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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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schen auf eine von mir angefangene Tafel, die an der
Wand lehnte, und wenn kurz vorher einige seiner Ur-
theile so abgeschmackt und lächerlich als möglich klan-
gen, so ward ich jezt durch einige bedeutungsvolle
Worte aus seinem Munde überrascht, welche mir ewig
unvergeßlich bleiben werden, denn sie bezeichneten auf
die treffendste Weise das Charakteristische meiner Ma-
nier und lös'ten mir das Geheimniß eines Fehlers,
den ich bisher nur dunkel empfunden hatte. Der wunderliche
Mensch wollte mein Erstaunen nicht bemerken, er griff
eben nach dem Hute, als ich ihn lebhaft zu mir auf
einen Sitz niederzog und zu einer weiteren Erörterung
aufforderte. Es übersteigt jedoch alle Beschreibung,
in welch' sonderbarem Gemische des fadesten und un-
sinnigsten Galimatias mit einzelnen äußerst pikanten
Streiflichtern von Scharfsinn sich der Mensch in einer
süßlich wispernden Sprache nun gegen mich verneh-
men ließ. Dieß Alles zusammengenommen und das
unpassende Kichern, womit er sich selber und mich
gleichsam zu verhöhnen schien, ließ keinen Zweifel
übrig, daß ich hier das seltenste Beispiel von Ver-
rücktheit vor mir habe, welches mir je begegnet war.
Ich brach ab, lenkte das Gespräch auf gewöhnliche
Dinge und er schien sich in seinem stutzerhaft affektir-
ten Betragen nur immer mehr zu gefallen. Dieß
elegante Vornehmthun machte mit seinem nothdürfti-
gen Aeußern, einem abgetragenen, hellgrünen Fräck-
chen und schlechten Ranking-Beinkleidern einen höchst

ſchen auf eine von mir angefangene Tafel, die an der
Wand lehnte, und wenn kurz vorher einige ſeiner Ur-
theile ſo abgeſchmackt und lächerlich als möglich klan-
gen, ſo ward ich jezt durch einige bedeutungsvolle
Worte aus ſeinem Munde überraſcht, welche mir ewig
unvergeßlich bleiben werden, denn ſie bezeichneten auf
die treffendſte Weiſe das Charakteriſtiſche meiner Ma-
nier und löſ’ten mir das Geheimniß eines Fehlers,
den ich bisher nur dunkel empfunden hatte. Der wunderliche
Menſch wollte mein Erſtaunen nicht bemerken, er griff
eben nach dem Hute, als ich ihn lebhaft zu mir auf
einen Sitz niederzog und zu einer weiteren Erörterung
aufforderte. Es überſteigt jedoch alle Beſchreibung,
in welch’ ſonderbarem Gemiſche des fadeſten und un-
ſinnigſten Galimatias mit einzelnen äußerſt pikanten
Streiflichtern von Scharfſinn ſich der Menſch in einer
ſüßlich wiſpernden Sprache nun gegen mich verneh-
men ließ. Dieß Alles zuſammengenommen und das
unpaſſende Kichern, womit er ſich ſelber und mich
gleichſam zu verhöhnen ſchien, ließ keinen Zweifel
übrig, daß ich hier das ſeltenſte Beiſpiel von Ver-
rücktheit vor mir habe, welches mir je begegnet war.
Ich brach ab, lenkte das Geſpräch auf gewöhnliche
Dinge und er ſchien ſich in ſeinem ſtutzerhaft affektir-
ten Betragen nur immer mehr zu gefallen. Dieß
elegante Vornehmthun machte mit ſeinem nothdürfti-
gen Aeußern, einem abgetragenen, hellgrünen Fräck-
chen und ſchlechten Ranking-Beinkleidern einen höchſt

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[16/0024] ſchen auf eine von mir angefangene Tafel, die an der Wand lehnte, und wenn kurz vorher einige ſeiner Ur- theile ſo abgeſchmackt und lächerlich als möglich klan- gen, ſo ward ich jezt durch einige bedeutungsvolle Worte aus ſeinem Munde überraſcht, welche mir ewig unvergeßlich bleiben werden, denn ſie bezeichneten auf die treffendſte Weiſe das Charakteriſtiſche meiner Ma- nier und löſ’ten mir das Geheimniß eines Fehlers, den ich bisher nur dunkel empfunden hatte. Der wunderliche Menſch wollte mein Erſtaunen nicht bemerken, er griff eben nach dem Hute, als ich ihn lebhaft zu mir auf einen Sitz niederzog und zu einer weiteren Erörterung aufforderte. Es überſteigt jedoch alle Beſchreibung, in welch’ ſonderbarem Gemiſche des fadeſten und un- ſinnigſten Galimatias mit einzelnen äußerſt pikanten Streiflichtern von Scharfſinn ſich der Menſch in einer ſüßlich wiſpernden Sprache nun gegen mich verneh- men ließ. Dieß Alles zuſammengenommen und das unpaſſende Kichern, womit er ſich ſelber und mich gleichſam zu verhöhnen ſchien, ließ keinen Zweifel übrig, daß ich hier das ſeltenſte Beiſpiel von Ver- rücktheit vor mir habe, welches mir je begegnet war. Ich brach ab, lenkte das Geſpräch auf gewöhnliche Dinge und er ſchien ſich in ſeinem ſtutzerhaft affektir- ten Betragen nur immer mehr zu gefallen. Dieß elegante Vornehmthun machte mit ſeinem nothdürfti- gen Aeußern, einem abgetragenen, hellgrünen Fräck- chen und ſchlechten Ranking-Beinkleidern einen höchſt

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/24>, abgerufen am 19.04.2024.