Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Herkommen in Ansehung der Absteuer
sondern auf einen unter dem Adel landsittlichen Gebrauch,
nach welchem es der Beste dem Besten, und der Mittlere
dem Mittlern in diesem Ehrenfalle gleich thun mußte.
Jedoch hielt es auch der Beste für unanständig hierin zu
viel zu thun, und andern guten Familien gleichsam einen
Vorwurf zuzuziehen, wie solches von dem reichsten Edel-
manne der damaligen Zeit *) bemerkt ist.

So war auch der Gebrauch bey allen hofgesessenen
Landleuten **), als welche ihre Tächter nach Kirchspiels-
sitte und nicht nach ihrem Vermögen aussteureten, ein
Gebrauch, der noch bestehen würde, wenn ihn die römi-
schen Begriffe, und die daraus geflossenen Verordnungen
nicht zum Nachtheil des gemeinen Wesens unterbrochen,
und die falschen Grundsätze begünstiget hätten, nach wel-
chen die Absteuren sich nach dem Vermögen der Eltern
richten sollen.

Von Testamenten wußte man, wie die Zeugen viel-
fältig beurkunden ***), in den ältern Zeiten so wenig
als bey den alten Deutschen; blos die Geistlichen +), wel-
chen die Natur keine Erben erweckte, fiengen zuerst an
dergleichen zu machen. Und so waren die Eltern auch
nicht einmal in der Versuchung ihren Töchtern, welche
einmal Verzicht gethan hatten, ein mehrers zuzuwenden.
Diese hatten also ausser ihrer Absteuer nichts weiter zu
hoffen, als was ihnen Gott und die Kirche noch zuwand-
te ++). Von Gott kamen die Rückfälle der Güter, wenn
die Brüder, welchen zum Besten die Töchter ihren Ver-

zicht
*) Test. 17. ad Int. spec. 8.
**) Test. ad. Art. prob. 6.
***) Ad Art. prob. 13. und 14.
+) Test. 17. ad Art. prob. 25.
++) Test. 22. 26. 34. ad Art. prob. 4.

Das Herkommen in Anſehung der Abſteuer
ſondern auf einen unter dem Adel landſittlichen Gebrauch,
nach welchem es der Beſte dem Beſten, und der Mittlere
dem Mittlern in dieſem Ehrenfalle gleich thun mußte.
Jedoch hielt es auch der Beſte fuͤr unanſtaͤndig hierin zu
viel zu thun, und andern guten Familien gleichſam einen
Vorwurf zuzuziehen, wie ſolches von dem reichſten Edel-
manne der damaligen Zeit *) bemerkt iſt.

So war auch der Gebrauch bey allen hofgeſeſſenen
Landleuten **), als welche ihre Taͤchter nach Kirchſpiels-
ſitte und nicht nach ihrem Vermoͤgen ausſteureten, ein
Gebrauch, der noch beſtehen wuͤrde, wenn ihn die roͤmi-
ſchen Begriffe, und die daraus gefloſſenen Verordnungen
nicht zum Nachtheil des gemeinen Weſens unterbrochen,
und die falſchen Grundſaͤtze beguͤnſtiget haͤtten, nach wel-
chen die Abſteuren ſich nach dem Vermoͤgen der Eltern
richten ſollen.

Von Teſtamenten wußte man, wie die Zeugen viel-
faͤltig beurkunden ***), in den aͤltern Zeiten ſo wenig
als bey den alten Deutſchen; blos die Geiſtlichen †), wel-
chen die Natur keine Erben erweckte, fiengen zuerſt an
dergleichen zu machen. Und ſo waren die Eltern auch
nicht einmal in der Verſuchung ihren Toͤchtern, welche
einmal Verzicht gethan hatten, ein mehrers zuzuwenden.
Dieſe hatten alſo auſſer ihrer Abſteuer nichts weiter zu
hoffen, als was ihnen Gott und die Kirche noch zuwand-
te ††). Von Gott kamen die Ruͤckfaͤlle der Guͤter, wenn
die Bruͤder, welchen zum Beſten die Toͤchter ihren Ver-

