Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie ist die Drespe im menschl. Geschlechte
sers Wilden gehörte der Hof, die Bürgerschaft, und die
ganze berühmte Gelahrten Republik zur Spreu, oder wo
noch einige darunter der Jagd und dem Ackerbau ein
Stündgen schenken, zum Hinterkorn; was kann aber
daraus nicht gemacht werden, wenn es von geschickten
Meistern und Meisterinnen geworfelt, gemahlen, gebeu-
telt und verbacken wird?

Jedoch meine Meinung war es nicht, mich auf eine
so ernsthafte Sache einzulassen. Die Frage unter uns ist
blos, ob ich als ein kleines Hülsgen gerade alle die Ei-
genschaften und Tugenden eines ächten schönen, reinen
Weitzens haben müsse, und ob ich nicht, da ich mich gut-
willig unter den Abfall rechnen lasse, das Privilegium
habe, mich ein bisgen mit einer unschuldigen, oder wie
Sie es nennen, empfindsamen Lectüre zu amusiren? Die
Umstände, welche es nöthig gemacht haben, daß zwey
gesunde starke Männer den dritten, der oft nur ein klei-
ner feiner Moralist ist, in der Sänfte tragen, können
es vielleicht auch nöthig machen, daß tausend sich blos
mit Lesen beschäftigen, um eben so viel Autoren das Brod
zu geben. Je mehr sich die Zahl derjenigen vermehrt,
die nicht zum reinen Korn gehören; und je nothwendiger
diese Vermehrung ist, wo wir uns nicht wie die Jroke-
sen aus unsern Reviren treiben lassen wollen, desto häu-
figer werden auch die Veredlungsmittel werden müssen.
Unser Küster hat schon angefangen alle Särger der Länge
nach einzusenken, weil der Kirchhof zu klein wird; und
ich fürchte, wenn wir dereinst auch so bey lebendigem Leibe
zu stehen kommen, es wird noch manche eitle Beschäfti-
gung erdacht werden müssen, um uns alle in Bewegung
zu erhalten.

Ueber-

Wie iſt die Dreſpe im menſchl. Geſchlechte
ſers Wilden gehoͤrte der Hof, die Buͤrgerſchaft, und die
ganze beruͤhmte Gelahrten Republik zur Spreu, oder wo
noch einige darunter der Jagd und dem Ackerbau ein
Stuͤndgen ſchenken, zum Hinterkorn; was kann aber
daraus nicht gemacht werden, wenn es von geſchickten
Meiſtern und Meiſterinnen geworfelt, gemahlen, gebeu-
telt und verbacken wird?

Jedoch meine Meinung war es nicht, mich auf eine
ſo ernſthafte Sache einzulaſſen. Die Frage unter uns iſt
blos, ob ich als ein kleines Huͤlsgen gerade alle die Ei-
genſchaften und Tugenden eines aͤchten ſchoͤnen, reinen
Weitzens haben muͤſſe, und ob ich nicht, da ich mich gut-
willig unter den Abfall rechnen laſſe, das Privilegium
habe, mich ein bisgen mit einer unſchuldigen, oder wie
Sie es nennen, empfindſamen Lectuͤre zu amuſiren? Die
Umſtaͤnde, welche es noͤthig gemacht haben, daß zwey
geſunde ſtarke Maͤnner den dritten, der oft nur ein klei-
ner feiner Moraliſt iſt, in der Saͤnfte tragen, koͤnnen
es vielleicht auch noͤthig machen, daß tauſend ſich blos
mit Leſen beſchaͤftigen, um eben ſo viel Autoren das Brod
zu geben. Je mehr ſich die Zahl derjenigen vermehrt,
die nicht zum reinen Korn gehoͤren; und je nothwendiger
dieſe Vermehrung iſt, wo wir uns nicht wie die Jroke-
ſen aus unſern Reviren treiben laſſen wollen, deſto haͤu-
figer werden auch die Veredlungsmittel werden muͤſſen.
Unſer Kuͤſter hat ſchon angefangen alle Saͤrger der Laͤnge
nach einzuſenken, weil der Kirchhof zu klein wird; und
ich fuͤrchte, wenn wir dereinſt auch ſo bey lebendigem Leibe
zu ſtehen kommen, es wird noch manche eitle Beſchaͤfti-
gung erdacht werden muͤſſen, um uns alle in Bewegung
zu erhalten.

