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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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von welchen Farben, den Vorzug behalten, was die Divina-
toires
*) von dem künftigen Jahre gewahrsaget, und was
Herr Granchez in seiner Fabrik zu Clignancourt sonst
für Anstalten mache die deutschen Beutel zu fegen. Die-
sem wesentlichen Fehler unsrer Policey kann allein durch
ein Jntelligenzblatt, was frisch gedruckt und vertheilet
wird, abgeholfen werden; und ich dächte, es verlohnte
sich wohl der Mühe, die jungen einheimischen Künstler
in Zeiten zu benachrichtigen, auf welchem neuen Wege
sie den schöpferischen Franzosen den Rang abgewinnen
können.

Noch weniger haben Sie davon einen üblen Einfluß
auf das gegenwärtige Menschengeschlecht zu fürchten.
Dasselbe ist so bider und gut, es herrscht unter den lie-
ben Menschenkindern so viele Menschenliebe und Gutmü-
thigkeit, ihre Veredlung hat einen so mächtigen Fortgang
gewonnen, und alles ist so voll christlicher Empfindsam-
keit, daß die schleunige Bekanntmachung der neuen Mo-
den unmöglich eine schädliche Veränderung darin hervor-
bringen kann. Ja ich bin versichert, daß wenn Christus
sich, wie es ehedem einmal geheißen hat **), von sei-
ner lieben aber ungetreuen Braut, der christlichen Kir-
che, scheiden lassen wollte, kein Consistorium dahin den
Ausspruch thun könnte; so sehr hat sich das gute Ge-
schlecht der Menschen gebessert, und so sehr haben auch
die andächtigen Personen ihre Perücken und Hauben zu
der süßen Empfindung des Erlösers geformt. Es ist nie-
mand der sich besser mit dem lieben Gott versteht, als
ein empfindsames Herz; es dient ihm unter allen Gestal-

ten
*) Eine Art von Fächern, die man aber nicht mit denen a figu-
res habillees en e ffes de Soye
verwechseln muß.
**) Il divortio celeste di Ferrante Pallavicini.
C 4

der neueſten Moden enthalten.
von welchen Farben, den Vorzug behalten, was die Divina-
toires
*) von dem kuͤnftigen Jahre gewahrſaget, und was
Herr Granchez in ſeiner Fabrik zu Clignancourt ſonſt
fuͤr Anſtalten mache die deutſchen Beutel zu fegen. Die-
ſem weſentlichen Fehler unſrer Policey kann allein durch
ein Jntelligenzblatt, was friſch gedruckt und vertheilet
wird, abgeholfen werden; und ich daͤchte, es verlohnte
ſich wohl der Muͤhe, die jungen einheimiſchen Kuͤnſtler
in Zeiten zu benachrichtigen, auf welchem neuen Wege
ſie den ſchoͤpferiſchen Franzoſen den Rang abgewinnen
koͤnnen.

Noch weniger haben Sie davon einen uͤblen Einfluß
auf das gegenwaͤrtige Menſchengeſchlecht zu fuͤrchten.
Daſſelbe iſt ſo bider und gut, es herrſcht unter den lie-
ben Menſchenkindern ſo viele Menſchenliebe und Gutmuͤ-
thigkeit, ihre Veredlung hat einen ſo maͤchtigen Fortgang
gewonnen, und alles iſt ſo voll chriſtlicher Empfindſam-
keit, daß die ſchleunige Bekanntmachung der neuen Mo-
den unmoͤglich eine ſchaͤdliche Veraͤnderung darin hervor-
bringen kann. Ja ich bin verſichert, daß wenn Chriſtus
ſich, wie es ehedem einmal geheißen hat **), von ſei-
ner lieben aber ungetreuen Braut, der chriſtlichen Kir-
che, ſcheiden laſſen wollte, kein Conſiſtorium dahin den
Ausſpruch thun koͤnnte; ſo ſehr hat ſich das gute Ge-
ſchlecht der Menſchen gebeſſert, und ſo ſehr haben auch
die andaͤchtigen Perſonen ihre Peruͤcken und Hauben zu
der ſuͤßen Empfindung des Erloͤſers geformt. Es iſt nie-
mand der ſich beſſer mit dem lieben Gott verſteht, als
ein empfindſames Herz; es dient ihm unter allen Geſtal-

ten
*) Eine Art von Faͤchern, die man aber nicht mit denen à figu-
res habillées en é ffes de Soye
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**) Il divortio celeſte di Ferrante Pallavicini.
C 4
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[39/0051] der neueſten Moden enthalten. von welchen Farben, den Vorzug behalten, was die Divina- toires *) von dem kuͤnftigen Jahre gewahrſaget, und was Herr Granchez in ſeiner Fabrik zu Clignancourt ſonſt fuͤr Anſtalten mache die deutſchen Beutel zu fegen. Die- ſem weſentlichen Fehler unſrer Policey kann allein durch ein Jntelligenzblatt, was friſch gedruckt und vertheilet wird, abgeholfen werden; und ich daͤchte, es verlohnte ſich wohl der Muͤhe, die jungen einheimiſchen Kuͤnſtler in Zeiten zu benachrichtigen, auf welchem neuen Wege ſie den ſchoͤpferiſchen Franzoſen den Rang abgewinnen koͤnnen. Noch weniger haben Sie davon einen uͤblen Einfluß auf das gegenwaͤrtige Menſchengeſchlecht zu fuͤrchten. Daſſelbe iſt ſo bider und gut, es herrſcht unter den lie- ben Menſchenkindern ſo viele Menſchenliebe und Gutmuͤ- thigkeit, ihre Veredlung hat einen ſo maͤchtigen Fortgang gewonnen, und alles iſt ſo voll chriſtlicher Empfindſam- keit, daß die ſchleunige Bekanntmachung der neuen Mo- den unmoͤglich eine ſchaͤdliche Veraͤnderung darin hervor- bringen kann. Ja ich bin verſichert, daß wenn Chriſtus ſich, wie es ehedem einmal geheißen hat **), von ſei- ner lieben aber ungetreuen Braut, der chriſtlichen Kir- che, ſcheiden laſſen wollte, kein Conſiſtorium dahin den Ausſpruch thun koͤnnte; ſo ſehr hat ſich das gute Ge- ſchlecht der Menſchen gebeſſert, und ſo ſehr haben auch die andaͤchtigen Perſonen ihre Peruͤcken und Hauben zu der ſuͤßen Empfindung des Erloͤſers geformt. Es iſt nie- mand der ſich beſſer mit dem lieben Gott verſteht, als ein empfindſames Herz; es dient ihm unter allen Geſtal- ten *) Eine Art von Faͤchern, die man aber nicht mit denen à figu- res habillées en é ffes de Soye verwechſeln muß. **) Il divortio celeſte di Ferrante Pallavicini. C 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/51>, abgerufen am 28.03.2024.