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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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wofür Dank gefordert wird?
deten sie ihn mit dankbegierigen Augen an. Nun haben
wirs nicht recht gut gemacht, daß wir ihnen gleich Nach-
richt gegeben haben? -- Allerdings, ich danke euch tau-
sendmal -- ich hielt ihnen meinen Eymer schon bereit,
setzte die Frau Oberkirchenvorsteherinn mit einer zärtli-
chen Mine hinzu, -- ich danke auch unterthänig --
Und mein Brunn war zu ihren Diensten, bewillkommete
ihn der Herr Oberkirchenvorsteher -- Gott Lohn es,
Gott Lohn es tausendmal, rief der arme Musicus, und
biß die Zähne zusammen, über die wunderbare Danksucht
der Leute, welche anstatt ihm für seine Entschlossenheit,
womit er Stadt und Kirche zu retten gesucht hatte, zu
danken, noch Dank dafür einsammlen wollten, daß
sie ihm von ihrer eignen Gefahr Nachricht gegeben, und
zu ihrer Rettung das Wasser angeboten hatten.


XXII.
An einen jungen Dichter.

O! Jhre Lieder sind schön, mein Freund, und be-
zaubernd, wenn Sie wollen. Aber darf ich nun
auch wohl fragen, wozu es eigentlich dienen sollte die
Reitzungen der Liebe noch reitzender zu mahlen, und den
Geschmack für den Wein noch mehr zu schärfen? Haben
Liebe und Wein nicht schon ihre natürlichen Reitzungen
für unsre Bedürfnisse, und ist es rathsam das Gewicht,
was schon auf dieser Seite den Ausschlag giebt, noch zu
vermehren?

Ja wenn die Andacht jeden Kuß zur Todsünde ge-
macht hätte, wenn das schöne Geschlecht sich weigerte die
Mühseligkeiten und Gefahren des Ehestandes zu tragen,

oder
F 5

wofuͤr Dank gefordert wird?
deten ſie ihn mit dankbegierigen Augen an. Nun haben
wirs nicht recht gut gemacht, daß wir ihnen gleich Nach-
richt gegeben haben? — Allerdings, ich danke euch tau-
ſendmal — ich hielt ihnen meinen Eymer ſchon bereit,
ſetzte die Frau Oberkirchenvorſteherinn mit einer zaͤrtli-
chen Mine hinzu, — ich danke auch unterthaͤnig —
Und mein Brunn war zu ihren Dienſten, bewillkommete
ihn der Herr Oberkirchenvorſteher — Gott Lohn es,
Gott Lohn es tauſendmal, rief der arme Muſicus, und
biß die Zaͤhne zuſammen, uͤber die wunderbare Dankſucht
der Leute, welche anſtatt ihm fuͤr ſeine Entſchloſſenheit,
womit er Stadt und Kirche zu retten geſucht hatte, zu
danken, noch Dank dafuͤr einſammlen wollten, daß
ſie ihm von ihrer eignen Gefahr Nachricht gegeben, und
zu ihrer Rettung das Waſſer angeboten hatten.


XXII.
An einen jungen Dichter.

O! Jhre Lieder ſind ſchoͤn, mein Freund, und be-
zaubernd, wenn Sie wollen. Aber darf ich nun
auch wohl fragen, wozu es eigentlich dienen ſollte die
Reitzungen der Liebe noch reitzender zu mahlen, und den
Geſchmack fuͤr den Wein noch mehr zu ſchaͤrfen? Haben
Liebe und Wein nicht ſchon ihre natuͤrlichen Reitzungen
fuͤr unſre Beduͤrfniſſe, und iſt es rathſam das Gewicht,
was ſchon auf dieſer Seite den Ausſchlag giebt, noch zu
vermehren?

Ja wenn die Andacht jeden Kuß zur Todſuͤnde ge-
macht haͤtte, wenn das ſchoͤne Geſchlecht ſich weigerte die
Muͤhſeligkeiten und Gefahren des Eheſtandes zu tragen,

oder
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[89/0101] wofuͤr Dank gefordert wird? deten ſie ihn mit dankbegierigen Augen an. Nun haben wirs nicht recht gut gemacht, daß wir ihnen gleich Nach- richt gegeben haben? — Allerdings, ich danke euch tau- ſendmal — ich hielt ihnen meinen Eymer ſchon bereit, ſetzte die Frau Oberkirchenvorſteherinn mit einer zaͤrtli- chen Mine hinzu, — ich danke auch unterthaͤnig — Und mein Brunn war zu ihren Dienſten, bewillkommete ihn der Herr Oberkirchenvorſteher — Gott Lohn es, Gott Lohn es tauſendmal, rief der arme Muſicus, und biß die Zaͤhne zuſammen, uͤber die wunderbare Dankſucht der Leute, welche anſtatt ihm fuͤr ſeine Entſchloſſenheit, womit er Stadt und Kirche zu retten geſucht hatte, zu danken, noch Dank dafuͤr einſammlen wollten, daß ſie ihm von ihrer eignen Gefahr Nachricht gegeben, und zu ihrer Rettung das Waſſer angeboten hatten. XXII. An einen jungen Dichter. O! Jhre Lieder ſind ſchoͤn, mein Freund, und be- zaubernd, wenn Sie wollen. Aber darf ich nun auch wohl fragen, wozu es eigentlich dienen ſollte die Reitzungen der Liebe noch reitzender zu mahlen, und den Geſchmack fuͤr den Wein noch mehr zu ſchaͤrfen? Haben Liebe und Wein nicht ſchon ihre natuͤrlichen Reitzungen fuͤr unſre Beduͤrfniſſe, und iſt es rathſam das Gewicht, was ſchon auf dieſer Seite den Ausſchlag giebt, noch zu vermehren? Ja wenn die Andacht jeden Kuß zur Todſuͤnde ge- macht haͤtte, wenn das ſchoͤne Geſchlecht ſich weigerte die Muͤhſeligkeiten und Gefahren des Eheſtandes zu tragen, oder F 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/101>, abgerufen am 28.03.2024.