Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

des Leibeigenthums.
Vermögen gehabt eine besondere Colonie anzulegen, und
dieselbe zu der Zeit da Niemand das Land, sondern jeder
Altvater nur die Seinigen geschützet hätte, gegen andre
zu schützen. Alles habe sich daher zum Stamme ge-
halten, und das Haupt desselben sey dagegen verbunden
gewesen, sie zu ernähren, zu schützen und wohl zu halten.
Man habe das Band der heutigen Unterthänigkeit, nach
welchem einer frey zu- und abziehen konnte, und einem
Fürsten nur so lange unterworfen wäre, als man sich in
dessen Lande befinde, gar nicht gekannt; daher auch Jo-
seph von den Egyptern die Eigengebung erfordert hätte,
wenn sie von dem Könige ernähret seyn wollten. Jn der
heutigen Verfassung würde er blos gesagt haben: Kinder
bleibt im Lande, damit euch der König Brod gebe; in
der damaligen Verfassung aber, worinn die Pharaonen
keine Könige von Egypten, sondern patriarchalische Kö-
nige in Egypten gewesen wären, und über die ihnen un-
angehörigen Einwohner des Landes nicht zu gebieten ge-
habt hatten, hätte er nothwendig von einer Uebergabe
ihres Leibes sprechen müssen; die Uebergebung des Lei-
bes und Vermögens sey blos Huldigungsformel in der
auf Hörigkeit gegründeten Monarchie der Vorwelt.

Der Richter setzte hinzu: Die Natur gebe jedem,
der eine Eolonie anlegte, und den Verlag davon thäte
dieses Recht; es sey eine stillschweigende Bedingung des
ersten Originalcontrakts, daß die Colonisten nicht wieder
davon laufen sollten, und blos in dem Falle, da die zu-
genommene Bevölkerung den Verleger gegen die Gefahr
des Verlustes sicher stellete, werde jenes Recht unnöthig;
alsdann aber sey der Mensch so geartet, daß er ein Recht
was er nicht gebrauchte, von selbst fahren ließe. Daher wür-
de man bey zunehmender Bevölkerung die Leibeshaft mit

allen

des Leibeigenthums.
Vermoͤgen gehabt eine beſondere Colonie anzulegen, und
dieſelbe zu der Zeit da Niemand das Land, ſondern jeder
Altvater nur die Seinigen geſchuͤtzet haͤtte, gegen andre
zu ſchuͤtzen. Alles habe ſich daher zum Stamme ge-
halten, und das Haupt deſſelben ſey dagegen verbunden
geweſen, ſie zu ernaͤhren, zu ſchuͤtzen und wohl zu halten.
Man habe das Band der heutigen Unterthaͤnigkeit, nach
welchem einer frey zu- und abziehen konnte, und einem
Fuͤrſten nur ſo lange unterworfen waͤre, als man ſich in
deſſen Lande befinde, gar nicht gekannt; daher auch Jo-
ſeph von den Egyptern die Eigengebung erfordert haͤtte,
wenn ſie von dem Koͤnige ernaͤhret ſeyn wollten. Jn der
heutigen Verfaſſung wuͤrde er blos geſagt haben: Kinder
bleibt im Lande, damit euch der Koͤnig Brod gebe; in
der damaligen Verfaſſung aber, worinn die Pharaonen
keine Koͤnige von Egypten, ſondern patriarchaliſche Koͤ-
nige in Egypten geweſen waͤren, und uͤber die ihnen un-
angehoͤrigen Einwohner des Landes nicht zu gebieten ge-
habt hatten, haͤtte er nothwendig von einer Uebergabe
ihres Leibes ſprechen muͤſſen; die Uebergebung des Lei-
bes und Vermoͤgens ſey blos Huldigungsformel in der
auf Hoͤrigkeit gegruͤndeten Monarchie der Vorwelt.

Der Richter ſetzte hinzu: Die Natur gebe jedem,
der eine Eolonie anlegte, und den Verlag davon thaͤte
dieſes Recht; es ſey eine ſtillſchweigende Bedingung des
erſten Originalcontrakts, daß die Coloniſten nicht wieder
davon laufen ſollten, und blos in dem Falle, da die zu-
genommene Bevoͤlkerung den Verleger gegen die Gefahr
des Verluſtes ſicher ſtellete, werde jenes Recht unnoͤthig;
alsdann aber ſey der Menſch ſo geartet, daß er ein Recht
was er nicht gebrauchte, von ſelbſt fahren ließe. Daher wuͤr-
de man bey zunehmender Bevoͤlkerung die Leibeshaft mit

