Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
mit einziger Ausnahme solcher höherer oder besser bezahlter
Stellen, welche keine andere Befähigung als die zum bis-
her bekleideten niederen Amte ausreichenden verlangen; und
auch hier nur, wenn alle übrigen Verhältnisse gleich sind.
e) Besetzung der Stellen, erst nach bereits eingetretener Er-
ledigung, also Verbot aller Anwartschaften.
IV. Rechtliche Natur des Staatsdienstver-
hältnisses
.

Es ist ein ganz verkehrter Scharfsinn, das Staatsdienst-
verhältniß unter irgend eine der privatrechtlichen Vertragsarten
bringen und darnach die rechtlichen Eigenschaften desselben be-
messen zu wollen. Theils ist überhaupt von Vertrag bei allen
öffentlichen Diensten, welche der Reihenfolge nach oder durch
Zwangsaushebung auferlegt sind, gar keine Rede, und doch
finden natürlich auch hier Rechtssätze Anwendung. Theils ist
selbst da, wo wirklich ein Vertrag vorliegt, dieser kein privat-
rechtliches, sondern ein dem öffentlichen Rechte angehöriges
Verhältniß eigenthümlicher Art, welches einfach nach den in der
Sache liegenden Grundsätzen zu bemessen und nach seinem Ge-
genstande zu bezeichnen ist. Die rechtlichen Folgerungen aus
dem Staatsdienstverhältnisse sind denn aber hauptsächlich nach-
stehende:

1. Verpflichtung zur vollständigen Besorgung des
Dienstes. Die Vollziehung der übertragenen und übernom-
menen Aufgabe ist gegenüber von den Unterthanen ein Recht,
gegenüber vom Staatsoberhaupte eine Pflicht, und sie kann
daher keineswegs nach Belieben geleistet oder unterlassen wer-
den, sondern muß vielmehr vollständig, soweit eine geistige und
körperliche Möglichkeit vorliegt und es vom Staate verlangt
wird 10), geschehen. Doch liegt es nicht in der allgemeinen
Natur des Dienstverhältnisses, daß der Staat über die ganze
Zeit eines öffentlichen Dieners verfügen kann, auch über die

mit einziger Ausnahme ſolcher höherer oder beſſer bezahlter
Stellen, welche keine andere Befähigung als die zum bis-
her bekleideten niederen Amte ausreichenden verlangen; und
auch hier nur, wenn alle übrigen Verhältniſſe gleich ſind.
e) Beſetzung der Stellen, erſt nach bereits eingetretener Er-
ledigung, alſo Verbot aller Anwartſchaften.
IV. Rechtliche Natur des Staatsdienſtver-
hältniſſes
.

Es iſt ein ganz verkehrter Scharfſinn, das Staatsdienſt-
verhältniß unter irgend eine der privatrechtlichen Vertragsarten
bringen und darnach die rechtlichen Eigenſchaften deſſelben be-
meſſen zu wollen. Theils iſt überhaupt von Vertrag bei allen
öffentlichen Dienſten, welche der Reihenfolge nach oder durch
Zwangsaushebung auferlegt ſind, gar keine Rede, und doch
finden natürlich auch hier Rechtsſätze Anwendung. Theils iſt
ſelbſt da, wo wirklich ein Vertrag vorliegt, dieſer kein privat-
rechtliches, ſondern ein dem öffentlichen Rechte angehöriges
Verhältniß eigenthümlicher Art, welches einfach nach den in der
Sache liegenden Grundſätzen zu bemeſſen und nach ſeinem Ge-
genſtande zu bezeichnen iſt. Die rechtlichen Folgerungen aus
dem Staatsdienſtverhältniſſe ſind denn aber hauptſächlich nach-
ſtehende:

