Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

haft für eine bestimmte Aufstellung der leitenden Sätze ist es
dabei, daß die Verschiedenheit der Staaten, in der Hauptsache
wenigstens, hier keine Berücksichtigung verlangt.

1. Zunächst kommt die Größe des Staatsgebietes in
Betracht. Allerdings mag eine in Beziehung auf Fruchtbarkeit
oder Verkehr besonders günstige oder ungünstige Lage, oder eine
ausgezeichnete geistige Beschaffenheit der Bevölkerung, endlich
ein Verhältniß zu den Nachbarn einen anomalen Einfluß aus-
üben; allein im Allgemeinen sind nachstehende Sätze als maß-
gebend zu betrachten:

a. Ein großes Gebiet gewährt dem Staate die Möglichkeit,
auch eine zahlreiche Bevölkerung mit selbsterzeugten Lebens-
mitteln zu nähren. Es kann also hier der Ackerbau zur
Grundlage der Volkswirthschaft gemacht, Gewerbe und
Handel aber einer naturgemäßen Entwickelung überlassen
werden; was denn theils auf die Sicherheit des Wohlstan-
des, theils auf die polizeiliche Thätigkeit des Staates und
auf die Feststellung des Staatseinkommens von großem
Einflusse ist.
b. Ein großes Gebiet bietet vielfache Vortheile zur Verthei-
digung gegen einen einfallenden Feind, indem derselbe selbst
nach einem Siege nicht leicht das Ganze überrennen und
besetzen kann.
c. In einem großen Gebiete, namentlich wenn sich dasselbe
durch verschiedene klimatische Zonen erstreckt, wirken
schädliche Elementarerreignisse nicht leicht auf die Ge-
sammtheit.
d. Der erforderliche Umfang des Gebietes ist nicht blos nach
den unmittelbaren eigenen Bedürfnissen, sondern auch
nach der Größe und Macht anderer Staaten, namentlich
der benachbarten und derer, mit welchen Macht- und
Vortheils-Beziehungen bestehen, zu bemessen. Wenn auch
36*

haft für eine beſtimmte Aufſtellung der leitenden Sätze iſt es
dabei, daß die Verſchiedenheit der Staaten, in der Hauptſache
wenigſtens, hier keine Berückſichtigung verlangt.

1. Zunächſt kommt die Größe des Staatsgebietes in
Betracht. Allerdings mag eine in Beziehung auf Fruchtbarkeit
oder Verkehr beſonders günſtige oder ungünſtige Lage, oder eine
ausgezeichnete geiſtige Beſchaffenheit der Bevölkerung, endlich
ein Verhältniß zu den Nachbarn einen anomalen Einfluß aus-
üben; allein im Allgemeinen ſind nachſtehende Sätze als maß-
gebend zu betrachten:

