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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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standet werden. Das Eine und das Andere ist lediglich nach
Grundsätzen des inneren Staatsrechtes zu beurtheilen und
unterliegt der Entscheidung Dritter nicht. Sobald ein Staat
thatsächlich besteht, ist er auch, eben weil er besteht, in seiner
ganzen Berechtigung von den übrigen Staaten anzuerkennen
und als ebenbürtig zu behandeln. Die, eine neue Gestaltung
etwa bestreitenden, Ansprüche bisher Berechtigter heben die
Thatsache des selbstständigen Daseins und die rechtlichen Fol-
gerungen aus demselben für die übrigen Staaten nicht auf 1).

2) Das Recht, die den concreten Volkszwecken und der
Bildungsstufe entsprechende Regierungsform zu wählen.
Die Verfassung eines jeden Staates ist lediglich seine Ange-
legenheit; und ebenso ist die Frage, ob eine Veränderung mit
rechtlicher Gültigkeit vor sich gegangen sei, nur nach den
Grundsätzen des positiven und beziehungsweise allgemeinen
Staatsrechtes zu unterscheiden, somit unter allen Umständen
nur von den Staatstheilnehmern selbst. Der einzige Fall einer
Berechtigung zur Einsprache gegen die inneren Einrichtungen
eines fremden Staates ist, wenn sich aus denselben entweder
die Absicht oder jedenfalls die thatsächliche Folgerung einer
Rechtsverletzung Dritter und die Unmöglichkeit eines geordneten
Nebeneinanderbestehens ergiebt. Aber auch dann ist in erster
Linie nur die Beseitigung solcher antisoeialer Grundsätze oder
Einrichtungen zu verlangen 2).

3) Das Recht auf ungestörten Gebrauch der
Kräfte
innerhalb und außerhalb des eigenen Gebietes, natür-
lich in den Schranken des Rechtes. Kein Staat darf durch
Fremde verhindert werden, in seinem Innern die ihm beliebigen
Einrichtungen zur Entwickelung geistiger, physischer nnd wirth-
schaftlicher Kräfte, oder zu seiner Vertheidigung und zur Ver-
stärkung seiner öffentlichen Gewalt zu treffen. Ebenso steht es
jedem Staate frei, die ihm zu Gebote stehenden Gelegenheiten

ſtandet werden. Das Eine und das Andere iſt lediglich nach
Grundſätzen des inneren Staatsrechtes zu beurtheilen und
unterliegt der Entſcheidung Dritter nicht. Sobald ein Staat
thatſächlich beſteht, iſt er auch, eben weil er beſteht, in ſeiner
ganzen Berechtigung von den übrigen Staaten anzuerkennen
und als ebenbürtig zu behandeln. Die, eine neue Geſtaltung
etwa beſtreitenden, Anſprüche bisher Berechtigter heben die
Thatſache des ſelbſtſtändigen Daſeins und die rechtlichen Fol-
gerungen aus demſelben für die übrigen Staaten nicht auf 1).

2) Das Recht, die den concreten Volkszwecken und der
Bildungsſtufe entſprechende Regierungsform zu wählen.
Die Verfaſſung eines jeden Staates iſt lediglich ſeine Ange-
legenheit; und ebenſo iſt die Frage, ob eine Veränderung mit
rechtlicher Gültigkeit vor ſich gegangen ſei, nur nach den
Grundſätzen des poſitiven und beziehungsweiſe allgemeinen
Staatsrechtes zu unterſcheiden, ſomit unter allen Umſtänden
nur von den Staatstheilnehmern ſelbſt. Der einzige Fall einer
Berechtigung zur Einſprache gegen die inneren Einrichtungen
eines fremden Staates iſt, wenn ſich aus denſelben entweder
die Abſicht oder jedenfalls die thatſächliche Folgerung einer
Rechtsverletzung Dritter und die Unmöglichkeit eines geordneten
Nebeneinanderbeſtehens ergiebt. Aber auch dann iſt in erſter
Linie nur die Beſeitigung ſolcher antiſoeialer Grundſätze oder
Einrichtungen zu verlangen 2).

3) Das Recht auf ungeſtörten Gebrauch der
Kräfte
innerhalb und außerhalb des eigenen Gebietes, natür-
lich in den Schranken des Rechtes. Kein Staat darf durch
Fremde verhindert werden, in ſeinem Innern die ihm beliebigen
Einrichtungen zur Entwickelung geiſtiger, phyſiſcher nnd wirth-
ſchaftlicher Kräfte, oder zu ſeiner Vertheidigung und zur Ver-
ſtärkung ſeiner öffentlichen Gewalt zu treffen. Ebenſo ſteht es
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[421/0435] ſtandet werden. Das Eine und das Andere iſt lediglich nach Grundſätzen des inneren Staatsrechtes zu beurtheilen und unterliegt der Entſcheidung Dritter nicht. Sobald ein Staat thatſächlich beſteht, iſt er auch, eben weil er beſteht, in ſeiner ganzen Berechtigung von den übrigen Staaten anzuerkennen und als ebenbürtig zu behandeln. Die, eine neue Geſtaltung etwa beſtreitenden, Anſprüche bisher Berechtigter heben die Thatſache des ſelbſtſtändigen Daſeins und die rechtlichen Fol- gerungen aus demſelben für die übrigen Staaten nicht auf 1). 2) Das Recht, die den concreten Volkszwecken und der Bildungsſtufe entſprechende Regierungsform zu wählen. Die Verfaſſung eines jeden Staates iſt lediglich ſeine Ange- legenheit; und ebenſo iſt die Frage, ob eine Veränderung mit rechtlicher Gültigkeit vor ſich gegangen ſei, nur nach den Grundſätzen des poſitiven und beziehungsweiſe allgemeinen Staatsrechtes zu unterſcheiden, ſomit unter allen Umſtänden nur von den Staatstheilnehmern ſelbſt. Der einzige Fall einer Berechtigung zur Einſprache gegen die inneren Einrichtungen eines fremden Staates iſt, wenn ſich aus denſelben entweder die Abſicht oder jedenfalls die thatſächliche Folgerung einer Rechtsverletzung Dritter und die Unmöglichkeit eines geordneten Nebeneinanderbeſtehens ergiebt. Aber auch dann iſt in erſter Linie nur die Beſeitigung ſolcher antiſoeialer Grundſätze oder Einrichtungen zu verlangen 2). 3) Das Recht auf ungeſtörten Gebrauch der Kräfte innerhalb und außerhalb des eigenen Gebietes, natür- lich in den Schranken des Rechtes. Kein Staat darf durch Fremde verhindert werden, in ſeinem Innern die ihm beliebigen Einrichtungen zur Entwickelung geiſtiger, phyſiſcher nnd wirth- ſchaftlicher Kräfte, oder zu ſeiner Vertheidigung und zur Ver- ſtärkung ſeiner öffentlichen Gewalt zu treffen. Ebenſo ſteht es jedem Staate frei, die ihm zu Gebote ſtehenden Gelegenheiten

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/435>, abgerufen am 23.04.2024.