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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Vorschlag, wie der Theurung des Korns
zu gegenwärtiger Zeit*) so leicht kein Staat in Deutschland
seyn wird, worinn nicht das Gegentheil und zwar plötzlich ge-
schehn; indem fast alle Obrigkeiten die Ausfuhr des Korns
und das Brantweinsbrennen verboten; viele die Kornspeicher
ihrer Unterthanen oder ihre auf gemeine Kosten unterhaltene
Magazine eröfnet, und auf diese Weise die Theurung zu hem-
men, und die sogenannten Kornjuden zur Billigkeit zu bringen
gesuchet haben: so glaube ich doch, daß jene Meynung alle-
mal solche Gründe sür sich habe, welche überlegt zu werden
verdienen; ich will sie also kürzlich anführen und das Urtheil
andern überlassen.

Jeder Mensch, welcher einen Handel unternimmt, macht
seine Rechnung zufolge der natürlichen Ungewißheit, welche
der Lauf der Handlung mit sich bringt, und ich glaube es als
einen gewissen Satz annehmen zu können, daß niemand da
leicht mit Korn handeln werde, wo es ein mächtiger, so oft es
ihm beliebt, mit Schaden verkaufen kan. Es geschieht zwar
oft, daß ein Kaufmann, der zu Grunde geht, seine Waaren
wohlfeil und mit Schaden losschlägt, mithin dadurch andern
ehrlichen Leuten den Markt verdirbt. Dise wissen aber schon
zum voraus, und haben es als eine in den gemeinen Lauf ge-
hörige Unsicherhelt berechnet, daß jener es nicht lange aus-
halten könne. Allein wo ein Staat, der es lange aushalten
kan, indem er den Schaden wiederum auf alle Einwohner
vertheilet, so handeln will; wo dieser unter dem zufälligen
Preis verkauft; wo dieser beständig mit der Eröfnung seiner
auf gemeine Unkosten angelegten Magazine oder der Korn-
speicher seiner Einwohner droht; wo dieser den Abgang der

Waare
*) 1771. ich bemerke hier das Jahr, worinn dieser Aufsatz ab-
gedruckt worden, weil man im Jahr 1774. in Herrnkreuh
aus eben diesen Grundsätzen die Kornhandlung frey gemacht
hat.

Vorſchlag, wie der Theurung des Korns
zu gegenwaͤrtiger Zeit*) ſo leicht kein Staat in Deutſchland
ſeyn wird, worinn nicht das Gegentheil und zwar ploͤtzlich ge-
ſchehn; indem faſt alle Obrigkeiten die Ausfuhr des Korns
und das Brantweinsbrennen verboten; viele die Kornſpeicher
ihrer Unterthanen oder ihre auf gemeine Koſten unterhaltene
Magazine eroͤfnet, und auf dieſe Weiſe die Theurung zu hem-
men, und die ſogenannten Kornjuden zur Billigkeit zu bringen
geſuchet haben: ſo glaube ich doch, daß jene Meynung alle-
mal ſolche Gruͤnde ſuͤr ſich habe, welche uͤberlegt zu werden
verdienen; ich will ſie alſo kuͤrzlich anfuͤhren und das Urtheil
andern uͤberlaſſen.

Jeder Menſch, welcher einen Handel unternimmt, macht
ſeine Rechnung zufolge der natuͤrlichen Ungewißheit, welche
der Lauf der Handlung mit ſich bringt, und ich glaube es als
einen gewiſſen Satz annehmen zu koͤnnen, daß niemand da
leicht mit Korn handeln werde, wo es ein maͤchtiger, ſo oft es
ihm beliebt, mit Schaden verkaufen kan. Es geſchieht zwar
oft, daß ein Kaufmann, der zu Grunde geht, ſeine Waaren
wohlfeil und mit Schaden losſchlaͤgt, mithin dadurch andern
ehrlichen Leuten den Markt verdirbt. Diſe wiſſen aber ſchon
zum voraus, und haben es als eine in den gemeinen Lauf ge-
hoͤrige Unſicherhelt berechnet, daß jener es nicht lange aus-
halten koͤnne. Allein wo ein Staat, der es lange aushalten
kan, indem er den Schaden wiederum auf alle Einwohner
vertheilet, ſo handeln will; wo dieſer unter dem zufaͤlligen
Preis verkauft; wo dieſer beſtaͤndig mit der Eroͤfnung ſeiner
auf gemeine Unkoſten angelegten Magazine oder der Korn-
ſpeicher ſeiner Einwohner droht; wo dieſer den Abgang der

Waare
*) 1771. ich bemerke hier das Jahr, worinn dieſer Aufſatz ab-
gedruckt worden, weil man im Jahr 1774. in Herrnkreuh
aus eben dieſen Grundſaͤtzen die Kornhandlung frey gemacht
hat.
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[22/0040] Vorſchlag, wie der Theurung des Korns zu gegenwaͤrtiger Zeit *) ſo leicht kein Staat in Deutſchland ſeyn wird, worinn nicht das Gegentheil und zwar ploͤtzlich ge- ſchehn; indem faſt alle Obrigkeiten die Ausfuhr des Korns und das Brantweinsbrennen verboten; viele die Kornſpeicher ihrer Unterthanen oder ihre auf gemeine Koſten unterhaltene Magazine eroͤfnet, und auf dieſe Weiſe die Theurung zu hem- men, und die ſogenannten Kornjuden zur Billigkeit zu bringen geſuchet haben: ſo glaube ich doch, daß jene Meynung alle- mal ſolche Gruͤnde ſuͤr ſich habe, welche uͤberlegt zu werden verdienen; ich will ſie alſo kuͤrzlich anfuͤhren und das Urtheil andern uͤberlaſſen. Jeder Menſch, welcher einen Handel unternimmt, macht ſeine Rechnung zufolge der natuͤrlichen Ungewißheit, welche der Lauf der Handlung mit ſich bringt, und ich glaube es als einen gewiſſen Satz annehmen zu koͤnnen, daß niemand da leicht mit Korn handeln werde, wo es ein maͤchtiger, ſo oft es ihm beliebt, mit Schaden verkaufen kan. Es geſchieht zwar oft, daß ein Kaufmann, der zu Grunde geht, ſeine Waaren wohlfeil und mit Schaden losſchlaͤgt, mithin dadurch andern ehrlichen Leuten den Markt verdirbt. Diſe wiſſen aber ſchon zum voraus, und haben es als eine in den gemeinen Lauf ge- hoͤrige Unſicherhelt berechnet, daß jener es nicht lange aus- halten koͤnne. Allein wo ein Staat, der es lange aushalten kan, indem er den Schaden wiederum auf alle Einwohner vertheilet, ſo handeln will; wo dieſer unter dem zufaͤlligen Preis verkauft; wo dieſer beſtaͤndig mit der Eroͤfnung ſeiner auf gemeine Unkoſten angelegten Magazine oder der Korn- ſpeicher ſeiner Einwohner droht; wo dieſer den Abgang der Waare *) 1771. ich bemerke hier das Jahr, worinn dieſer Aufſatz ab- gedruckt worden, weil man im Jahr 1774. in Herrnkreuh aus eben dieſen Grundſaͤtzen die Kornhandlung frey gemacht hat.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/40>, abgerufen am 28.03.2024.