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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Etwas zur Naturgeschichte
werden mußten, bis sie sich selbst ernähren konnten. Auch
setzte er sein ganzes ansehnliches Vermögen dabey zu, und
was ihm in der ersten Zeit seine Colonisten an Zinsfrüch-
ten entrichteten, ward guten Theils zu ihrem eignen Be-
sten wieder verwandt, indem er ihnen nicht allein eine
Mühle, sondern auch eine Schule und Kirche bauen ließ,
und einen Pastor und Richter hielt. Sein Sohn und
Erbe trat nach seinem Tode in des Vaters Fußstapfen
und Rechte, und wandte ebenfalls alles an, um seine
Jnsel mit ihren Einwohnern glücklich zu machen. Diese
verhielten sich dagegen ruhig und fromm, und waren
froh einen Herrn zu haben, der zu rechter Zeit sparete,
und ihnen zur Zeit der Noth seinen Vorrath eröfnete.
Keiner dachte ans wegziehen, auch war dazu kein Schiff
vorhanden, und vielleicht hätten sie auch nie daran ge-
dacht, wenn nicht während den jetzigen Amerikanischen
Unruhen ein Kaper dahin verschlagen wäre, der ihnen
von dem glücklichen Zustande andrer Colonien, und be-
sonders von der darinn herrschenden Freyheit ein so rei-
zendes Bild gemacht hätte, daß alles was sich auf der
Jnsel befand, und besonders die Jugend beyderley Ge-
schlechts sich auf einmal vorsetzte mit ihm davon zu ge-
hen, um diese goldne Freyheit zu küssen. Die Colonie
hatte sich damals noch nicht so stark vermehret, daß sie
eine solche Auswanderung vertragen konnte. Der junge
Robinson widersetzte sich also derselben; und verlangte
daß sie da bleiben sollten. Allein die aufgebrachte Ju-
gend, von dem Kaper angeflammt und unterstützt, fragte
ihn stürmisch: ob er sie dann als Leibeigne behandeln
wollte? ob nicht ihre Väter als freye Engländer mit ihm
zur See gegangen wären? und wo der Contrakt wäre,
wodurch sie sich und ihre Nachkommen ewig dem Joche
untergeben hätten, was man ihnen jetzt auflegen wollte?

Mein

Etwas zur Naturgeſchichte
werden mußten, bis ſie ſich ſelbſt ernaͤhren konnten. Auch
ſetzte er ſein ganzes anſehnliches Vermoͤgen dabey zu, und
was ihm in der erſten Zeit ſeine Coloniſten an Zinsfruͤch-
ten entrichteten, ward guten Theils zu ihrem eignen Be-
ſten wieder verwandt, indem er ihnen nicht allein eine
Muͤhle, ſondern auch eine Schule und Kirche bauen ließ,
und einen Paſtor und Richter hielt. Sein Sohn und
Erbe trat nach ſeinem Tode in des Vaters Fußſtapfen
und Rechte, und wandte ebenfalls alles an, um ſeine
Jnſel mit ihren Einwohnern gluͤcklich zu machen. Dieſe
verhielten ſich dagegen ruhig und fromm, und waren
froh einen Herrn zu haben, der zu rechter Zeit ſparete,
und ihnen zur Zeit der Noth ſeinen Vorrath eroͤfnete.
Keiner dachte ans wegziehen, auch war dazu kein Schiff
vorhanden, und vielleicht haͤtten ſie auch nie daran ge-
dacht, wenn nicht waͤhrend den jetzigen Amerikaniſchen
Unruhen ein Kaper dahin verſchlagen waͤre, der ihnen
von dem gluͤcklichen Zuſtande andrer Colonien, und be-
ſonders von der darinn herrſchenden Freyheit ein ſo rei-
zendes Bild gemacht haͤtte, daß alles was ſich auf der
Jnſel befand, und beſonders die Jugend beyderley Ge-
ſchlechts ſich auf einmal vorſetzte mit ihm davon zu ge-
hen, um dieſe goldne Freyheit zu kuͤſſen. Die Colonie
hatte ſich damals noch nicht ſo ſtark vermehret, daß ſie
eine ſolche Auswanderung vertragen konnte. Der junge
Robinſon widerſetzte ſich alſo derſelben; und verlangte
daß ſie da bleiben ſollten. Allein die aufgebrachte Ju-
gend, von dem Kaper angeflammt und unterſtuͤtzt, fragte
ihn ſtuͤrmiſch: ob er ſie dann als Leibeigne behandeln
wollte? ob nicht ihre Vaͤter als freye Englaͤnder mit ihm
zur See gegangen waͤren? und wo der Contrakt waͤre,
wodurch ſie ſich und ihre Nachkommen ewig dem Joche
untergeben haͤtten, was man ihnen jetzt auflegen wollte?

Mein
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[312/0324] Etwas zur Naturgeſchichte werden mußten, bis ſie ſich ſelbſt ernaͤhren konnten. Auch ſetzte er ſein ganzes anſehnliches Vermoͤgen dabey zu, und was ihm in der erſten Zeit ſeine Coloniſten an Zinsfruͤch- ten entrichteten, ward guten Theils zu ihrem eignen Be- ſten wieder verwandt, indem er ihnen nicht allein eine Muͤhle, ſondern auch eine Schule und Kirche bauen ließ, und einen Paſtor und Richter hielt. Sein Sohn und Erbe trat nach ſeinem Tode in des Vaters Fußſtapfen und Rechte, und wandte ebenfalls alles an, um ſeine Jnſel mit ihren Einwohnern gluͤcklich zu machen. Dieſe verhielten ſich dagegen ruhig und fromm, und waren froh einen Herrn zu haben, der zu rechter Zeit ſparete, und ihnen zur Zeit der Noth ſeinen Vorrath eroͤfnete. Keiner dachte ans wegziehen, auch war dazu kein Schiff vorhanden, und vielleicht haͤtten ſie auch nie daran ge- dacht, wenn nicht waͤhrend den jetzigen Amerikaniſchen Unruhen ein Kaper dahin verſchlagen waͤre, der ihnen von dem gluͤcklichen Zuſtande andrer Colonien, und be- ſonders von der darinn herrſchenden Freyheit ein ſo rei- zendes Bild gemacht haͤtte, daß alles was ſich auf der Jnſel befand, und beſonders die Jugend beyderley Ge- ſchlechts ſich auf einmal vorſetzte mit ihm davon zu ge- hen, um dieſe goldne Freyheit zu kuͤſſen. Die Colonie hatte ſich damals noch nicht ſo ſtark vermehret, daß ſie eine ſolche Auswanderung vertragen konnte. Der junge Robinſon widerſetzte ſich alſo derſelben; und verlangte daß ſie da bleiben ſollten. Allein die aufgebrachte Ju- gend, von dem Kaper angeflammt und unterſtuͤtzt, fragte ihn ſtuͤrmiſch: ob er ſie dann als Leibeigne behandeln wollte? ob nicht ihre Vaͤter als freye Englaͤnder mit ihm zur See gegangen waͤren? und wo der Contrakt waͤre, wodurch ſie ſich und ihre Nachkommen ewig dem Joche untergeben haͤtten, was man ihnen jetzt auflegen wollte? Mein

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/324>, abgerufen am 28.03.2024.