilien, ſondern einfach um Kopf und Kragen, Hals und Beine, die Deinigen nämlich. Um Dein Blut nicht auf mein Haupt zu laden, bemerke ich hiermit ausdrücklich, obſchon es ſich von ſelbſt verſteht, daß meine Rathſchläge keineswegs den Führer von Beruf erſetzen oder ihm vorgreifen wollen. Denn dieſer hat unterwegs, ſo- bald Du Dich ihm einmal anvertrauteſt, unumſchränkte Ge- walt über Deine Perſon, deren Schritte und Tritte, wie der Lootſe am Bord die Befugniſſe und die Verantwortlichkeit des Capitäns und Steuermanns in ſich vereinigt. Auch ſpielt in allen dieſen Dingen (wie in der Medicin) die Wiſſenſchaft im Verhältniß zur Kunſt eine ſehr beſcheidene Rolle. Trotz- dem glaube ich, daß die folgenden Winke Dir nicht ohne Nutzen ſein werden. Meine eigenen und meiner Wander- genoſſen Erfahrungen habe ich vervollſtändigt durch einiges den Jahrbüchern der drei Alpenvereine, ferner dem Schriftchen von Charles Boner (Verfaſſer von Chamois Hunting in Bavaria) und verſchiedenen Reiſebeſchreibungen Entnommene,

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/78>, abgerufen am 25.04.2024.