allen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="315"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Leibeigenthums.</hi></fw><lb/>
Vermo&#x0364;gen gehabt eine be&#x017F;ondere Colonie anzulegen, und<lb/>
die&#x017F;elbe zu der Zeit da Niemand das Land, &#x017F;ondern jeder<lb/>
Altvater nur die Seinigen ge&#x017F;chu&#x0364;tzet ha&#x0364;tte, gegen andre<lb/>
zu &#x017F;chu&#x0364;tzen. Alles habe &#x017F;ich daher zum Stamme ge-<lb/>
halten, und das Haupt de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ey dagegen verbunden<lb/>
gewe&#x017F;en, &#x017F;ie zu erna&#x0364;hren, zu &#x017F;chu&#x0364;tzen und wohl zu halten.<lb/>
Man habe das Band der heutigen Untertha&#x0364;nigkeit, nach<lb/>
welchem einer frey zu- und abziehen konnte, und einem<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten nur &#x017F;o lange unterworfen wa&#x0364;re, als man &#x017F;ich in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Lande befinde, gar nicht gekannt; daher auch Jo-<lb/>
&#x017F;eph von den Egyptern die Eigengebung erfordert ha&#x0364;tte,<lb/>
wenn &#x017F;ie von dem Ko&#x0364;nige erna&#x0364;hret &#x017F;eyn wollten. Jn der<lb/>
heutigen Verfa&#x017F;&#x017F;ung wu&#x0364;rde er blos ge&#x017F;agt haben: Kinder<lb/>
bleibt im Lande, damit euch der Ko&#x0364;nig Brod gebe; in<lb/>
der damaligen Verfa&#x017F;&#x017F;ung aber, worinn die Pharaonen<lb/>
keine Ko&#x0364;nige von Egypten, &#x017F;ondern patriarchali&#x017F;che Ko&#x0364;-<lb/>
nige in Egypten gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren, und u&#x0364;ber die ihnen un-<lb/>
angeho&#x0364;rigen Einwohner des Landes nicht zu gebieten ge-<lb/>
habt hatten, ha&#x0364;tte er nothwendig von einer Uebergabe<lb/>
ihres Leibes &#x017F;prechen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; die Uebergebung des Lei-<lb/>
bes und Vermo&#x0364;gens &#x017F;ey blos Huldigungsformel in der<lb/>
auf Ho&#x0364;rigkeit gegru&#x0364;ndeten Monarchie der Vorwelt.</p><lb/>
          <p>Der Richter &#x017F;etzte hinzu: Die Natur gebe jedem,<lb/>
der eine Eolonie anlegte, und den Verlag davon tha&#x0364;te<lb/>
die&#x017F;es Recht; es &#x017F;ey eine &#x017F;till&#x017F;chweigende Bedingung des<lb/>
er&#x017F;ten Originalcontrakts, daß die Coloni&#x017F;ten nicht wieder<lb/>
davon laufen &#x017F;ollten, und blos in dem Falle, da die zu-<lb/>
genommene Bevo&#x0364;lkerung den Verleger gegen die Gefahr<lb/>
des Verlu&#x017F;tes &#x017F;icher &#x017F;tellete, werde jenes Recht unno&#x0364;thig;<lb/>
alsdann aber &#x017F;ey der Men&#x017F;ch &#x017F;o geartet, daß er ein Recht<lb/>
was er nicht gebrauchte, von &#x017F;elb&#x017F;t fahren ließe. Daher wu&#x0364;r-<lb/>
de man bey zunehmender Bevo&#x0364;lkerung die Leibeshaft mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">allen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0327] des Leibeigenthums. Vermoͤgen gehabt eine beſondere Colonie anzulegen, und dieſelbe zu der Zeit da Niemand das Land, ſondern jeder Altvater nur die Seinigen geſchuͤtzet haͤtte, gegen andre zu ſchuͤtzen. Alles habe ſich daher zum Stamme ge- halten, und das Haupt deſſelben ſey dagegen verbunden geweſen, ſie zu ernaͤhren, zu ſchuͤtzen und wohl zu halten. Man habe das Band der heutigen Unterthaͤnigkeit, nach welchem einer frey zu- und abziehen konnte, und einem Fuͤrſten nur ſo lange unterworfen waͤre, als man ſich in deſſen Lande befinde, gar nicht gekannt; daher auch Jo- ſeph von den Egyptern die Eigengebung erfordert haͤtte, wenn ſie von dem Koͤnige ernaͤhret ſeyn wollten. Jn der heutigen Verfaſſung wuͤrde er blos geſagt haben: Kinder bleibt im Lande, damit euch der Koͤnig Brod gebe; in der damaligen Verfaſſung aber, worinn die Pharaonen keine Koͤnige von Egypten, ſondern patriarchaliſche Koͤ- nige in Egypten geweſen waͤren, und uͤber die ihnen un- angehoͤrigen Einwohner des Landes nicht zu gebieten ge- habt hatten, haͤtte er nothwendig von einer Uebergabe ihres Leibes ſprechen muͤſſen; die Uebergebung des Lei- bes und Vermoͤgens ſey blos Huldigungsformel in der auf Hoͤrigkeit gegruͤndeten Monarchie der Vorwelt. Der Richter ſetzte hinzu: Die Natur gebe jedem, der eine Eolonie anlegte, und den Verlag davon thaͤte dieſes Recht; es ſey eine ſtillſchweigende Bedingung des erſten Originalcontrakts, daß die Coloniſten nicht wieder davon laufen ſollten, und blos in dem Falle, da die zu- genommene Bevoͤlkerung den Verleger gegen die Gefahr des Verluſtes ſicher ſtellete, werde jenes Recht unnoͤthig; alsdann aber ſey der Menſch ſo geartet, daß er ein Recht was er nicht gebrauchte, von ſelbſt fahren ließe. Daher wuͤr- de man bey zunehmender Bevoͤlkerung die Leibeshaft mit allen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/327
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/327>, abgerufen am 18.04.2024.