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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Also sollten Gutsh. ihre Leibeignen vertreten.
nach am wohlfeilsten geben wird. Jener bringt sie auf
ein langwieriges Lager, und der rechtschaffene Arzt kann
ihnen hernach weiter nichts sagen, als: sie hätten eher
kommen sollen. Die juristischen Quacksalber sind nicht
so beschrien wie die medicinischen; aber sie sind eben so
dreist, und oft eben so gefährlich. Ein unglücklicher Pro-
ces ist der Gesundheit oft nachtheiliger, als ein hitzi-
ges Fieber.

Groß und Nachahmungswürdig ist demnach der Ent-
schluß, daß Ewr. Hochwohlgebohren sich einen rechtschaf-
fenen Advocaten erwählt, und alle ihre Eigenbehörige
angewiesen haben, sich einzig und alleine seiner Hülfe zu
bedienen. Die jährliche Besoldung, welche Hochdiesel-
ben dem Manne dafür reichen, wird Jhnen durch den
künftigen Wohlstand der Eigenbehörigen gewis reichlich
vergütet werden; und dieser ihre Rechtssachen, werden
unendlich besser eingeleitet werden, wenn der Gelehrte in
der Stadt von einem der Baurenstreitigkeiten kundigen
Gutsherrn unterrichtet wird.

Es ist ein Hauptfehler vieler heutigen Verfassungen,
daß der arme und geringe Mann, wie der Bauer in dem
Style der Reichsgesetze heiset, keinen ihn vertretenden
Hauptmann hat; und sich entweder durch kostbare Mieth-
linge vertheidigen, oder einem übelgesinnten Beamten
blos stellen müsse. Wenigstens sollten die geringern Klas-
sen der Menschen auf dem Lande, eben wie Bürger in
Städten und Flecken, einem gemeinschaftlichen Vorsprecher
haben, und in Ordnungen abgetheilet seyn. Dies war der
Geist der ehmaligen Heiligenschützungen anstatt daß die
mehrsten von unsern Neubauern mit der dritten Genera-
tion wieder zu Grunde gehn; wenn ihre Nachkommen
durch Erbabsindungen, Aussteuern von Kindern, und

Rück-

Alſo ſollten Gutsh. ihre Leibeignen vertreten.
nach am wohlfeilſten geben wird. Jener bringt ſie auf
ein langwieriges Lager, und der rechtſchaffene Arzt kann
ihnen hernach weiter nichts ſagen, als: ſie haͤtten eher
kommen ſollen. Die juriſtiſchen Quackſalber ſind nicht
ſo beſchrien wie die mediciniſchen; aber ſie ſind eben ſo
dreiſt, und oft eben ſo gefaͤhrlich. Ein ungluͤcklicher Pro-
ces iſt der Geſundheit oft nachtheiliger, als ein hitzi-
ges Fieber.

Groß und Nachahmungswuͤrdig iſt demnach der Ent-
ſchluß, daß Ewr. Hochwohlgebohren ſich einen rechtſchaf-
fenen Advocaten erwaͤhlt, und alle ihre Eigenbehoͤrige
angewieſen haben, ſich einzig und alleine ſeiner Huͤlfe zu
bedienen. Die jaͤhrliche Beſoldung, welche Hochdieſel-
ben dem Manne dafuͤr reichen, wird Jhnen durch den
kuͤnftigen Wohlſtand der Eigenbehoͤrigen gewis reichlich
verguͤtet werden; und dieſer ihre Rechtsſachen, werden
unendlich beſſer eingeleitet werden, wenn der Gelehrte in
der Stadt von einem der Baurenſtreitigkeiten kundigen
Gutsherrn unterrichtet wird.

Es iſt ein Hauptfehler vieler heutigen Verfaſſungen,
daß der arme und geringe Mann, wie der Bauer in dem
Style der Reichsgeſetze heiſet, keinen ihn vertretenden
Hauptmann hat; und ſich entweder durch koſtbare Mieth-
linge vertheidigen, oder einem uͤbelgeſinnten Beamten
blos ſtellen muͤſſe. Wenigſtens ſollten die geringern Klaſ-
ſen der Menſchen auf dem Lande, eben wie Buͤrger in
Staͤdten und Flecken, einem gemeinſchaftlichen Vorſprecher
haben, und in Ordnungen abgetheilet ſeyn. Dies war der
Geiſt der ehmaligen Heiligenſchuͤtzungen anſtatt daß die
mehrſten von unſern Neubauern mit der dritten Genera-
tion wieder zu Grunde gehn; wenn ihre Nachkommen
durch Erbabſindungen, Ausſteuern von Kindern, und

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[350/0362] Alſo ſollten Gutsh. ihre Leibeignen vertreten. nach am wohlfeilſten geben wird. Jener bringt ſie auf ein langwieriges Lager, und der rechtſchaffene Arzt kann ihnen hernach weiter nichts ſagen, als: ſie haͤtten eher kommen ſollen. Die juriſtiſchen Quackſalber ſind nicht ſo beſchrien wie die mediciniſchen; aber ſie ſind eben ſo dreiſt, und oft eben ſo gefaͤhrlich. Ein ungluͤcklicher Pro- ces iſt der Geſundheit oft nachtheiliger, als ein hitzi- ges Fieber. Groß und Nachahmungswuͤrdig iſt demnach der Ent- ſchluß, daß Ewr. Hochwohlgebohren ſich einen rechtſchaf- fenen Advocaten erwaͤhlt, und alle ihre Eigenbehoͤrige angewieſen haben, ſich einzig und alleine ſeiner Huͤlfe zu bedienen. Die jaͤhrliche Beſoldung, welche Hochdieſel- ben dem Manne dafuͤr reichen, wird Jhnen durch den kuͤnftigen Wohlſtand der Eigenbehoͤrigen gewis reichlich verguͤtet werden; und dieſer ihre Rechtsſachen, werden unendlich beſſer eingeleitet werden, wenn der Gelehrte in der Stadt von einem der Baurenſtreitigkeiten kundigen Gutsherrn unterrichtet wird. Es iſt ein Hauptfehler vieler heutigen Verfaſſungen, daß der arme und geringe Mann, wie der Bauer in dem Style der Reichsgeſetze heiſet, keinen ihn vertretenden Hauptmann hat; und ſich entweder durch koſtbare Mieth- linge vertheidigen, oder einem uͤbelgeſinnten Beamten blos ſtellen muͤſſe. Wenigſtens ſollten die geringern Klaſ- ſen der Menſchen auf dem Lande, eben wie Buͤrger in Staͤdten und Flecken, einem gemeinſchaftlichen Vorſprecher haben, und in Ordnungen abgetheilet ſeyn. Dies war der Geiſt der ehmaligen Heiligenſchuͤtzungen anſtatt daß die mehrſten von unſern Neubauern mit der dritten Genera- tion wieder zu Grunde gehn; wenn ihre Nachkommen durch Erbabſindungen, Ausſteuern von Kindern, und Ruͤck-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/362>, abgerufen am 29.03.2024.