a. Ein großes Gebiet gewährt dem Staate die Möglichkeit,
auch eine zahlreiche Bevölkerung mit ſelbſterzeugten Lebens-
mitteln zu nähren. Es kann alſo hier der Ackerbau zur
Grundlage der Volkswirthſchaft gemacht, Gewerbe und
Handel aber einer naturgemäßen Entwickelung überlaſſen
werden; was denn theils auf die Sicherheit des Wohlſtan-
des, theils auf die polizeiliche Thätigkeit des Staates und
auf die Feſtſtellung des Staatseinkommens von großem
Einfluſſe iſt.
b. Ein großes Gebiet bietet vielfache Vortheile zur Verthei-
digung gegen einen einfallenden Feind, indem derſelbe ſelbſt
nach einem Siege nicht leicht das Ganze überrennen und
beſetzen kann.
c. In einem großen Gebiete, namentlich wenn ſich daſſelbe
durch verſchiedene klimatiſche Zonen erſtreckt, wirken
ſchädliche Elementarerreigniſſe nicht leicht auf die Ge-
ſammtheit.
d. Der erforderliche Umfang des Gebietes iſt nicht blos nach
den unmittelbaren eigenen Bedürfniſſen, ſondern auch
nach der Größe und Macht anderer Staaten, namentlich
der benachbarten und derer, mit welchen Macht- und
Vortheils-Beziehungen beſtehen, zu bemeſſen. Wenn auch
36*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0577" n="563"/>
haft für eine be&#x017F;timmte Auf&#x017F;tellung der leitenden Sätze i&#x017F;t es<lb/>
dabei, daß die Ver&#x017F;chiedenheit der Staaten, in der Haupt&#x017F;ache<lb/>
wenig&#x017F;tens, hier keine Berück&#x017F;ichtigung verlangt.</p><lb/>
              <p>1. Zunäch&#x017F;t kommt die <hi rendition="#g">Größe</hi> des Staatsgebietes in<lb/>
Betracht. Allerdings mag eine in Beziehung auf Fruchtbarkeit<lb/>
oder Verkehr be&#x017F;onders gün&#x017F;tige oder ungün&#x017F;tige Lage, oder eine<lb/>
ausgezeichnete gei&#x017F;tige Be&#x017F;chaffenheit der Bevölkerung, endlich<lb/>
ein Verhältniß zu den Nachbarn einen anomalen Einfluß aus-<lb/>
üben; allein im Allgemeinen &#x017F;ind nach&#x017F;tehende Sätze als maß-<lb/>
gebend zu betrachten:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Ein großes Gebiet gewährt dem Staate die Möglichkeit,<lb/>
auch eine zahlreiche Bevölkerung mit &#x017F;elb&#x017F;terzeugten Lebens-<lb/>
mitteln zu nähren. Es kann al&#x017F;o hier der Ackerbau zur<lb/>
Grundlage der Volkswirth&#x017F;chaft gemacht, Gewerbe und<lb/>
Handel aber einer naturgemäßen Entwickelung überla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden; was denn theils auf die Sicherheit des Wohl&#x017F;tan-<lb/>
des, theils auf die polizeiliche Thätigkeit des Staates und<lb/>
auf die Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Staatseinkommens von großem<lb/>
Einflu&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Ein großes Gebiet bietet vielfache Vortheile zur Verthei-<lb/>
digung gegen einen einfallenden Feind, indem der&#x017F;elbe &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nach einem Siege nicht leicht das Ganze überrennen und<lb/>
be&#x017F;etzen kann.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> In einem großen Gebiete, namentlich wenn &#x017F;ich da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
durch ver&#x017F;chiedene klimati&#x017F;che Zonen er&#x017F;treckt, wirken<lb/>
&#x017F;chädliche Elementarerreigni&#x017F;&#x017F;e nicht leicht auf die Ge-<lb/>
&#x017F;ammtheit.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Der erforderliche Umfang des Gebietes i&#x017F;t nicht blos nach<lb/>
den unmittelbaren eigenen Bedürfni&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern auch<lb/>
nach der Größe und Macht anderer Staaten, namentlich<lb/>
der benachbarten und derer, mit welchen Macht- und<lb/>
Vortheils-Beziehungen be&#x017F;tehen, zu beme&#x017F;&#x017F;en. Wenn auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">36*</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[563/0577] haft für eine beſtimmte Aufſtellung der leitenden Sätze iſt es dabei, daß die Verſchiedenheit der Staaten, in der Hauptſache wenigſtens, hier keine Berückſichtigung verlangt. 1. Zunächſt kommt die Größe des Staatsgebietes in Betracht. Allerdings mag eine in Beziehung auf Fruchtbarkeit oder Verkehr beſonders günſtige oder ungünſtige Lage, oder eine ausgezeichnete geiſtige Beſchaffenheit der Bevölkerung, endlich ein Verhältniß zu den Nachbarn einen anomalen Einfluß aus- üben; allein im Allgemeinen ſind nachſtehende Sätze als maß- gebend zu betrachten: a. Ein großes Gebiet gewährt dem Staate die Möglichkeit, auch eine zahlreiche Bevölkerung mit ſelbſterzeugten Lebens- mitteln zu nähren. Es kann alſo hier der Ackerbau zur Grundlage der Volkswirthſchaft gemacht, Gewerbe und Handel aber einer naturgemäßen Entwickelung überlaſſen werden; was denn theils auf die Sicherheit des Wohlſtan- des, theils auf die polizeiliche Thätigkeit des Staates und auf die Feſtſtellung des Staatseinkommens von großem Einfluſſe iſt. b. Ein großes Gebiet bietet vielfache Vortheile zur Verthei- digung gegen einen einfallenden Feind, indem derſelbe ſelbſt nach einem Siege nicht leicht das Ganze überrennen und beſetzen kann. c. In einem großen Gebiete, namentlich wenn ſich daſſelbe durch verſchiedene klimatiſche Zonen erſtreckt, wirken ſchädliche Elementarerreigniſſe nicht leicht auf die Ge- ſammtheit. d. Der erforderliche Umfang des Gebietes iſt nicht blos nach den unmittelbaren eigenen Bedürfniſſen, ſondern auch nach der Größe und Macht anderer Staaten, namentlich der benachbarten und derer, mit welchen Macht- und Vortheils-Beziehungen beſtehen, zu bemeſſen. Wenn auch 36*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/577
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/577>, abgerufen am 18.04.2024.