zicht
*) Teſt. 17. ad Int. ſpec. 8.
**) Teſt. ad. Art. prob. 6.
***) Ad Art. prob. 13. und 14.
†) Teſt. 17. ad Art. prob. 25.
††) Teſt. 22. 26. 34. ad Art. prob. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Herkommen in An&#x017F;ehung der Ab&#x017F;teuer</hi></fw><lb/>
&#x017F;ondern auf einen unter dem Adel land&#x017F;ittlichen Gebrauch,<lb/>
nach welchem es der Be&#x017F;te dem Be&#x017F;ten, und der Mittlere<lb/>
dem Mittlern in die&#x017F;em Ehrenfalle gleich thun mußte.<lb/>
Jedoch hielt es auch der Be&#x017F;te fu&#x0364;r unan&#x017F;ta&#x0364;ndig hierin zu<lb/>
viel zu thun, und andern guten Familien gleich&#x017F;am einen<lb/>
Vorwurf zuzuziehen, wie &#x017F;olches von dem reich&#x017F;ten Edel-<lb/>
manne der damaligen Zeit <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Te&#x017F;t. 17. ad Int. &#x017F;pec.</hi> 8.</note> bemerkt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>So war auch der Gebrauch bey allen hofge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Landleuten <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Te&#x017F;t. ad. Art. prob.</hi> 6.</note>, als welche ihre Ta&#x0364;chter nach Kirch&#x017F;piels-<lb/>
&#x017F;itte und nicht nach ihrem Vermo&#x0364;gen aus&#x017F;teureten, ein<lb/>
Gebrauch, der noch be&#x017F;tehen wu&#x0364;rde, wenn ihn die ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Begriffe, und die daraus geflo&#x017F;&#x017F;enen Verordnungen<lb/>
nicht zum Nachtheil des gemeinen We&#x017F;ens unterbrochen,<lb/>
und die fal&#x017F;chen Grund&#x017F;a&#x0364;tze begu&#x0364;n&#x017F;tiget ha&#x0364;tten, nach wel-<lb/>
chen die Ab&#x017F;teuren &#x017F;ich nach dem Vermo&#x0364;gen der Eltern<lb/>
richten &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Von Te&#x017F;tamenten wußte man, wie die Zeugen viel-<lb/>
fa&#x0364;ltig beurkunden <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#aq">Ad Art. prob.</hi> 13. und 14.</note>, in den a&#x0364;ltern Zeiten &#x017F;o wenig<lb/>
als bey den alten Deut&#x017F;chen; blos die Gei&#x017F;tlichen <note place="foot" n="&#x2020;)"><hi rendition="#aq">Te&#x017F;t. 17. ad Art. prob.</hi> 25.</note>, wel-<lb/>
chen die Natur keine Erben erweckte, fiengen zuer&#x017F;t an<lb/>
dergleichen zu machen. Und &#x017F;o waren die Eltern auch<lb/>
nicht einmal in der Ver&#x017F;uchung ihren To&#x0364;chtern, welche<lb/>
einmal Verzicht gethan hatten, ein mehrers zuzuwenden.<lb/>
Die&#x017F;e hatten al&#x017F;o au&#x017F;&#x017F;er ihrer Ab&#x017F;teuer nichts weiter zu<lb/>
hoffen, als was ihnen Gott und die Kirche noch zuwand-<lb/>
te <note place="foot" n="&#x2020;&#x2020;)"><hi rendition="#aq">Te&#x017F;t. 22. 26. 34. ad Art. prob.</hi> 4.</note>. Von Gott kamen die Ru&#x0364;ckfa&#x0364;lle der Gu&#x0364;ter, wenn<lb/>
die Bru&#x0364;der, welchen zum Be&#x017F;ten die To&#x0364;chter ihren Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0250] Das Herkommen in Anſehung der Abſteuer ſondern auf einen unter dem Adel landſittlichen Gebrauch, nach welchem es der Beſte dem Beſten, und der Mittlere dem Mittlern in dieſem Ehrenfalle gleich thun mußte. Jedoch hielt es auch der Beſte fuͤr unanſtaͤndig hierin zu viel zu thun, und andern guten Familien gleichſam einen Vorwurf zuzuziehen, wie ſolches von dem reichſten Edel- manne der damaligen Zeit *) bemerkt iſt. So war auch der Gebrauch bey allen hofgeſeſſenen Landleuten **), als welche ihre Taͤchter nach Kirchſpiels- ſitte und nicht nach ihrem Vermoͤgen ausſteureten, ein Gebrauch, der noch beſtehen wuͤrde, wenn ihn die roͤmi- ſchen Begriffe, und die daraus gefloſſenen Verordnungen nicht zum Nachtheil des gemeinen Weſens unterbrochen, und die falſchen Grundſaͤtze beguͤnſtiget haͤtten, nach wel- chen die Abſteuren ſich nach dem Vermoͤgen der Eltern richten ſollen. Von Teſtamenten wußte man, wie die Zeugen viel- faͤltig beurkunden ***), in den aͤltern Zeiten ſo wenig als bey den alten Deutſchen; blos die Geiſtlichen †), wel- chen die Natur keine Erben erweckte, fiengen zuerſt an dergleichen zu machen. Und ſo waren die Eltern auch nicht einmal in der Verſuchung ihren Toͤchtern, welche einmal Verzicht gethan hatten, ein mehrers zuzuwenden. Dieſe hatten alſo auſſer ihrer Abſteuer nichts weiter zu hoffen, als was ihnen Gott und die Kirche noch zuwand- te ††). Von Gott kamen die Ruͤckfaͤlle der Guͤter, wenn die Bruͤder, welchen zum Beſten die Toͤchter ihren Ver- zicht *) Teſt. 17. ad Int. ſpec. 8. **) Teſt. ad. Art. prob. 6. ***) Ad Art. prob. 13. und 14. †) Teſt. 17. ad Art. prob. 25. ††) Teſt. 22. 26. 34. ad Art. prob. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/250
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/250>, abgerufen am 25.04.2024.