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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Rede eines Bäckers
ches denke ich müßte auch von Roggen geschehen können,
besonders wo das Roggenbrod in Leiben von zwey Pfund
gebacken wird, weil das gröbste Mehl das mehrste Was-
ser zieht, und das große Brod im Ofen am wenigsten
ausdünstet. Jedoch ich will mich hiebey nicht aufhalten,
sondern euch nur im Vertrauen fragen: wie ihr die Pro-
be anstellen wollet?

Zuförderst wisset ihr noch gar nicht genau, wie viel
Pfund Mehl und Kleyen von einem Scheffel Roggen aus
der Mühle kommen. Etwas nimmt der Müller zum Lohn
und das wird sich bestimmen und berechnen lassen. Et-
was kostet die Mühlenfuhr, und etwas verfliegt; auch
das läßt sich bestimmen. Aber nun mahlt der eine Mül-
ler und die eine Mühle weit ergiebiger als die andre; es
mahlt sich bey trockner Witterung besser als bey feuchter:
und ein Müller ist ehrlicher als der andre. Sodann
giebt Roggen von Sande, von einer trocknen Erndte, so
wie gedörreter und alter Roggen weit mehr Mehl als der
leichte hohle und dickhäutige von schlechterm Gewächse. Und
wenn ihr auch ein Gemische von allerhand Arten Korn
nehmet, wie es die Mühle liefert; wenn ihr auch im
Durchschnitte berechnet, was in hundert Proben so an
hundert Tagen, mit der nämlichen Art Korn, und von
dem nämlichen Gewichte, aus den verschiedenen Mühlen
zurückgekommen: so habt ihr noch nichts weiter, als eine
gewisse Summe von Pfunden an Mehl und Kleyen durch-
einander,
und wißt ungefehr was ihr an dem Gewichte
des Roggens verlohren habet. Jhr wißt aber nicht, ob
die Kleyen rein ausgemahlen, und ob folglich so viel
Mehl aus dem Siebe kommen werde, als ihr daraus zu
erwarten berechtiget seyd. Dies kann nach der Art des
Korns, des Mahlens und der Witterung, immer um 10
und 20 vom Hundert fehlen. Und der Bäcker, der es

ein

Rede eines Baͤckers
ches denke ich muͤßte auch von Roggen geſchehen koͤnnen,
beſonders wo das Roggenbrod in Leiben von zwey Pfund
gebacken wird, weil das groͤbſte Mehl das mehrſte Waſ-
ſer zieht, und das große Brod im Ofen am wenigſten
ausduͤnſtet. Jedoch ich will mich hiebey nicht aufhalten,
ſondern euch nur im Vertrauen fragen: wie ihr die Pro-
be anſtellen wollet?

Zufoͤrderſt wiſſet ihr noch gar nicht genau, wie viel
Pfund Mehl und Kleyen von einem Scheffel Roggen aus
der Muͤhle kommen. Etwas nimmt der Muͤller zum Lohn
und das wird ſich beſtimmen und berechnen laſſen. Et-
was koſtet die Muͤhlenfuhr, und etwas verfliegt; auch
das laͤßt ſich beſtimmen. Aber nun mahlt der eine Muͤl-
ler und die eine Muͤhle weit ergiebiger als die andre; es
mahlt ſich bey trockner Witterung beſſer als bey feuchter:
und ein Muͤller iſt ehrlicher als der andre. Sodann
giebt Roggen von Sande, von einer trocknen Erndte, ſo
wie gedoͤrreter und alter Roggen weit mehr Mehl als der
leichte hohle und dickhaͤutige von ſchlechterm Gewaͤchſe. Und
wenn ihr auch ein Gemiſche von allerhand Arten Korn
nehmet, wie es die Muͤhle liefert; wenn ihr auch im
Durchſchnitte berechnet, was in hundert Proben ſo an
hundert Tagen, mit der naͤmlichen Art Korn, und von
dem naͤmlichen Gewichte, aus den verſchiedenen Muͤhlen
zuruͤckgekommen: ſo habt ihr noch nichts weiter, als eine
gewiſſe Summe von Pfunden an Mehl und Kleyen durch-
einander,
und wißt ungefehr was ihr an dem Gewichte
des Roggens verlohren habet. Jhr wißt aber nicht, ob
die Kleyen rein ausgemahlen, und ob folglich ſo viel
Mehl aus dem Siebe kommen werde, als ihr daraus zu
erwarten berechtiget ſeyd. Dies kann nach der Art des
Korns, des Mahlens und der Witterung, immer um 10
und 20 vom Hundert fehlen. Und der Baͤcker, der es

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[150/0162] Rede eines Baͤckers ches denke ich muͤßte auch von Roggen geſchehen koͤnnen, beſonders wo das Roggenbrod in Leiben von zwey Pfund gebacken wird, weil das groͤbſte Mehl das mehrſte Waſ- ſer zieht, und das große Brod im Ofen am wenigſten ausduͤnſtet. Jedoch ich will mich hiebey nicht aufhalten, ſondern euch nur im Vertrauen fragen: wie ihr die Pro- be anſtellen wollet? Zufoͤrderſt wiſſet ihr noch gar nicht genau, wie viel Pfund Mehl und Kleyen von einem Scheffel Roggen aus der Muͤhle kommen. Etwas nimmt der Muͤller zum Lohn und das wird ſich beſtimmen und berechnen laſſen. Et- was koſtet die Muͤhlenfuhr, und etwas verfliegt; auch das laͤßt ſich beſtimmen. Aber nun mahlt der eine Muͤl- ler und die eine Muͤhle weit ergiebiger als die andre; es mahlt ſich bey trockner Witterung beſſer als bey feuchter: und ein Muͤller iſt ehrlicher als der andre. Sodann giebt Roggen von Sande, von einer trocknen Erndte, ſo wie gedoͤrreter und alter Roggen weit mehr Mehl als der leichte hohle und dickhaͤutige von ſchlechterm Gewaͤchſe. Und wenn ihr auch ein Gemiſche von allerhand Arten Korn nehmet, wie es die Muͤhle liefert; wenn ihr auch im Durchſchnitte berechnet, was in hundert Proben ſo an hundert Tagen, mit der naͤmlichen Art Korn, und von dem naͤmlichen Gewichte, aus den verſchiedenen Muͤhlen zuruͤckgekommen: ſo habt ihr noch nichts weiter, als eine gewiſſe Summe von Pfunden an Mehl und Kleyen durch- einander, und wißt ungefehr was ihr an dem Gewichte des Roggens verlohren habet. Jhr wißt aber nicht, ob die Kleyen rein ausgemahlen, und ob folglich ſo viel Mehl aus dem Siebe kommen werde, als ihr daraus zu erwarten berechtiget ſeyd. Dies kann nach der Art des Korns, des Mahlens und der Witterung, immer um 10 und 20 vom Hundert fehlen. Und der Baͤcker, der es ein

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/162>, abgerufen am 23.04.2024.