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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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für die deutschen Wochenschriften.
bederbe elendhafte Ritter zur Busse eine Nacht auf dem
Todtenbaum sitzen, und was er dort von den Geistern al-
ler Weygandten und Thanen, die er in seinem Leben erschla-
gen hatte, erleiden müssen; so würden sie gewiß nicht ver-
langen, daß ich auf solche Ebentheuer ausziehen solle.

Gehaben Sie sich indessen wohl, Edle Polyxena; und
glauben Sie gewiß, daß ich bis in den Tod sey etc.

Ortwein von der Linde.


XXIV.
Die erste Landeskasse.
An Dame Polyrena.

Omeine Theureste! ich habe Ihren Vorschlag noch ein-
mal überlegt. Vielleicht wäre Ihnen damit gedient,
wenn ich mich einigermassen auf die Landesverfassung ein-
liesse. Ich kenne ihren Eifer für das gemeine Beste; und
in dieser Absicht wäre es denn wohl besser, Ihnen heute et-
was von dem Fortgang unsrer Landeskassen, als von der
Mehrheit der Welten, oder den Würkungen, welche ein
gelbes Licht auf eine rothe Schminke hat, vorzuplaudern.
Zwar bin ich so wenig ein Fontenelle als ein Algarotti.
Allein Sie sind auch keine Markise, die das Flitterhafte dem
Grossen vorzieht; und unter uns Leute von Verstande ge-
sagt, das nützliche hat doch immer seinen eignen Werth.

Unsre mehrsten Gelehrten steigen selten höher als zu
den Türkensteuren hinauf, wenn sie uns den Ursprung der
heutigen Landeskassen erklären wollen. Diese, meinen sie,
hätten den ersten Anlaß zu einer Steuersammlung, und zu-

letzt

fuͤr die deutſchen Wochenſchriften.
bederbe elendhafte Ritter zur Buſſe eine Nacht auf dem
Todtenbaum ſitzen, und was er dort von den Geiſtern al-
ler Weygandten und Thanen, die er in ſeinem Leben erſchla-
gen hatte, erleiden muͤſſen; ſo wuͤrden ſie gewiß nicht ver-
langen, daß ich auf ſolche Ebentheuer ausziehen ſolle.

Gehaben Sie ſich indeſſen wohl, Edle Polyxena; und
glauben Sie gewiß, daß ich bis in den Tod ſey ꝛc.

Ortwein von der Linde.


XXIV.
Die erſte Landeskaſſe.
An Dame Polyrena.

Omeine Theureſte! ich habe Ihren Vorſchlag noch ein-
mal uͤberlegt. Vielleicht waͤre Ihnen damit gedient,
wenn ich mich einigermaſſen auf die Landesverfaſſung ein-
lieſſe. Ich kenne ihren Eifer fuͤr das gemeine Beſte; und
in dieſer Abſicht waͤre es denn wohl beſſer, Ihnen heute et-
was von dem Fortgang unſrer Landeskaſſen, als von der
Mehrheit der Welten, oder den Wuͤrkungen, welche ein
gelbes Licht auf eine rothe Schminke hat, vorzuplaudern.
Zwar bin ich ſo wenig ein Fontenelle als ein Algarotti.
Allein Sie ſind auch keine Markiſe, die das Flitterhafte dem
Groſſen vorzieht; und unter uns Leute von Verſtande ge-
ſagt, das nuͤtzliche hat doch immer ſeinen eignen Werth.

Unſre mehrſten Gelehrten ſteigen ſelten hoͤher als zu
den Tuͤrkenſteuren hinauf, wenn ſie uns den Urſprung der
heutigen Landeskaſſen erklaͤren wollen. Dieſe, meinen ſie,
haͤtten den erſten Anlaß zu einer Steuerſammlung, und zu-

letzt
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[95/0109] fuͤr die deutſchen Wochenſchriften. bederbe elendhafte Ritter zur Buſſe eine Nacht auf dem Todtenbaum ſitzen, und was er dort von den Geiſtern al- ler Weygandten und Thanen, die er in ſeinem Leben erſchla- gen hatte, erleiden muͤſſen; ſo wuͤrden ſie gewiß nicht ver- langen, daß ich auf ſolche Ebentheuer ausziehen ſolle. Gehaben Sie ſich indeſſen wohl, Edle Polyxena; und glauben Sie gewiß, daß ich bis in den Tod ſey ꝛc. Ortwein von der Linde. XXIV. Die erſte Landeskaſſe. An Dame Polyrena. Omeine Theureſte! ich habe Ihren Vorſchlag noch ein- mal uͤberlegt. Vielleicht waͤre Ihnen damit gedient, wenn ich mich einigermaſſen auf die Landesverfaſſung ein- lieſſe. Ich kenne ihren Eifer fuͤr das gemeine Beſte; und in dieſer Abſicht waͤre es denn wohl beſſer, Ihnen heute et- was von dem Fortgang unſrer Landeskaſſen, als von der Mehrheit der Welten, oder den Wuͤrkungen, welche ein gelbes Licht auf eine rothe Schminke hat, vorzuplaudern. Zwar bin ich ſo wenig ein Fontenelle als ein Algarotti. Allein Sie ſind auch keine Markiſe, die das Flitterhafte dem Groſſen vorzieht; und unter uns Leute von Verſtande ge- ſagt, das nuͤtzliche hat doch immer ſeinen eignen Werth. Unſre mehrſten Gelehrten ſteigen ſelten hoͤher als zu den Tuͤrkenſteuren hinauf, wenn ſie uns den Urſprung der heutigen Landeskaſſen erklaͤren wollen. Dieſe, meinen ſie, haͤtten den erſten Anlaß zu einer Steuerſammlung, und zu- letzt

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/109>, abgerufen am 28.03.2024.