Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Also sollte man den Rentekauf
vierfach abnehmen, was er nur einmal zu bezahlen im
Stande ist.

In den benachbarten Ländern muß ein leibeigner Schuld-
ner jährlich gewisse Scheffelsaat bestellen. Diese werden unter
die Gläubiger meistbietend versteigert; wer am ersten bezahlt
seyn will, giebt das mehrste dafür. Dies scheint mir noch
das beste Palliativmittel zu seyn.



XXVII.
Also sollte man den Rentekauf für den
Zinscontrakt wieder einführen.

Es ist ein grosses Problem, warum die Religion so lange
gegen alle Zinsen geeifert, und das Canonische Recht
solche durchaus verboten hat. Allein wenn man die Sache
aus dem Gesichtspunkt betrachtet, daß man dafür, so wie
der Erfolg gewiesen, den Rentekauf begünstigen wollen: so
muß man gewiß die höhere Weißheit bewundern; denn die
Zinsen, oder das damit verknüpfte Recht des Gläubigers das
Anlehen zu lösen, ist durchaus dem Eigenthum und der Frey-
heit zuwider. Ein Krieg, ein Mißwachs und andre Unglücks-
fälle können tausend Eigenthümer nöthigen sich zu verschulden.
Beruhet es nun in der Wahl der Gläubiger den unbequemsten
Zeitpunkt zur Löse zu nehmen: so muß er sich alle ihre Güter
zum Nachtheil des Staats zueignen, und seine Mitbürger zu
seinen Sclaven machen können. Dies könnte zwar auch
durch ein Anlehen ohne Zinsen geschehen; allein der weise
Gesetzgeber hat wohl eingesehen, daß der Geiz der Menschen

die-

Alſo ſollte man den Rentekauf
vierfach abnehmen, was er nur einmal zu bezahlen im
Stande iſt.

In den benachbarten Laͤndern muß ein leibeigner Schuld-
ner jaͤhrlich gewiſſe Scheffelſaat beſtellen. Dieſe werden unter
die Glaͤubiger meiſtbietend verſteigert; wer am erſten bezahlt
ſeyn will, giebt das mehrſte dafuͤr. Dies ſcheint mir noch
das beſte Palliativmittel zu ſeyn.



XXVII.
Alſo ſollte man den Rentekauf fuͤr den
Zinscontrakt wieder einfuͤhren.

Es iſt ein groſſes Problem, warum die Religion ſo lange
gegen alle Zinſen geeifert, und das Canoniſche Recht
ſolche durchaus verboten hat. Allein wenn man die Sache
aus dem Geſichtspunkt betrachtet, daß man dafuͤr, ſo wie
der Erfolg gewieſen, den Rentekauf beguͤnſtigen wollen: ſo
muß man gewiß die hoͤhere Weißheit bewundern; denn die
Zinſen, oder das damit verknuͤpfte Recht des Glaͤubigers das
Anlehen zu loͤſen, iſt durchaus dem Eigenthum und der Frey-
heit zuwider. Ein Krieg, ein Mißwachs und andre Ungluͤcks-
faͤlle koͤnnen tauſend Eigenthuͤmer noͤthigen ſich zu verſchulden.
Beruhet es nun in der Wahl der Glaͤubiger den unbequemſten
Zeitpunkt zur Loͤſe zu nehmen: ſo muß er ſich alle ihre Guͤter
zum Nachtheil des Staats zueignen, und ſeine Mitbuͤrger zu
ſeinen Sclaven machen koͤnnen. Dies koͤnnte zwar auch
durch ein Anlehen ohne Zinſen geſchehen; allein der weiſe
Geſetzgeber hat wohl eingeſehen, daß der Geiz der Menſchen

