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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Mittelgrunde zeichnet sich namentlich eine Gruppe von
Tanzenden aus, zwei kräftige Männer und eben so
viel Frauen in anmuthigen und kunstvollen Bewegun-
gen, mit hochgehaltener Handreichung, wobei zuweilen
nackte Körpertheile edel und schön zum Vorschein
kommen. Indessen, der Tanz scheint langsam und den
ernsten, ja traurigen Mienen derjenigen zu entsprechen,
welche ihn aufführen. Diesen zu beiden Seiten und
dann mehr gegen den Hintergrund entfaltet sich ein
vergnügteres Leben; man gewahrt muntere Stellun-
gen, endlich possenhafte und neckische Spiele. Etwas
fiel mir besonders auf. Ein Knabengerippe im leich-
ten Scharlachmäntelchen sitzt da und wollte sich gern
von einem andern den Schuh ausziehen lassen, aber
das Bein bis zum Knie ging mit und der ungeschickte
Bursche will sich zu Tode lachen. Hingegen ein an-
derer Zug ist folgender: Vorn bei dem Flötenspieler
befindet sich ein Gesträuche, woraus eine magere Hand
ein Nestchen bietet, während ein hingekauerter Greis
sein Söhnchen bei der hingehaltenen Kerze bereits
einem Vogel in die verwundert unschuldigen Aeuglein
blicken läßt; der Bursche hat übrigens schon eine zap-
pelnde Fledermaus am Fittig. Es gibt mehrere Züge
der Art; es gäbe überhaupt noch gar Vieles anzu-
führen. Die Beleuchtung, der wundervolle Wechsel
zwischen Mond- und Kerzenlicht, wie dieß einst bei'm
Oelgemälde, besonders in der Wirkung auf's Grün,
sich zauberisch darstellen wird, ist überall bereits effekt-

Mittelgrunde zeichnet ſich namentlich eine Gruppe von
Tanzenden aus, zwei kräftige Männer und eben ſo
viel Frauen in anmuthigen und kunſtvollen Bewegun-
gen, mit hochgehaltener Handreichung, wobei zuweilen
nackte Körpertheile edel und ſchön zum Vorſchein
kommen. Indeſſen, der Tanz ſcheint langſam und den
ernſten, ja traurigen Mienen derjenigen zu entſprechen,
welche ihn aufführen. Dieſen zu beiden Seiten und
dann mehr gegen den Hintergrund entfaltet ſich ein
vergnügteres Leben; man gewahrt muntere Stellun-
gen, endlich poſſenhafte und neckiſche Spiele. Etwas
fiel mir beſonders auf. Ein Knabengerippe im leich-
ten Scharlachmäntelchen ſitzt da und wollte ſich gern
von einem andern den Schuh ausziehen laſſen, aber
das Bein bis zum Knie ging mit und der ungeſchickte
Burſche will ſich zu Tode lachen. Hingegen ein an-
derer Zug iſt folgender: Vorn bei dem Flötenſpieler
befindet ſich ein Geſträuche, woraus eine magere Hand
ein Neſtchen bietet, während ein hingekauerter Greis
ſein Söhnchen bei der hingehaltenen Kerze bereits
einem Vogel in die verwundert unſchuldigen Aeuglein
blicken läßt; der Burſche hat übrigens ſchon eine zap-
pelnde Fledermaus am Fittig. Es gibt mehrere Züge
der Art; es gäbe überhaupt noch gar Vieles anzu-
führen. Die Beleuchtung, der wundervolle Wechſel
zwiſchen Mond- und Kerzenlicht, wie dieß einſt bei’m
Oelgemälde, beſonders in der Wirkung auf’s Grün,
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[11/0019] Mittelgrunde zeichnet ſich namentlich eine Gruppe von Tanzenden aus, zwei kräftige Männer und eben ſo viel Frauen in anmuthigen und kunſtvollen Bewegun- gen, mit hochgehaltener Handreichung, wobei zuweilen nackte Körpertheile edel und ſchön zum Vorſchein kommen. Indeſſen, der Tanz ſcheint langſam und den ernſten, ja traurigen Mienen derjenigen zu entſprechen, welche ihn aufführen. Dieſen zu beiden Seiten und dann mehr gegen den Hintergrund entfaltet ſich ein vergnügteres Leben; man gewahrt muntere Stellun- gen, endlich poſſenhafte und neckiſche Spiele. Etwas fiel mir beſonders auf. Ein Knabengerippe im leich- ten Scharlachmäntelchen ſitzt da und wollte ſich gern von einem andern den Schuh ausziehen laſſen, aber das Bein bis zum Knie ging mit und der ungeſchickte Burſche will ſich zu Tode lachen. Hingegen ein an- derer Zug iſt folgender: Vorn bei dem Flötenſpieler befindet ſich ein Geſträuche, woraus eine magere Hand ein Neſtchen bietet, während ein hingekauerter Greis ſein Söhnchen bei der hingehaltenen Kerze bereits einem Vogel in die verwundert unſchuldigen Aeuglein blicken läßt; der Burſche hat übrigens ſchon eine zap- pelnde Fledermaus am Fittig. Es gibt mehrere Züge der Art; es gäbe überhaupt noch gar Vieles anzu- führen. Die Beleuchtung, der wundervolle Wechſel zwiſchen Mond- und Kerzenlicht, wie dieß einſt bei’m Oelgemälde, beſonders in der Wirkung auf’s Grün, ſich zauberiſch darſtellen wird, iſt überall bereits effekt-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/19>, abgerufen am 24.04.2024.