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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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§ 19.
9. Verfassung und Verwaltung.

Der Staat bildet allerdings begrifflich ein einheitliches
Ganzes, und somit muß denn auch seine ganze Einrichtung
eine in sich übereinstimmende sein. Es wäre eben so wenig recht,
als logisch und klug, wenn ein Theil dem andern, oder wenn
die Einzelheit und Ausführung dem höheren Grundsatze wider-
sprechen würde. Hiermit wohl vereinbar ist jedoch nicht nur
(was sich von selbst versteht) eine Verschiedenheit des Gegen-
standes und nächsten Zweckes einer staatlichen Thätigkeit, falls
dieselbe nur innerhalb des gezogenen Kreises bleibt; sondern
auch eine größere oder geringere Bedeutung der einzelnen staat-
lichen Anstalten und Anordnungen, je nachdem dieselben selbst-
ständig bestimmen oder nur Gegebenes ausführen, oder nachdem
der von ihnen zu schaffende Nutzen ein größerer oder kleinerer
ist. Und da auch noch insoferne eine wesentliche Verschiedenheit
der einzelnen Theile des Staatsorganismus stattfindet, als die
einen dauernd und unveränderlich, andere dagegen je nach den
wechselnden Bedürfnissen ebenfalls wechselnd sind: so ist eine
Abtheilung nach diesen Rücksichten für die Wissenschaft und das
Leben nicht nur gestattet, sondern selbst nützlich und in manchen
Beziehungen nothwendig.

Diese Eintheilung nach Beständigkeit, Bedeutung und
Bestimmungskraft ist nun aber die jetzt sehr geläufige in Ver-
fassung
und Verwaltung 1).

Verfassung ist die Summe der Einrichtungen und Bestim-
mungen, welche den concreten Staatszweck feststellen, den zu
seiner Verwirklichung bestimmten Organismus in den wesent-
lichen Grundzügen ordnen und erhalten, die zur Durchführung
nöthige Staatsgewalt nach Form, Grenzen und Inhaber bezeich-
nen, endlich die Verhältnisse zwischen den Staatsangehörigen

§ 19.
9. Verfaſſung und Verwaltung.

Der Staat bildet allerdings begrifflich ein einheitliches
Ganzes, und ſomit muß denn auch ſeine ganze Einrichtung
eine in ſich übereinſtimmende ſein. Es wäre eben ſo wenig recht,
als logiſch und klug, wenn ein Theil dem andern, oder wenn
die Einzelheit und Ausführung dem höheren Grundſatze wider-
ſprechen würde. Hiermit wohl vereinbar iſt jedoch nicht nur
(was ſich von ſelbſt verſteht) eine Verſchiedenheit des Gegen-
ſtandes und nächſten Zweckes einer ſtaatlichen Thätigkeit, falls
dieſelbe nur innerhalb des gezogenen Kreiſes bleibt; ſondern
auch eine größere oder geringere Bedeutung der einzelnen ſtaat-
lichen Anſtalten und Anordnungen, je nachdem dieſelben ſelbſt-
ſtändig beſtimmen oder nur Gegebenes ausführen, oder nachdem
der von ihnen zu ſchaffende Nutzen ein größerer oder kleinerer
iſt. Und da auch noch inſoferne eine weſentliche Verſchiedenheit
der einzelnen Theile des Staatsorganismus ſtattfindet, als die
einen dauernd und unveränderlich, andere dagegen je nach den
wechſelnden Bedürfniſſen ebenfalls wechſelnd ſind: ſo iſt eine
Abtheilung nach dieſen Rückſichten für die Wiſſenſchaft und das
Leben nicht nur geſtattet, ſondern ſelbſt nützlich und in manchen
Beziehungen nothwendig.

Dieſe Eintheilung nach Beſtändigkeit, Bedeutung und
Beſtimmungskraft iſt nun aber die jetzt ſehr geläufige in Ver-
faſſung
und Verwaltung 1).

Verfaſſung iſt die Summe der Einrichtungen und Beſtim-
mungen, welche den concreten Staatszweck feſtſtellen, den zu
ſeiner Verwirklichung beſtimmten Organismus in den weſent-
lichen Grundzügen ordnen und erhalten, die zur Durchführung
nöthige Staatsgewalt nach Form, Grenzen und Inhaber bezeich-
nen, endlich die Verhältniſſe zwiſchen den Staatsangehörigen

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[130/0144] § 19. 9. Verfaſſung und Verwaltung. Der Staat bildet allerdings begrifflich ein einheitliches Ganzes, und ſomit muß denn auch ſeine ganze Einrichtung eine in ſich übereinſtimmende ſein. Es wäre eben ſo wenig recht, als logiſch und klug, wenn ein Theil dem andern, oder wenn die Einzelheit und Ausführung dem höheren Grundſatze wider- ſprechen würde. Hiermit wohl vereinbar iſt jedoch nicht nur (was ſich von ſelbſt verſteht) eine Verſchiedenheit des Gegen- ſtandes und nächſten Zweckes einer ſtaatlichen Thätigkeit, falls dieſelbe nur innerhalb des gezogenen Kreiſes bleibt; ſondern auch eine größere oder geringere Bedeutung der einzelnen ſtaat- lichen Anſtalten und Anordnungen, je nachdem dieſelben ſelbſt- ſtändig beſtimmen oder nur Gegebenes ausführen, oder nachdem der von ihnen zu ſchaffende Nutzen ein größerer oder kleinerer iſt. Und da auch noch inſoferne eine weſentliche Verſchiedenheit der einzelnen Theile des Staatsorganismus ſtattfindet, als die einen dauernd und unveränderlich, andere dagegen je nach den wechſelnden Bedürfniſſen ebenfalls wechſelnd ſind: ſo iſt eine Abtheilung nach dieſen Rückſichten für die Wiſſenſchaft und das Leben nicht nur geſtattet, ſondern ſelbſt nützlich und in manchen Beziehungen nothwendig. Dieſe Eintheilung nach Beſtändigkeit, Bedeutung und Beſtimmungskraft iſt nun aber die jetzt ſehr geläufige in Ver- faſſung und Verwaltung 1). Verfaſſung iſt die Summe der Einrichtungen und Beſtim- mungen, welche den concreten Staatszweck feſtſtellen, den zu ſeiner Verwirklichung beſtimmten Organismus in den weſent- lichen Grundzügen ordnen und erhalten, die zur Durchführung nöthige Staatsgewalt nach Form, Grenzen und Inhaber bezeich- nen, endlich die Verhältniſſe zwiſchen den Staatsangehörigen

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/144>, abgerufen am 29.03.2024.