die-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o &#x017F;ollte man den Rentekauf</hi></fw><lb/>
vierfach abnehmen, was er nur einmal zu bezahlen im<lb/>
Stande i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>In den benachbarten La&#x0364;ndern muß ein leibeigner Schuld-<lb/>
ner ja&#x0364;hrlich gewi&#x017F;&#x017F;e Scheffel&#x017F;aat be&#x017F;tellen. Die&#x017F;e werden unter<lb/>
die Gla&#x0364;ubiger mei&#x017F;tbietend ver&#x017F;teigert; wer am er&#x017F;ten bezahlt<lb/>
&#x017F;eyn will, giebt das mehr&#x017F;te dafu&#x0364;r. Dies &#x017F;cheint mir noch<lb/>
das be&#x017F;te Palliativmittel zu &#x017F;eyn.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXVII.</hi><lb/>
Al&#x017F;o &#x017F;ollte man den Rentekauf fu&#x0364;r den<lb/>
Zinscontrakt wieder einfu&#x0364;hren.</hi> </head><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t ein gro&#x017F;&#x017F;es Problem, warum die Religion &#x017F;o lange<lb/>
gegen alle Zin&#x017F;en geeifert, und das Canoni&#x017F;che Recht<lb/>
&#x017F;olche durchaus verboten hat. Allein wenn man die Sache<lb/>
aus dem Ge&#x017F;ichtspunkt betrachtet, daß man dafu&#x0364;r, &#x017F;o wie<lb/>
der Erfolg gewie&#x017F;en, den <hi rendition="#fr">Rentekauf</hi> begu&#x0364;n&#x017F;tigen wollen: &#x017F;o<lb/>
muß man gewiß die ho&#x0364;here Weißheit bewundern; denn die<lb/>
Zin&#x017F;en, oder das damit verknu&#x0364;pfte Recht des Gla&#x0364;ubigers das<lb/>
Anlehen zu lo&#x0364;&#x017F;en, i&#x017F;t durchaus dem Eigenthum und der Frey-<lb/>
heit zuwider. Ein Krieg, ein Mißwachs und andre Unglu&#x0364;cks-<lb/>
fa&#x0364;lle ko&#x0364;nnen tau&#x017F;end Eigenthu&#x0364;mer no&#x0364;thigen &#x017F;ich zu ver&#x017F;chulden.<lb/>
Beruhet es nun in der Wahl der Gla&#x0364;ubiger den unbequem&#x017F;ten<lb/>
Zeitpunkt zur Lo&#x0364;&#x017F;e zu nehmen: &#x017F;o muß er &#x017F;ich alle ihre Gu&#x0364;ter<lb/>
zum Nachtheil des Staats zueignen, und &#x017F;eine Mitbu&#x0364;rger zu<lb/>
&#x017F;einen Sclaven machen ko&#x0364;nnen. Dies ko&#x0364;nnte zwar auch<lb/>
durch ein Anlehen ohne Zin&#x017F;en ge&#x017F;chehen; allein der wei&#x017F;e<lb/>
Ge&#x017F;etzgeber hat wohl einge&#x017F;ehen, daß der Geiz der Men&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0242] Alſo ſollte man den Rentekauf vierfach abnehmen, was er nur einmal zu bezahlen im Stande iſt. In den benachbarten Laͤndern muß ein leibeigner Schuld- ner jaͤhrlich gewiſſe Scheffelſaat beſtellen. Dieſe werden unter die Glaͤubiger meiſtbietend verſteigert; wer am erſten bezahlt ſeyn will, giebt das mehrſte dafuͤr. Dies ſcheint mir noch das beſte Palliativmittel zu ſeyn. XXVII. Alſo ſollte man den Rentekauf fuͤr den Zinscontrakt wieder einfuͤhren. Es iſt ein groſſes Problem, warum die Religion ſo lange gegen alle Zinſen geeifert, und das Canoniſche Recht ſolche durchaus verboten hat. Allein wenn man die Sache aus dem Geſichtspunkt betrachtet, daß man dafuͤr, ſo wie der Erfolg gewieſen, den Rentekauf beguͤnſtigen wollen: ſo muß man gewiß die hoͤhere Weißheit bewundern; denn die Zinſen, oder das damit verknuͤpfte Recht des Glaͤubigers das Anlehen zu loͤſen, iſt durchaus dem Eigenthum und der Frey- heit zuwider. Ein Krieg, ein Mißwachs und andre Ungluͤcks- faͤlle koͤnnen tauſend Eigenthuͤmer noͤthigen ſich zu verſchulden. Beruhet es nun in der Wahl der Glaͤubiger den unbequemſten Zeitpunkt zur Loͤſe zu nehmen: ſo muß er ſich alle ihre Guͤter zum Nachtheil des Staats zueignen, und ſeine Mitbuͤrger zu ſeinen Sclaven machen koͤnnen. Dies koͤnnte zwar auch durch ein Anlehen ohne Zinſen geſchehen; allein der weiſe Geſetzgeber hat wohl eingeſehen, daß der Geiz der Menſchen die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/242
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/242>, abgerufen am 25.04.2024.