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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Der junge Rath.
herrschte durch die Größe seiner Kunst über alle verfeinerte
Geschöpfe, und entzog ihnen durch die Macht seiner Beschei-
denheit den ganzen Umfang seiner Herrschaft. Wäre das
menschliche Leben nur ein Rosenmonat gewesen; so würde
Selimor als der vollkommenste Mann gestorben seyn.

Aber nun stelleten sich auch rauhe Winter ein. Der Fürst
war in Schulden gerathen und überwarf sich mit seinem
Cammerpräsidenten, einem würdigen und geschickten aber
trockenen Mann. Das Wohl des Herrn und des Staats
erforderte durchaus diesen Mann beyzubehalten, und Selimor
wurde an ihn abgeschickt eine Versöhnung zu stiften. Anstatt
aber solche zu befördern, verdarb er die Sache, weil er die
trockene Begegnung des Präsidenten für Grobheit aufnahm,
und das Herz des Fürsten immer tiefer verwundete. Seli-
mor übernahm endlich auf Begehren des Fürsten die Cam-
mersachen. Kaum hatte er solche ein halbes Jahr versehen:
so war alles in Verwirrung, weil weder Arbeit noch Dauer
in ihm war, und die bloße Manier außer der Sphäre der fei-
nen Welt den Mangel wahrer Verdienste nicht ersetzte. Die
redlichen und natürlichen Beamten verlohren die Hochachtung
wie den guten Willen für den Mann, der weder Erfahrung
noch Wissenschaft hatte. Einer von den geringern Bedienten,
dem der alte Präsident für seine zahlreiche Familie jährlich
hundert Thaler aus seiner Tasche gegeben hatte, und den Se-
limor nun mit einem freundschaftlichen Lobe zu seinen betrübten
Kindern schickte, hieß ihn einen Hofschranzen, weil dieser den
Werth der Geschöpfe aus der feinen Welt nicht besser einsahe.
Der Militairstand, der in dreyen Monaten keine Zahlung ge-
sehen hatte, und seine Ungeschicklichkeit in Geschäften bemerkte,
schalt ihn einen süßen Herrn. Die Hofdamen welche das
ihrige auch nicht erhielten, fanden ihn nun sehr fade, und
wie er einer von ihnen einen kleinen Dienst mit aller der fei-

nen

Der junge Rath.
herrſchte durch die Groͤße ſeiner Kunſt uͤber alle verfeinerte
Geſchoͤpfe, und entzog ihnen durch die Macht ſeiner Beſchei-
denheit den ganzen Umfang ſeiner Herrſchaft. Waͤre das
menſchliche Leben nur ein Roſenmonat geweſen; ſo wuͤrde
Selimor als der vollkommenſte Mann geſtorben ſeyn.

Aber nun ſtelleten ſich auch rauhe Winter ein. Der Fuͤrſt
war in Schulden gerathen und uͤberwarf ſich mit ſeinem
Cammerpraͤſidenten, einem wuͤrdigen und geſchickten aber
trockenen Mann. Das Wohl des Herrn und des Staats
erforderte durchaus dieſen Mann beyzubehalten, und Selimor
wurde an ihn abgeſchickt eine Verſoͤhnung zu ſtiften. Anſtatt
aber ſolche zu befoͤrdern, verdarb er die Sache, weil er die
trockene Begegnung des Praͤſidenten fuͤr Grobheit aufnahm,
und das Herz des Fuͤrſten immer tiefer verwundete. Seli-
mor uͤbernahm endlich auf Begehren des Fuͤrſten die Cam-
merſachen. Kaum hatte er ſolche ein halbes Jahr verſehen:
ſo war alles in Verwirrung, weil weder Arbeit noch Dauer
in ihm war, und die bloße Manier außer der Sphaͤre der fei-
nen Welt den Mangel wahrer Verdienſte nicht erſetzte. Die
redlichen und natuͤrlichen Beamten verlohren die Hochachtung
wie den guten Willen fuͤr den Mann, der weder Erfahrung
noch Wiſſenſchaft hatte. Einer von den geringern Bedienten,
dem der alte Praͤſident fuͤr ſeine zahlreiche Familie jaͤhrlich
hundert Thaler aus ſeiner Taſche gegeben hatte, und den Se-
limor nun mit einem freundſchaftlichen Lobe zu ſeinen betruͤbten
Kindern ſchickte, hieß ihn einen Hofſchranzen, weil dieſer den
Werth der Geſchoͤpfe aus der feinen Welt nicht beſſer einſahe.
Der Militairſtand, der in dreyen Monaten keine Zahlung ge-
ſehen hatte, und ſeine Ungeſchicklichkeit in Geſchaͤften bemerkte,
ſchalt ihn einen ſuͤßen Herrn. Die Hofdamen welche das
ihrige auch nicht erhielten, fanden ihn nun ſehr fade, und
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[488/0506] Der junge Rath. herrſchte durch die Groͤße ſeiner Kunſt uͤber alle verfeinerte Geſchoͤpfe, und entzog ihnen durch die Macht ſeiner Beſchei- denheit den ganzen Umfang ſeiner Herrſchaft. Waͤre das menſchliche Leben nur ein Roſenmonat geweſen; ſo wuͤrde Selimor als der vollkommenſte Mann geſtorben ſeyn. Aber nun ſtelleten ſich auch rauhe Winter ein. Der Fuͤrſt war in Schulden gerathen und uͤberwarf ſich mit ſeinem Cammerpraͤſidenten, einem wuͤrdigen und geſchickten aber trockenen Mann. Das Wohl des Herrn und des Staats erforderte durchaus dieſen Mann beyzubehalten, und Selimor wurde an ihn abgeſchickt eine Verſoͤhnung zu ſtiften. Anſtatt aber ſolche zu befoͤrdern, verdarb er die Sache, weil er die trockene Begegnung des Praͤſidenten fuͤr Grobheit aufnahm, und das Herz des Fuͤrſten immer tiefer verwundete. Seli- mor uͤbernahm endlich auf Begehren des Fuͤrſten die Cam- merſachen. Kaum hatte er ſolche ein halbes Jahr verſehen: ſo war alles in Verwirrung, weil weder Arbeit noch Dauer in ihm war, und die bloße Manier außer der Sphaͤre der fei- nen Welt den Mangel wahrer Verdienſte nicht erſetzte. Die redlichen und natuͤrlichen Beamten verlohren die Hochachtung wie den guten Willen fuͤr den Mann, der weder Erfahrung noch Wiſſenſchaft hatte. Einer von den geringern Bedienten, dem der alte Praͤſident fuͤr ſeine zahlreiche Familie jaͤhrlich hundert Thaler aus ſeiner Taſche gegeben hatte, und den Se- limor nun mit einem freundſchaftlichen Lobe zu ſeinen betruͤbten Kindern ſchickte, hieß ihn einen Hofſchranzen, weil dieſer den Werth der Geſchoͤpfe aus der feinen Welt nicht beſſer einſahe. Der Militairſtand, der in dreyen Monaten keine Zahlung ge- ſehen hatte, und ſeine Ungeſchicklichkeit in Geſchaͤften bemerkte, ſchalt ihn einen ſuͤßen Herrn. Die Hofdamen welche das ihrige auch nicht erhielten, fanden ihn nun ſehr fade, und wie er einer von ihnen einen kleinen Dienſt mit aller der fei- nen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/506>, abgerufen am 29.03.2024.