Ueber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0060" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Wie i&#x017F;t die Dre&#x017F;pe im men&#x017F;chl. Ge&#x017F;chlechte</hi></fw><lb/>
&#x017F;ers Wilden geho&#x0364;rte der Hof, die Bu&#x0364;rger&#x017F;chaft, und die<lb/>
ganze beru&#x0364;hmte Gelahrten Republik zur Spreu, oder wo<lb/>
noch einige darunter der Jagd und dem Ackerbau ein<lb/>
Stu&#x0364;ndgen &#x017F;chenken, zum Hinterkorn; was kann aber<lb/>
daraus nicht gemacht werden, wenn es von ge&#x017F;chickten<lb/>
Mei&#x017F;tern und Mei&#x017F;terinnen geworfelt, gemahlen, gebeu-<lb/>
telt und verbacken wird?</p><lb/>
            <p>Jedoch meine Meinung war es nicht, mich auf eine<lb/>
&#x017F;o ern&#x017F;thafte Sache einzula&#x017F;&#x017F;en. Die Frage unter uns i&#x017F;t<lb/>
blos, ob ich als ein kleines Hu&#x0364;lsgen gerade alle die Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften und Tugenden eines a&#x0364;chten &#x017F;cho&#x0364;nen, reinen<lb/>
Weitzens haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und ob ich nicht, da ich mich gut-<lb/>
willig unter den Abfall rechnen la&#x017F;&#x017F;e, das Privilegium<lb/>
habe, mich ein bisgen mit einer un&#x017F;chuldigen, oder wie<lb/>
Sie es nennen, empfind&#x017F;amen Lectu&#x0364;re zu amu&#x017F;iren? Die<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde, welche es no&#x0364;thig gemacht haben, daß zwey<lb/>
ge&#x017F;unde &#x017F;tarke Ma&#x0364;nner den dritten, der oft nur ein klei-<lb/>
ner feiner Morali&#x017F;t i&#x017F;t, in der Sa&#x0364;nfte tragen, ko&#x0364;nnen<lb/>
es vielleicht auch no&#x0364;thig machen, daß tau&#x017F;end &#x017F;ich blos<lb/>
mit Le&#x017F;en be&#x017F;cha&#x0364;ftigen, um eben &#x017F;o viel Autoren das Brod<lb/>
zu geben. Je mehr &#x017F;ich die Zahl derjenigen vermehrt,<lb/>
die nicht zum reinen Korn geho&#x0364;ren; und je nothwendiger<lb/>
die&#x017F;e Vermehrung i&#x017F;t, wo wir uns nicht wie die Jroke-<lb/>
&#x017F;en aus un&#x017F;ern Reviren treiben la&#x017F;&#x017F;en wollen, de&#x017F;to ha&#x0364;u-<lb/>
figer werden auch die Veredlungsmittel werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Un&#x017F;er Ku&#x0364;&#x017F;ter hat &#x017F;chon angefangen alle Sa&#x0364;rger der La&#x0364;nge<lb/>
nach einzu&#x017F;enken, weil der Kirchhof zu klein wird; und<lb/>
ich fu&#x0364;rchte, wenn wir derein&#x017F;t auch &#x017F;o bey lebendigem Leibe<lb/>
zu &#x017F;tehen kommen, es wird noch manche eitle Be&#x017F;cha&#x0364;fti-<lb/>
gung erdacht werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um uns alle in Bewegung<lb/>
zu erhalten.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ueber-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0060] Wie iſt die Dreſpe im menſchl. Geſchlechte ſers Wilden gehoͤrte der Hof, die Buͤrgerſchaft, und die ganze beruͤhmte Gelahrten Republik zur Spreu, oder wo noch einige darunter der Jagd und dem Ackerbau ein Stuͤndgen ſchenken, zum Hinterkorn; was kann aber daraus nicht gemacht werden, wenn es von geſchickten Meiſtern und Meiſterinnen geworfelt, gemahlen, gebeu- telt und verbacken wird? Jedoch meine Meinung war es nicht, mich auf eine ſo ernſthafte Sache einzulaſſen. Die Frage unter uns iſt blos, ob ich als ein kleines Huͤlsgen gerade alle die Ei- genſchaften und Tugenden eines aͤchten ſchoͤnen, reinen Weitzens haben muͤſſe, und ob ich nicht, da ich mich gut- willig unter den Abfall rechnen laſſe, das Privilegium habe, mich ein bisgen mit einer unſchuldigen, oder wie Sie es nennen, empfindſamen Lectuͤre zu amuſiren? Die Umſtaͤnde, welche es noͤthig gemacht haben, daß zwey geſunde ſtarke Maͤnner den dritten, der oft nur ein klei- ner feiner Moraliſt iſt, in der Saͤnfte tragen, koͤnnen es vielleicht auch noͤthig machen, daß tauſend ſich blos mit Leſen beſchaͤftigen, um eben ſo viel Autoren das Brod zu geben. Je mehr ſich die Zahl derjenigen vermehrt, die nicht zum reinen Korn gehoͤren; und je nothwendiger dieſe Vermehrung iſt, wo wir uns nicht wie die Jroke- ſen aus unſern Reviren treiben laſſen wollen, deſto haͤu- figer werden auch die Veredlungsmittel werden muͤſſen. Unſer Kuͤſter hat ſchon angefangen alle Saͤrger der Laͤnge nach einzuſenken, weil der Kirchhof zu klein wird; und ich fuͤrchte, wenn wir dereinſt auch ſo bey lebendigem Leibe zu ſtehen kommen, es wird noch manche eitle Beſchaͤfti- gung erdacht werden muͤſſen, um uns alle in Bewegung zu erhalten. Ueber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/60
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/60>, abgerufen am 28.03.2024.