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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Wie ist die Drespe im menschl. Geschlechte
und der Ackerbauer; alles übrige gehört zum Ab-
fall, worauf man nicht viel rechnen muß.

Und Sie als Dichter, wo Sie sich nicht bald, wie
die Sänger in Arkadien, eine Heerde anschaffen, fallen
gewiß unter die Spreu, wenn man den Abfall auf die
Schwinge bringt, um noch das Hinterkorn oder die Dre-
spe zu gewinnen. Nicht wahr? o! wenn man nur seine
Größe kennt: so betriegt einen der Schneider .... und
auch seine eigne gute Meinung nicht.

Sie haben also gar keinen Beruf uns guten Mäd-
gen, die wir so ein bisgen mehr Zeit als andre der Lec-
türe schenken, und unsern Geist wie unsern Körper zu
schmücken suchen, vorzuwerfen, daß wir die ganze Oeko-
nomie der Natur zerstörten; und ich dächte, wir handel-
ten beyde am klügsten, wenn wir uns einander das Hand-
werk nicht verschrien.

Aber sollte es denn würklich so ganz richtig seyn, daß
die Jäger, die Hirten und die Ackerbauer das reine Korn
in der Welt ausmachten, und alles übrige zur Drespe
gehörte? Und sollte es auf den Fall, daß wir uns diese
Jrokesische Eintheilung gefallen lassen müßten, nicht Mit-
tel geben, auch noch die Drespe in Preiß zu bringen!
Die Jtaliener warfen lange die abgewundenen Hüllen der
Seidenwürmer in den Mist, bis sie endlich lernten Blu-
men daraus zu machen; und wir Deutschen schufen auch
einmal, denn Schöpfer sind wir doch immer gewesen, aus
den sonst weggespülten Schuppen der Bärsche etwas das
eine Blume heißen sollte; was dünkt ihnen also, wenn
wir auch noch so etwas aus der Drespe oder der Spreu
machten, wenn ich Sie zum Exempel als eine Hülse in
eine Rose verwandelte, und dieser ein Plätzgen auf mei-
ner Haube, oder an einem andern Orte, wo Sie viel-
leichtlieber verblüheten, einräumete; würden Sie es

wohl
Wie iſt die Dreſpe im menſchl. Geſchlechte
und der Ackerbauer; alles uͤbrige gehoͤrt zum Ab-
fall, worauf man nicht viel rechnen muß.

Und Sie als Dichter, wo Sie ſich nicht bald, wie
die Saͤnger in Arkadien, eine Heerde anſchaffen, fallen
gewiß unter die Spreu, wenn man den Abfall auf die
Schwinge bringt, um noch das Hinterkorn oder die Dre-
ſpe zu gewinnen. Nicht wahr? o! wenn man nur ſeine
Groͤße kennt: ſo betriegt einen der Schneider .... und
auch ſeine eigne gute Meinung nicht.

Sie haben alſo gar keinen Beruf uns guten Maͤd-
gen, die wir ſo ein bisgen mehr Zeit als andre der Lec-
tuͤre ſchenken, und unſern Geiſt wie unſern Koͤrper zu
ſchmuͤcken ſuchen, vorzuwerfen, daß wir die ganze Oeko-
nomie der Natur zerſtoͤrten; und ich daͤchte, wir handel-
ten beyde am kluͤgſten, wenn wir uns einander das Hand-
werk nicht verſchrien.

Aber ſollte es denn wuͤrklich ſo ganz richtig ſeyn, daß
die Jaͤger, die Hirten und die Ackerbauer das reine Korn
in der Welt ausmachten, und alles uͤbrige zur Dreſpe
gehoͤrte? Und ſollte es auf den Fall, daß wir uns dieſe
Jrokeſiſche Eintheilung gefallen laſſen muͤßten, nicht Mit-
tel geben, auch noch die Dreſpe in Preiß zu bringen!
Die Jtaliener warfen lange die abgewundenen Huͤllen der
Seidenwuͤrmer in den Miſt, bis ſie endlich lernten Blu-
men daraus zu machen; und wir Deutſchen ſchufen auch
einmal, denn Schoͤpfer ſind wir doch immer geweſen, aus
den ſonſt weggeſpuͤlten Schuppen der Baͤrſche etwas das
eine Blume heißen ſollte; was duͤnkt ihnen alſo, wenn
wir auch noch ſo etwas aus der Dreſpe oder der Spreu
machten, wenn ich Sie zum Exempel als eine Huͤlſe in
eine Roſe verwandelte, und dieſer ein Plaͤtzgen auf mei-
ner Haube, oder an einem andern Orte, wo Sie viel-
leichtlieber verbluͤheten, einraͤumete; wuͤrden Sie es

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[46/0058] Wie iſt die Dreſpe im menſchl. Geſchlechte und der Ackerbauer; alles uͤbrige gehoͤrt zum Ab- fall, worauf man nicht viel rechnen muß. Und Sie als Dichter, wo Sie ſich nicht bald, wie die Saͤnger in Arkadien, eine Heerde anſchaffen, fallen gewiß unter die Spreu, wenn man den Abfall auf die Schwinge bringt, um noch das Hinterkorn oder die Dre- ſpe zu gewinnen. Nicht wahr? o! wenn man nur ſeine Groͤße kennt: ſo betriegt einen der Schneider .... und auch ſeine eigne gute Meinung nicht. Sie haben alſo gar keinen Beruf uns guten Maͤd- gen, die wir ſo ein bisgen mehr Zeit als andre der Lec- tuͤre ſchenken, und unſern Geiſt wie unſern Koͤrper zu ſchmuͤcken ſuchen, vorzuwerfen, daß wir die ganze Oeko- nomie der Natur zerſtoͤrten; und ich daͤchte, wir handel- ten beyde am kluͤgſten, wenn wir uns einander das Hand- werk nicht verſchrien. Aber ſollte es denn wuͤrklich ſo ganz richtig ſeyn, daß die Jaͤger, die Hirten und die Ackerbauer das reine Korn in der Welt ausmachten, und alles uͤbrige zur Dreſpe gehoͤrte? Und ſollte es auf den Fall, daß wir uns dieſe Jrokeſiſche Eintheilung gefallen laſſen muͤßten, nicht Mit- tel geben, auch noch die Dreſpe in Preiß zu bringen! Die Jtaliener warfen lange die abgewundenen Huͤllen der Seidenwuͤrmer in den Miſt, bis ſie endlich lernten Blu- men daraus zu machen; und wir Deutſchen ſchufen auch einmal, denn Schoͤpfer ſind wir doch immer geweſen, aus den ſonſt weggeſpuͤlten Schuppen der Baͤrſche etwas das eine Blume heißen ſollte; was duͤnkt ihnen alſo, wenn wir auch noch ſo etwas aus der Dreſpe oder der Spreu machten, wenn ich Sie zum Exempel als eine Huͤlſe in eine Roſe verwandelte, und dieſer ein Plaͤtzgen auf mei- ner Haube, oder an einem andern Orte, wo Sie viel- leichtlieber verbluͤheten, einraͤumete; wuͤrden Sie es wohl

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/58>, abgerufen am 28.03.2024.