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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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War Theobald auf diese Weise durch die rasche
und glänzende Veränderung seines bisherigen Zustan-
des gewissermaßen selbst überrascht und anfänglich so-
gar verlegen, so verwunderte er sich in der Folge bei-
nahe noch mehr über die Leichtigkeit, womit er sich in
seine jetzige Stellung gewöhnte und darin behauptete.
Allerdings brauchte er die Achtung, durch die er sich
vor Andern ausgezeichnet sah, nur als etwas Ver-
dientes hinzunehmen, so kam sie ihm auch ganz natür-
lich zu.

Durch die Vermittlung des Herzogs erhielt er
Zutritt im Hause des Grafen von Zarlin, der sich
ohne eigene Einsichten, und wie Mehrere behaupteten,
aus bloßer Eitelkeit als einen leidenschaftlichen Freund
jeder Gattung von Kunst hervorthat, und dem es wirk-
lich gelang, einen Zirkel edler Männer und Frauen
um sich zu versammeln, worin geistige Unterhaltung
aller Art, namentlich Lektüre guter Dichterwerke vor-
kam. Die lebendig machende Seele des Ganzen jedoch
war, ohne es zu wollen, die schöne Schwester des
Grafen, Constanze von Armond, die junge Witt-
we eines vor wenigen Jahren gestorbenen Generals.
Ihre Liebenswürdigkeit wäre mächtig genug gewesen,
den Kreis der Männer zu beherrschen und Gesetze
vorzuschreiben, aber die angenehme Frau blieb mit der
sanften Wirkung zufrieden, welche von ihrer Person
auf alle übrigen Gemüther ausging, und sich allge-
mein in der erwärmteren Theilnahme an den Unter-

War Theobald auf dieſe Weiſe durch die raſche
und glänzende Veränderung ſeines bisherigen Zuſtan-
des gewiſſermaßen ſelbſt überraſcht und anfänglich ſo-
gar verlegen, ſo verwunderte er ſich in der Folge bei-
nahe noch mehr über die Leichtigkeit, womit er ſich in
ſeine jetzige Stellung gewöhnte und darin behauptete.
Allerdings brauchte er die Achtung, durch die er ſich
vor Andern ausgezeichnet ſah, nur als etwas Ver-
dientes hinzunehmen, ſo kam ſie ihm auch ganz natür-
lich zu.

Durch die Vermittlung des Herzogs erhielt er
Zutritt im Hauſe des Grafen von Zarlin, der ſich
ohne eigene Einſichten, und wie Mehrere behaupteten,
aus bloßer Eitelkeit als einen leidenſchaftlichen Freund
jeder Gattung von Kunſt hervorthat, und dem es wirk-
lich gelang, einen Zirkel edler Männer und Frauen
um ſich zu verſammeln, worin geiſtige Unterhaltung
aller Art, namentlich Lektüre guter Dichterwerke vor-
kam. Die lebendig machende Seele des Ganzen jedoch
war, ohne es zu wollen, die ſchöne Schweſter des
Grafen, Conſtanze von Armond, die junge Witt-
we eines vor wenigen Jahren geſtorbenen Generals.
Ihre Liebenswürdigkeit wäre mächtig genug geweſen,
den Kreis der Männer zu beherrſchen und Geſetze
vorzuſchreiben, aber die angenehme Frau blieb mit der
ſanften Wirkung zufrieden, welche von ihrer Perſon
auf alle übrigen Gemüther ausging, und ſich allge-
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[26/0034] War Theobald auf dieſe Weiſe durch die raſche und glänzende Veränderung ſeines bisherigen Zuſtan- des gewiſſermaßen ſelbſt überraſcht und anfänglich ſo- gar verlegen, ſo verwunderte er ſich in der Folge bei- nahe noch mehr über die Leichtigkeit, womit er ſich in ſeine jetzige Stellung gewöhnte und darin behauptete. Allerdings brauchte er die Achtung, durch die er ſich vor Andern ausgezeichnet ſah, nur als etwas Ver- dientes hinzunehmen, ſo kam ſie ihm auch ganz natür- lich zu. Durch die Vermittlung des Herzogs erhielt er Zutritt im Hauſe des Grafen von Zarlin, der ſich ohne eigene Einſichten, und wie Mehrere behaupteten, aus bloßer Eitelkeit als einen leidenſchaftlichen Freund jeder Gattung von Kunſt hervorthat, und dem es wirk- lich gelang, einen Zirkel edler Männer und Frauen um ſich zu verſammeln, worin geiſtige Unterhaltung aller Art, namentlich Lektüre guter Dichterwerke vor- kam. Die lebendig machende Seele des Ganzen jedoch war, ohne es zu wollen, die ſchöne Schweſter des Grafen, Conſtanze von Armond, die junge Witt- we eines vor wenigen Jahren geſtorbenen Generals. Ihre Liebenswürdigkeit wäre mächtig genug geweſen, den Kreis der Männer zu beherrſchen und Geſetze vorzuſchreiben, aber die angenehme Frau blieb mit der ſanften Wirkung zufrieden, welche von ihrer Perſon auf alle übrigen Gemüther ausging, und ſich allge- mein in der erwärmteren Theilnahme an den Unter-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/34>, abgerufen am 24.04.2024.