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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Eine kurze Nachricht

Jhren Ursprung leiteten sie selbst von Carl dem Gros-
sen her, und die Gelehrten, welche diese ihre Meinung
unterstützen, haben es höchstwahrscheinlich gemacht, daß
sie ihr Daseyn den Carolingischen Commissarien (missis
per tempora discurrentibus
) zu danken hätten. Diese ver-
hielten sich eben so wie die jetzigen archidiaconalischen
Commissarien, reiseten des Jahrs ein oder mehrmal in
die ihnen angewiesenen Districte, und hielten in denfelden
ihre Sitzungen, Namens des Kaysers, oder unter Kö-
nigs Bann; wobey ein jeder der entweder etwas gegen
die ordentlichen Beamten anzubringen, oder doch sonst
eine Beschwerde hatte, welche nicht anders als durch den
Kayser selbst gehoben werden mochte, sich angeben konnte.
Jnsbesondre aber untersuchten und bestrafeten diese Com-
missarien diejenigen Verbrechen, deren Bestrafung der
Kayser sich selbst vorbehalten hatte; und wie es über-
haupt scheinet, daß der ordentliche Richter nicht anders
als zur Erhaltung, das ist zur Genugthuung mit Gelde
richten konnte: also mochten jene Commissarien über alle
Verbrechen richten, welche entweder der Kayser für un-
ablöslich erklärt, oder der Verbrecher selbst dadurch, daß
er sich zur Genugthuung vor seinem ordentlichen Richter
nicht bequemen wollte, unablöslich gemacht hatte.

Die Natur dieser Anstalt erforderte zweyerley, als
erstlich eine öffentliche und geheime Sitzung. Denn da
unter den unablöslichen Verbrechen, Ketzerey, Zaube-
rey und Kirchenraub mit begriffen waren: so ließ sich dar-
über nicht vor dem ganzen Volke inquiriren; und so ward
die Commission wahrscheinlich eben wie unsre Sende, erst
mit dem versammleten Volke eröffnet, und hernach mit
einem Stillgerichte beschlossen. Zweytens erforderte sie,
weil die Commissarien sich nicht lange aufhalten konnten,

einen
Eine kurze Nachricht

Jhren Urſprung leiteten ſie ſelbſt von Carl dem Groſ-
ſen her, und die Gelehrten, welche dieſe ihre Meinung
unterſtuͤtzen, haben es hoͤchſtwahrſcheinlich gemacht, daß
ſie ihr Daſeyn den Carolingiſchen Commiſſarien (miſſis
per tempora diſcurrentibus
) zu danken haͤtten. Dieſe ver-
hielten ſich eben ſo wie die jetzigen archidiaconaliſchen
Commiſſarien, reiſeten des Jahrs ein oder mehrmal in
die ihnen angewieſenen Diſtricte, und hielten in denfelden
ihre Sitzungen, Namens des Kayſers, oder unter Koͤ-
nigs Bann; wobey ein jeder der entweder etwas gegen
die ordentlichen Beamten anzubringen, oder doch ſonſt
eine Beſchwerde hatte, welche nicht anders als durch den
Kayſer ſelbſt gehoben werden mochte, ſich angeben konnte.
Jnsbeſondre aber unterſuchten und beſtrafeten dieſe Com-
miſſarien diejenigen Verbrechen, deren Beſtrafung der
Kayſer ſich ſelbſt vorbehalten hatte; und wie es uͤber-
haupt ſcheinet, daß der ordentliche Richter nicht anders
als zur Erhaltung, das iſt zur Genugthuung mit Gelde
richten konnte: alſo mochten jene Commiſſarien uͤber alle
Verbrechen richten, welche entweder der Kayſer fuͤr un-
abloͤslich erklaͤrt, oder der Verbrecher ſelbſt dadurch, daß
er ſich zur Genugthuung vor ſeinem ordentlichen Richter
nicht bequemen wollte, unabloͤslich gemacht hatte.

Die Natur dieſer Anſtalt erforderte zweyerley, als
erſtlich eine oͤffentliche und geheime Sitzung. Denn da
unter den unabloͤslichen Verbrechen, Ketzerey, Zaube-
rey und Kirchenraub mit begriffen waren: ſo ließ ſich dar-
uͤber nicht vor dem ganzen Volke inquiriren; und ſo ward
die Commiſſion wahrſcheinlich eben wie unſre Sende, erſt
mit dem verſammleten Volke eroͤffnet, und hernach mit
einem Stillgerichte beſchloſſen. Zweytens erforderte ſie,
weil die Commiſſarien ſich nicht lange aufhalten konnten,

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[194/0206] Eine kurze Nachricht Jhren Urſprung leiteten ſie ſelbſt von Carl dem Groſ- ſen her, und die Gelehrten, welche dieſe ihre Meinung unterſtuͤtzen, haben es hoͤchſtwahrſcheinlich gemacht, daß ſie ihr Daſeyn den Carolingiſchen Commiſſarien (miſſis per tempora diſcurrentibus) zu danken haͤtten. Dieſe ver- hielten ſich eben ſo wie die jetzigen archidiaconaliſchen Commiſſarien, reiſeten des Jahrs ein oder mehrmal in die ihnen angewieſenen Diſtricte, und hielten in denfelden ihre Sitzungen, Namens des Kayſers, oder unter Koͤ- nigs Bann; wobey ein jeder der entweder etwas gegen die ordentlichen Beamten anzubringen, oder doch ſonſt eine Beſchwerde hatte, welche nicht anders als durch den Kayſer ſelbſt gehoben werden mochte, ſich angeben konnte. Jnsbeſondre aber unterſuchten und beſtrafeten dieſe Com- miſſarien diejenigen Verbrechen, deren Beſtrafung der Kayſer ſich ſelbſt vorbehalten hatte; und wie es uͤber- haupt ſcheinet, daß der ordentliche Richter nicht anders als zur Erhaltung, das iſt zur Genugthuung mit Gelde richten konnte: alſo mochten jene Commiſſarien uͤber alle Verbrechen richten, welche entweder der Kayſer fuͤr un- abloͤslich erklaͤrt, oder der Verbrecher ſelbſt dadurch, daß er ſich zur Genugthuung vor ſeinem ordentlichen Richter nicht bequemen wollte, unabloͤslich gemacht hatte. Die Natur dieſer Anſtalt erforderte zweyerley, als erſtlich eine oͤffentliche und geheime Sitzung. Denn da unter den unabloͤslichen Verbrechen, Ketzerey, Zaube- rey und Kirchenraub mit begriffen waren: ſo ließ ſich dar- uͤber nicht vor dem ganzen Volke inquiriren; und ſo ward die Commiſſion wahrſcheinlich eben wie unſre Sende, erſt mit dem verſammleten Volke eroͤffnet, und hernach mit einem Stillgerichte beſchloſſen. Zweytens erforderte ſie, weil die Commiſſarien ſich nicht lange aufhalten konnten, einen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/206>, abgerufen am 29.03.2024.