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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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ordnung des deutschen Bundes die Abordnung von Bevollmächtigten der
verschiedenen Abtheilungen des Bundesheeres in das Hauptquartier des
Oberfeldherrn angeordnet ist.
3) Daß Demokratieen leichter zur Aufhebung ihrer Selbstständigkeit und
zur Gründung eines Bundesstaates bewogen werden können, als Monarchieen,
zeigt das Gelingen in Nordamerika und in der Schweiz, sowie das Miß-
lingen in Deutschland. Wie wenig aber, auch nur zur wirklichen Her-
stellung einer Macht in auswärtigen Angelegenheiten, durch einen bloßen
Staatenbund geleistet wird, davon ist freilich ebenfalls Deutschland Zeuge,
und zwar in steigendem Grade bei jeder neuen Probe.
2. Erlangung von Vortheilen.
§ 104.
a. Die Gegenstände.

Jeder selbstständige Staat hat allerdings die Aufgabe, die
Zwecke des Zusammenlebens nach Maßgabe seines Grundge-
dankens mit eigenen Kräften zu fördern. Dennoch ist in einer
nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen Mitwirkung des
Auslandes
zu einer vollständigen Erreichung nothwendig.
Theils nämlich vermögen kleinere Staaten nicht immer alle
Bedürfnisse zu befriedigen, sei es aus Mangel an geistigen
Kräften, sei es weil die pecuniären Mittel fehlen, sei es end-
lich wo eine Anstalt zu ihrem Gedeihen einer breiten Grundlage
und eines großen Spielraumes bedarf; theils kann überhaupt
der Natur der Sache nach oft Ein Staat einen wünschens-
werthen Zustand einseitig nicht herstellen, sondern es gehört
dazu die Zustimmung und Mitwirkung anderer unabhängiger
Staaten. In allen diesen Fällen muß der Staat, wenn er
nicht sich selbst und den Seinigen schaden will, aus seiner
Vereinzelung heraustreten und sich mit fremden Regierungen
verständigen, bald zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen,
bald zur Gewinnung der Erlaubniß, die Einrichtung eines
fremden Staates mit zu benützen, bald wenigstens zur Erzielung

ordnung des deutſchen Bundes die Abordnung von Bevollmächtigten der
verſchiedenen Abtheilungen des Bundesheeres in das Hauptquartier des
Oberfeldherrn angeordnet iſt.
3) Daß Demokratieen leichter zur Aufhebung ihrer Selbſtſtändigkeit und
zur Gründung eines Bundesſtaates bewogen werden können, als Monarchieen,
zeigt das Gelingen in Nordamerika und in der Schweiz, ſowie das Miß-
lingen in Deutſchland. Wie wenig aber, auch nur zur wirklichen Her-
ſtellung einer Macht in auswärtigen Angelegenheiten, durch einen bloßen
Staatenbund geleiſtet wird, davon iſt freilich ebenfalls Deutſchland Zeuge,
und zwar in ſteigendem Grade bei jeder neuen Probe.
2. Erlangung von Vortheilen.
§ 104.
a. Die Gegenſtände.

Jeder ſelbſtſtändige Staat hat allerdings die Aufgabe, die
Zwecke des Zuſammenlebens nach Maßgabe ſeines Grundge-
dankens mit eigenen Kräften zu fördern. Dennoch iſt in einer
nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen Mitwirkung des
Auslandes
zu einer vollſtändigen Erreichung nothwendig.
Theils nämlich vermögen kleinere Staaten nicht immer alle
Bedürfniſſe zu befriedigen, ſei es aus Mangel an geiſtigen
Kräften, ſei es weil die pecuniären Mittel fehlen, ſei es end-
lich wo eine Anſtalt zu ihrem Gedeihen einer breiten Grundlage
und eines großen Spielraumes bedarf; theils kann überhaupt
der Natur der Sache nach oft Ein Staat einen wünſchens-
werthen Zuſtand einſeitig nicht herſtellen, ſondern es gehört
dazu die Zuſtimmung und Mitwirkung anderer unabhängiger
Staaten. In allen dieſen Fällen muß der Staat, wenn er
nicht ſich ſelbſt und den Seinigen ſchaden will, aus ſeiner
Vereinzelung heraustreten und ſich mit fremden Regierungen
verſtändigen, bald zu einem gemeinſchaftlichen Unternehmen,
bald zur Gewinnung der Erlaubniß, die Einrichtung eines
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[698/0712] ²⁾ ordnung des deutſchen Bundes die Abordnung von Bevollmächtigten der verſchiedenen Abtheilungen des Bundesheeres in das Hauptquartier des Oberfeldherrn angeordnet iſt. ³⁾ Daß Demokratieen leichter zur Aufhebung ihrer Selbſtſtändigkeit und zur Gründung eines Bundesſtaates bewogen werden können, als Monarchieen, zeigt das Gelingen in Nordamerika und in der Schweiz, ſowie das Miß- lingen in Deutſchland. Wie wenig aber, auch nur zur wirklichen Her- ſtellung einer Macht in auswärtigen Angelegenheiten, durch einen bloßen Staatenbund geleiſtet wird, davon iſt freilich ebenfalls Deutſchland Zeuge, und zwar in ſteigendem Grade bei jeder neuen Probe. 2. Erlangung von Vortheilen. § 104. a. Die Gegenſtände. Jeder ſelbſtſtändige Staat hat allerdings die Aufgabe, die Zwecke des Zuſammenlebens nach Maßgabe ſeines Grundge- dankens mit eigenen Kräften zu fördern. Dennoch iſt in einer nicht unbedeutenden Anzahl von Fällen Mitwirkung des Auslandes zu einer vollſtändigen Erreichung nothwendig. Theils nämlich vermögen kleinere Staaten nicht immer alle Bedürfniſſe zu befriedigen, ſei es aus Mangel an geiſtigen Kräften, ſei es weil die pecuniären Mittel fehlen, ſei es end- lich wo eine Anſtalt zu ihrem Gedeihen einer breiten Grundlage und eines großen Spielraumes bedarf; theils kann überhaupt der Natur der Sache nach oft Ein Staat einen wünſchens- werthen Zuſtand einſeitig nicht herſtellen, ſondern es gehört dazu die Zuſtimmung und Mitwirkung anderer unabhängiger Staaten. In allen dieſen Fällen muß der Staat, wenn er nicht ſich ſelbſt und den Seinigen ſchaden will, aus ſeiner Vereinzelung heraustreten und ſich mit fremden Regierungen verſtändigen, bald zu einem gemeinſchaftlichen Unternehmen, bald zur Gewinnung der Erlaubniß, die Einrichtung eines fremden Staates mit zu benützen, bald wenigſtens zur Erzielung

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/712>, abgerufen am 28.03.2024.