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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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und der Art betreffende; oder besondere, welche nur das
Wesen einer bestimmten einzelnen Staatsgattung oder Staatsart
darlegen. -- Das philosophische Staatsrecht zerfällt demgemäß
in ein allgemeines und in eine Anzahl von besonderen 1).

Eine zweite Verschiedenheit der Lehrsätze aber ist die
Abtheilung in Verfassungs- und in Verwaltungsrecht,
(s. oben, § 19.) -- Auch die philosophische Rechtslehre vom
Staate unterscheidet zwischen den Grundgedanken des Staates
und den einzelnen Ausführungsmitteln, wenn es schon in der
Natur der Sache liegt, daß der aus allgemeinen Vernunfts-
grundsätzen abgeleiteten Lehren der zweiten Gattung wenigere
sind, als derer, welche die Verfassung regeln. Die Ausführung
steht allerdings auch unter dem Rechtsgesetze; allein die Haupt-
sache ist doch auf allgemeinem Standpunkte die Zweckmäßigkeit.
Beim positiven Staatsrechte ist das Verhältniß des Umfanges
beider Theile gerade das umgekehrte.

Daß dagegen eine Eintheilung des Staatsrechtes in ein
inneres und ein äußeres weder als zweckmäßig noch als
logisch erkannt werden kann, ist bereits erörtert worden 2).

1) Gewöhnlich wird nur das positive Staatsrecht in ein allgemei-
nes und ein besonderes getheilt; wobei dann darüber noch Streit sein kann,
ob und wie weit für eine Anzahl bestimmt bezeichneter Staaten (z. B.
der sämmtlichen deutschen, schweizerischen, nordamerikanischen) ein allgemeines
positives Recht thatsächlich bestehe. Die Ursache, warum dieselbe Eintheilung
so selten bei dem philosophischen Staatsrechte vorgenommen wird,
man dieses sogar sehr häufig kurzer Hand "allgemeines" benennt, ist lediglich
darin zu suchen, daß man diesem die falsche Bestimmung zu geben pflegt,
die Rechtsnormen für das in ein bestimmtes philosophisches System passende
Staatsideal zu entwickeln, (welches dann allerdings nur Eins sein kann,)
anstatt von ihm die Entwicklung des Wesens des Staates überhaupt in
allen seinen möglichen Verschiedenheiten zu verlangen.
2) S. oben, § 23, S. 172.

und der Art betreffende; oder beſondere, welche nur das
Weſen einer beſtimmten einzelnen Staatsgattung oder Staatsart
darlegen. — Das philoſophiſche Staatsrecht zerfällt demgemäß
in ein allgemeines und in eine Anzahl von beſonderen 1).

Eine zweite Verſchiedenheit der Lehrſätze aber iſt die
Abtheilung in Verfaſſungs- und in Verwaltungsrecht,
(ſ. oben, § 19.) — Auch die philoſophiſche Rechtslehre vom
Staate unterſcheidet zwiſchen den Grundgedanken des Staates
und den einzelnen Ausführungsmitteln, wenn es ſchon in der
Natur der Sache liegt, daß der aus allgemeinen Vernunfts-
grundſätzen abgeleiteten Lehren der zweiten Gattung wenigere
ſind, als derer, welche die Verfaſſung regeln. Die Ausführung
ſteht allerdings auch unter dem Rechtsgeſetze; allein die Haupt-
ſache iſt doch auf allgemeinem Standpunkte die Zweckmäßigkeit.
Beim poſitiven Staatsrechte iſt das Verhältniß des Umfanges
beider Theile gerade das umgekehrte.

Daß dagegen eine Eintheilung des Staatsrechtes in ein
inneres und ein äußeres weder als zweckmäßig noch als
logiſch erkannt werden kann, iſt bereits erörtert worden 2).

1) Gewöhnlich wird nur das poſitive Staatsrecht in ein allgemei-
nes und ein beſonderes getheilt; wobei dann darüber noch Streit ſein kann,
ob und wie weit für eine Anzahl beſtimmt bezeichneter Staaten (z. B.
der ſämmtlichen deutſchen, ſchweizeriſchen, nordamerikaniſchen) ein allgemeines
poſitives Recht thatſächlich beſtehe. Die Urſache, warum dieſelbe Eintheilung
ſo ſelten bei dem philoſophiſchen Staatsrechte vorgenommen wird,
man dieſes ſogar ſehr häufig kurzer Hand „allgemeines“ benennt, iſt lediglich
darin zu ſuchen, daß man dieſem die falſche Beſtimmung zu geben pflegt,
die Rechtsnormen für das in ein beſtimmtes philoſophiſches Syſtem paſſende
Staatsideal zu entwickeln, (welches dann allerdings nur Eins ſein kann,)
anſtatt von ihm die Entwicklung des Weſens des Staates überhaupt in
allen ſeinen möglichen Verſchiedenheiten zu verlangen.
2) S. oben, § 23, S. 172.
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[198/0212] und der Art betreffende; oder beſondere, welche nur das Weſen einer beſtimmten einzelnen Staatsgattung oder Staatsart darlegen. — Das philoſophiſche Staatsrecht zerfällt demgemäß in ein allgemeines und in eine Anzahl von beſonderen 1). Eine zweite Verſchiedenheit der Lehrſätze aber iſt die Abtheilung in Verfaſſungs- und in Verwaltungsrecht, (ſ. oben, § 19.) — Auch die philoſophiſche Rechtslehre vom Staate unterſcheidet zwiſchen den Grundgedanken des Staates und den einzelnen Ausführungsmitteln, wenn es ſchon in der Natur der Sache liegt, daß der aus allgemeinen Vernunfts- grundſätzen abgeleiteten Lehren der zweiten Gattung wenigere ſind, als derer, welche die Verfaſſung regeln. Die Ausführung ſteht allerdings auch unter dem Rechtsgeſetze; allein die Haupt- ſache iſt doch auf allgemeinem Standpunkte die Zweckmäßigkeit. Beim poſitiven Staatsrechte iſt das Verhältniß des Umfanges beider Theile gerade das umgekehrte. Daß dagegen eine Eintheilung des Staatsrechtes in ein inneres und ein äußeres weder als zweckmäßig noch als logiſch erkannt werden kann, iſt bereits erörtert worden 2). ¹⁾ Gewöhnlich wird nur das poſitive Staatsrecht in ein allgemei- nes und ein beſonderes getheilt; wobei dann darüber noch Streit ſein kann, ob und wie weit für eine Anzahl beſtimmt bezeichneter Staaten (z. B. der ſämmtlichen deutſchen, ſchweizeriſchen, nordamerikaniſchen) ein allgemeines poſitives Recht thatſächlich beſtehe. Die Urſache, warum dieſelbe Eintheilung ſo ſelten bei dem philoſophiſchen Staatsrechte vorgenommen wird, man dieſes ſogar ſehr häufig kurzer Hand „allgemeines“ benennt, iſt lediglich darin zu ſuchen, daß man dieſem die falſche Beſtimmung zu geben pflegt, die Rechtsnormen für das in ein beſtimmtes philoſophiſches Syſtem paſſende Staatsideal zu entwickeln, (welches dann allerdings nur Eins ſein kann,) anſtatt von ihm die Entwicklung des Weſens des Staates überhaupt in allen ſeinen möglichen Verſchiedenheiten zu verlangen. ²⁾ S. oben, § 23, S. 172.

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/212>, abgerufen am 25.04.2024.