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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Der jetzige Hang zu allgemeinen Gesetzen

Zwar lobt man an einer jeden Maschine den einfachen
Hebel; und die größte Menge der Würkungen ist nicht be-
wundernswürdiger, als wenn sie durch die kleinste Kraft
(minimum) hervorgebracht wird. Allein kein vernünftiger
Mensch wird läugnen, daß da, wo hundert tausend zusam-
mengesetzte Hebel zugleich das Verdienst der kleinsten Kraft
erhalten, die Würkungen unendlich schöner und größer seyn
müssen. Ein Staat, worinn ein jeder der vollkommensten
Freyheit genießt, und das allgemeine Beste zugleich im
höchsten Grad erhalten wird, ist unstreitig besser, glückli-
cher und prächtiger, als ein ander, worinn das letzte mit
einer größern Aufopferung der Freyheit anfs theuerste erkauft
werden muß. Jener aber wird gewiß eine größere Man-
nigfaltigkeit in seinen Gesetzen haben, als dieser.

Daß bey einem Generaldepartement richtige Charten und
Tabellen von allem, was zu seiner Beurtheilung eingeschickt
wird, vorhanden seyn müssen, um die Berichte des Local-
beamten deutlich verstehen, und seine Gründe prüfen zu
können, ist eine Sache für sich; daß dasselbe die Geschick-
lichkeit, den Fleiß und die Redlichkeit des Localbeamten auf
das genaueste controlliren müsse, wird auch wohl niemand
in Zweifel ziehen. Allein dieses hindert nicht, daß nicht
jeder Forst seine eigne Regeln, jedes Städtgen seine eigne
Policey, und jede Bauerschaft ihre besondern Rechte, so
wie ihre besondern Vortheile und Bedürfnisse habe, welche
ohne Gewalt unter keine allgemeine Verordnungen gezwun-
gen werden können. Es hindert nicht, daß das Gutachten
eines redlichen und einsichtsvollen Localbeamten nicht allemal
mehrere Aufmerksamkeit verdiene, als die großen Theorien
des Generaldepartements, und wenn ich ein allgemeines
Gesetzbuch zu machen hätte: so würde es darinn bestehen,

daß
Der jetzige Hang zu allgemeinen Geſetzen

Zwar lobt man an einer jeden Maſchine den einfachen
Hebel; und die groͤßte Menge der Wuͤrkungen iſt nicht be-
wundernswuͤrdiger, als wenn ſie durch die kleinſte Kraft
(minimum) hervorgebracht wird. Allein kein vernuͤnftiger
Menſch wird laͤugnen, daß da, wo hundert tauſend zuſam-
mengeſetzte Hebel zugleich das Verdienſt der kleinſten Kraft
erhalten, die Wuͤrkungen unendlich ſchoͤner und groͤßer ſeyn
muͤſſen. Ein Staat, worinn ein jeder der vollkommenſten
Freyheit genießt, und das allgemeine Beſte zugleich im
hoͤchſten Grad erhalten wird, iſt unſtreitig beſſer, gluͤckli-
cher und praͤchtiger, als ein ander, worinn das letzte mit
einer groͤßern Aufopferung der Freyheit anfs theuerſte erkauft
werden muß. Jener aber wird gewiß eine groͤßere Man-
nigfaltigkeit in ſeinen Geſetzen haben, als dieſer.

Daß bey einem Generaldepartement richtige Charten und
Tabellen von allem, was zu ſeiner Beurtheilung eingeſchickt
wird, vorhanden ſeyn muͤſſen, um die Berichte des Local-
beamten deutlich verſtehen, und ſeine Gruͤnde pruͤfen zu
koͤnnen, iſt eine Sache fuͤr ſich; daß daſſelbe die Geſchick-
lichkeit, den Fleiß und die Redlichkeit des Localbeamten auf
das genaueſte controlliren muͤſſe, wird auch wohl niemand
in Zweifel ziehen. Allein dieſes hindert nicht, daß nicht
jeder Forſt ſeine eigne Regeln, jedes Staͤdtgen ſeine eigne
Policey, und jede Bauerſchaft ihre beſondern Rechte, ſo
wie ihre beſondern Vortheile und Beduͤrfniſſe habe, welche
ohne Gewalt unter keine allgemeine Verordnungen gezwun-
gen werden koͤnnen. Es hindert nicht, daß das Gutachten
eines redlichen und einſichtsvollen Localbeamten nicht allemal
mehrere Aufmerkſamkeit verdiene, als die großen Theorien
des Generaldepartements, und wenn ich ein allgemeines
Geſetzbuch zu machen haͤtte: ſo wuͤrde es darinn beſtehen,

daß
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[20/0038] Der jetzige Hang zu allgemeinen Geſetzen Zwar lobt man an einer jeden Maſchine den einfachen Hebel; und die groͤßte Menge der Wuͤrkungen iſt nicht be- wundernswuͤrdiger, als wenn ſie durch die kleinſte Kraft (minimum) hervorgebracht wird. Allein kein vernuͤnftiger Menſch wird laͤugnen, daß da, wo hundert tauſend zuſam- mengeſetzte Hebel zugleich das Verdienſt der kleinſten Kraft erhalten, die Wuͤrkungen unendlich ſchoͤner und groͤßer ſeyn muͤſſen. Ein Staat, worinn ein jeder der vollkommenſten Freyheit genießt, und das allgemeine Beſte zugleich im hoͤchſten Grad erhalten wird, iſt unſtreitig beſſer, gluͤckli- cher und praͤchtiger, als ein ander, worinn das letzte mit einer groͤßern Aufopferung der Freyheit anfs theuerſte erkauft werden muß. Jener aber wird gewiß eine groͤßere Man- nigfaltigkeit in ſeinen Geſetzen haben, als dieſer. Daß bey einem Generaldepartement richtige Charten und Tabellen von allem, was zu ſeiner Beurtheilung eingeſchickt wird, vorhanden ſeyn muͤſſen, um die Berichte des Local- beamten deutlich verſtehen, und ſeine Gruͤnde pruͤfen zu koͤnnen, iſt eine Sache fuͤr ſich; daß daſſelbe die Geſchick- lichkeit, den Fleiß und die Redlichkeit des Localbeamten auf das genaueſte controlliren muͤſſe, wird auch wohl niemand in Zweifel ziehen. Allein dieſes hindert nicht, daß nicht jeder Forſt ſeine eigne Regeln, jedes Staͤdtgen ſeine eigne Policey, und jede Bauerſchaft ihre beſondern Rechte, ſo wie ihre beſondern Vortheile und Beduͤrfniſſe habe, welche ohne Gewalt unter keine allgemeine Verordnungen gezwun- gen werden koͤnnen. Es hindert nicht, daß das Gutachten eines redlichen und einſichtsvollen Localbeamten nicht allemal mehrere Aufmerkſamkeit verdiene, als die großen Theorien des Generaldepartements, und wenn ich ein allgemeines Geſetzbuch zu machen haͤtte: ſo wuͤrde es darinn beſtehen, daß

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/38>, abgerufen am 29.03.2024.