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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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ausgehende Ergänzungshülfe, sowie über die zur Durchführung
nöthigen Anstalten und Mittel Sache des Staatsrechtes sind 1).
Doch ist es nöthig, das gegenseitige Verhältniß in einigen
Beziehungen schärfer ins Auge zu fassen. -- Einmal nämlich
hat der Staat, obgleich die Ordnung der Privatrechts-Sphären
zunächst nicht seine Aufgabe ist, doch die Pflicht, und also auch
das Recht, die objectiven Grundsätze für Regelung des Privat-
rechtes durch befehlende Normen festzustellen, soweit nicht Ge-
wohnheitsrecht oder Autonomie für einen solchen Anhalt gesorgt
haben. Theils nämlich müssen allgemein anerkannte Grundsätze
vorhanden sein, wenn und wo gar kein oder kein sicher erkenn-
barer Einzelwille vorliegt. Theils sind den Privaten solche
Bestimmungen über ihre Angelegenheiten, welche dem öffentlichen
Wohle entschieden zuwider laufen, ganz zu verbieten. Theils
endlich macht der nur allzu wahrscheinliche unrechtliche Wille
oder der Starrsinn Einzelner weitläufige und verbreitete Ein-
richtungen nothwendig zur Abwehr künftiger Störungen im
Privatrechte (bürgerliche Rechtspolizei), zur Aufstellung eines
genügenden Gerichtswesens, endlich zur Vollziehung der gesproche-
nen Urtheile. Die Befugniß zu allen diesen Anordnungen,
sowie deren formelle Feststellung ist nun Theil des Staats-
rechtes, während die Rechtsordnung selbst, welche dadurch
bewerkstelligt wird, Gegenstand des Privatrechtes bleibt. --
Sodann aber sind einzelne Persönlichkeiten mit dem Staate
wesentlich verbunden und unentbehrliche Organe desselben, geben
aber doch ihre Persönlichkeit nicht auf; sie sind weder Sklaven
des Staates noch bloße Gedankenwesen. Diese stehen also in
doppelten Rechtsbeziehungen. In staatsrechtlichen, insoferne sie
Bestandtheile des Staatsorganismus sind und er und sie gegen-
seitig auf einander einwirken; in privatrechtlichen, insoferne sie
außerhalb dieser staatlichen Stellung leben und zu Menschen
und Sachen in Verhältniß stehen. Eine Sonderung dieser

ausgehende Ergänzungshülfe, ſowie über die zur Durchführung
nöthigen Anſtalten und Mittel Sache des Staatsrechtes ſind 1).
Doch iſt es nöthig, das gegenſeitige Verhältniß in einigen
Beziehungen ſchärfer ins Auge zu faſſen. — Einmal nämlich
hat der Staat, obgleich die Ordnung der Privatrechts-Sphären
zunächſt nicht ſeine Aufgabe iſt, doch die Pflicht, und alſo auch
das Recht, die objectiven Grundſätze für Regelung des Privat-
rechtes durch befehlende Normen feſtzuſtellen, ſoweit nicht Ge-
wohnheitsrecht oder Autonomie für einen ſolchen Anhalt geſorgt
haben. Theils nämlich müſſen allgemein anerkannte Grundſätze
vorhanden ſein, wenn und wo gar kein oder kein ſicher erkenn-
barer Einzelwille vorliegt. Theils ſind den Privaten ſolche
Beſtimmungen über ihre Angelegenheiten, welche dem öffentlichen
Wohle entſchieden zuwider laufen, ganz zu verbieten. Theils
endlich macht der nur allzu wahrſcheinliche unrechtliche Wille
oder der Starrſinn Einzelner weitläufige und verbreitete Ein-
richtungen nothwendig zur Abwehr künftiger Störungen im
Privatrechte (bürgerliche Rechtspolizei), zur Aufſtellung eines
genügenden Gerichtsweſens, endlich zur Vollziehung der geſproche-
nen Urtheile. Die Befugniß zu allen dieſen Anordnungen,
ſowie deren formelle Feſtſtellung iſt nun Theil des Staats-
rechtes, während die Rechtsordnung ſelbſt, welche dadurch
bewerkſtelligt wird, Gegenſtand des Privatrechtes bleibt. —
Sodann aber ſind einzelne Perſönlichkeiten mit dem Staate
weſentlich verbunden und unentbehrliche Organe deſſelben, geben
aber doch ihre Perſönlichkeit nicht auf; ſie ſind weder Sklaven
des Staates noch bloße Gedankenweſen. Dieſe ſtehen alſo in
doppelten Rechtsbeziehungen. In ſtaatsrechtlichen, inſoferne ſie
Beſtandtheile des Staatsorganismus ſind und er und ſie gegen-
ſeitig auf einander einwirken; in privatrechtlichen, inſoferne ſie
außerhalb dieſer ſtaatlichen Stellung leben und zu Menſchen
und Sachen in Verhältniß ſtehen. Eine Sonderung dieſer

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[192/0206] ausgehende Ergänzungshülfe, ſowie über die zur Durchführung nöthigen Anſtalten und Mittel Sache des Staatsrechtes ſind 1). Doch iſt es nöthig, das gegenſeitige Verhältniß in einigen Beziehungen ſchärfer ins Auge zu faſſen. — Einmal nämlich hat der Staat, obgleich die Ordnung der Privatrechts-Sphären zunächſt nicht ſeine Aufgabe iſt, doch die Pflicht, und alſo auch das Recht, die objectiven Grundſätze für Regelung des Privat- rechtes durch befehlende Normen feſtzuſtellen, ſoweit nicht Ge- wohnheitsrecht oder Autonomie für einen ſolchen Anhalt geſorgt haben. Theils nämlich müſſen allgemein anerkannte Grundſätze vorhanden ſein, wenn und wo gar kein oder kein ſicher erkenn- barer Einzelwille vorliegt. Theils ſind den Privaten ſolche Beſtimmungen über ihre Angelegenheiten, welche dem öffentlichen Wohle entſchieden zuwider laufen, ganz zu verbieten. Theils endlich macht der nur allzu wahrſcheinliche unrechtliche Wille oder der Starrſinn Einzelner weitläufige und verbreitete Ein- richtungen nothwendig zur Abwehr künftiger Störungen im Privatrechte (bürgerliche Rechtspolizei), zur Aufſtellung eines genügenden Gerichtsweſens, endlich zur Vollziehung der geſproche- nen Urtheile. Die Befugniß zu allen dieſen Anordnungen, ſowie deren formelle Feſtſtellung iſt nun Theil des Staats- rechtes, während die Rechtsordnung ſelbſt, welche dadurch bewerkſtelligt wird, Gegenſtand des Privatrechtes bleibt. — Sodann aber ſind einzelne Perſönlichkeiten mit dem Staate weſentlich verbunden und unentbehrliche Organe deſſelben, geben aber doch ihre Perſönlichkeit nicht auf; ſie ſind weder Sklaven des Staates noch bloße Gedankenweſen. Dieſe ſtehen alſo in doppelten Rechtsbeziehungen. In ſtaatsrechtlichen, inſoferne ſie Beſtandtheile des Staatsorganismus ſind und er und ſie gegen- ſeitig auf einander einwirken; in privatrechtlichen, inſoferne ſie außerhalb dieſer ſtaatlichen Stellung leben und zu Menſchen und Sachen in Verhältniß ſtehen. Eine Sonderung dieſer

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/206>, abgerufen am 25.04.2024.