1. Verpflichtung zur vollſtändigen Beſorgung des
Dienſtes. Die Vollziehung der übertragenen und übernom-
menen Aufgabe iſt gegenüber von den Unterthanen ein Recht,
gegenüber vom Staatsoberhaupte eine Pflicht, und ſie kann
daher keineswegs nach Belieben geleiſtet oder unterlaſſen wer-
den, ſondern muß vielmehr vollſtändig, ſoweit eine geiſtige und
körperliche Möglichkeit vorliegt und es vom Staate verlangt
wird 10), geſchehen. Doch liegt es nicht in der allgemeinen
Natur des Dienſtverhältniſſes, daß der Staat über die ganze
Zeit eines öffentlichen Dieners verfügen kann, auch über die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <list>
                        <item><pb facs="#f0270" n="256"/>
mit einziger Ausnahme &#x017F;olcher höherer oder be&#x017F;&#x017F;er bezahlter<lb/>
Stellen, welche keine andere Befähigung als die zum bis-<lb/>
her bekleideten niederen Amte ausreichenden verlangen; und<lb/>
auch hier nur, wenn alle übrigen Verhältni&#x017F;&#x017F;e gleich &#x017F;ind.</item><lb/>
                        <item><hi rendition="#aq">e</hi>) Be&#x017F;etzung der Stellen, er&#x017F;t nach bereits eingetretener Er-<lb/>
ledigung, al&#x017F;o Verbot aller Anwart&#x017F;chaften.</item>
                      </list>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Rechtliche Natur des Staatsdien&#x017F;tver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;es</hi>.</head><lb/>
                      <p>Es i&#x017F;t ein ganz verkehrter Scharf&#x017F;inn, das Staatsdien&#x017F;t-<lb/>
verhältniß unter irgend eine der privatrechtlichen Vertragsarten<lb/>
bringen und darnach die rechtlichen Eigen&#x017F;chaften de&#x017F;&#x017F;elben be-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en zu wollen. Theils i&#x017F;t überhaupt von Vertrag bei allen<lb/>
öffentlichen Dien&#x017F;ten, welche der Reihenfolge nach oder durch<lb/>
Zwangsaushebung auferlegt &#x017F;ind, gar keine Rede, und doch<lb/>
finden natürlich auch hier Rechts&#x017F;ätze Anwendung. Theils i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t da, wo wirklich ein Vertrag vorliegt, die&#x017F;er kein privat-<lb/>
rechtliches, &#x017F;ondern ein dem öffentlichen Rechte angehöriges<lb/>
Verhältniß eigenthümlicher Art, welches einfach nach den in der<lb/>
Sache liegenden Grund&#x017F;ätzen zu beme&#x017F;&#x017F;en und nach &#x017F;einem Ge-<lb/>
gen&#x017F;tande zu bezeichnen i&#x017F;t. Die rechtlichen Folgerungen aus<lb/>
dem Staatsdien&#x017F;tverhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind denn aber haupt&#x017F;ächlich nach-<lb/>
&#x017F;tehende:</p><lb/>
                      <p>1. Verpflichtung zur <hi rendition="#g">voll&#x017F;tändigen Be&#x017F;orgung</hi> des<lb/>
Dien&#x017F;tes. Die Vollziehung der übertragenen und übernom-<lb/>
menen Aufgabe i&#x017F;t gegenüber von den Unterthanen ein Recht,<lb/>
gegenüber vom Staatsoberhaupte eine Pflicht, und &#x017F;ie kann<lb/>
daher keineswegs nach Belieben gelei&#x017F;tet oder unterla&#x017F;&#x017F;en wer-<lb/>
den, &#x017F;ondern muß vielmehr voll&#x017F;tändig, &#x017F;oweit eine gei&#x017F;tige und<lb/>
körperliche Möglichkeit vorliegt und es vom Staate verlangt<lb/>
wird <hi rendition="#sup">10</hi>), ge&#x017F;chehen. Doch liegt es nicht in der allgemeinen<lb/>
Natur des Dien&#x017F;tverhältni&#x017F;&#x017F;es, daß der Staat über die ganze<lb/>
Zeit eines öffentlichen Dieners verfügen kann, auch über die<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0270] mit einziger Ausnahme ſolcher höherer oder beſſer bezahlter Stellen, welche keine andere Befähigung als die zum bis- her bekleideten niederen Amte ausreichenden verlangen; und auch hier nur, wenn alle übrigen Verhältniſſe gleich ſind. e) Beſetzung der Stellen, erſt nach bereits eingetretener Er- ledigung, alſo Verbot aller Anwartſchaften. IV. Rechtliche Natur des Staatsdienſtver- hältniſſes. Es iſt ein ganz verkehrter Scharfſinn, das Staatsdienſt- verhältniß unter irgend eine der privatrechtlichen Vertragsarten bringen und darnach die rechtlichen Eigenſchaften deſſelben be- meſſen zu wollen. Theils iſt überhaupt von Vertrag bei allen öffentlichen Dienſten, welche der Reihenfolge nach oder durch Zwangsaushebung auferlegt ſind, gar keine Rede, und doch finden natürlich auch hier Rechtsſätze Anwendung. Theils iſt ſelbſt da, wo wirklich ein Vertrag vorliegt, dieſer kein privat- rechtliches, ſondern ein dem öffentlichen Rechte angehöriges Verhältniß eigenthümlicher Art, welches einfach nach den in der Sache liegenden Grundſätzen zu bemeſſen und nach ſeinem Ge- genſtande zu bezeichnen iſt. Die rechtlichen Folgerungen aus dem Staatsdienſtverhältniſſe ſind denn aber hauptſächlich nach- ſtehende: 1. Verpflichtung zur vollſtändigen Beſorgung des Dienſtes. Die Vollziehung der übertragenen und übernom- menen Aufgabe iſt gegenüber von den Unterthanen ein Recht, gegenüber vom Staatsoberhaupte eine Pflicht, und ſie kann daher keineswegs nach Belieben geleiſtet oder unterlaſſen wer- den, ſondern muß vielmehr vollſtändig, ſoweit eine geiſtige und körperliche Möglichkeit vorliegt und es vom Staate verlangt wird 10), geſchehen. Doch liegt es nicht in der allgemeinen Natur des Dienſtverhältniſſes, daß der Staat über die ganze Zeit eines öffentlichen Dieners verfügen kann, auch über die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/270
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/270>, abgerufen am 28.03.2024.