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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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2.
Statistik.
§ 110.
1. Begriff und Umfang der Statistik.

Nicht blos die Kenntniß des Werdens, sondern -- und
selbst wohl noch in höherem Grade -- die Kenntniß des Ge-
wordenen im Staatsleben ist nützlich und nöthig. Der neueste
Zustand ist das Ergebniß aller vorangegangenen, die Folge
aller Ursachen; nur auf das Bestehende kann eingewirkt werden;
und nur bei einem richtigen und vollständigen Begreifen des
Bestehenden ist eine zweckmäßige Einwirkung gesichert.

Die Wissenschaft, welche die bestehenden Zustände kennen
lehrt und erklärt, ist nun die Statistik. -- Vielfach und
mit Scharfsinn (freilich auch mit verkehrter Spitzfündigkeit) ist
über die richtige Begriffsbezeichnung derselben gestritten worden,
so daß eine eigene zahlreiche Literatur über das Wesen und
den Zweck dieser jüngsten der Staatswissenschaften vorliegt 1).
Wenn man sich jedoch nicht durch seine eigene Gelehrsamkeit
verwirren und durch logischen Luxus zu nutzlosen Grübeleien
verführen läßt, so ist die Sache äußerst einfach. Die Statistik
ist die Wissenschaft der staatlichen und gesellschaft-
lichen Zustände
, weit in der Regel die Gegenwart schil-
dernd, wohl aber auch befähigt zur Darstellung eines rückwärts-

2.
Statiſtik.
§ 110.
1. Begriff und Umfang der Statiſtik.

Nicht blos die Kenntniß des Werdens, ſondern — und
ſelbſt wohl noch in höherem Grade — die Kenntniß des Ge-
wordenen im Staatsleben iſt nützlich und nöthig. Der neueſte
Zuſtand iſt das Ergebniß aller vorangegangenen, die Folge
aller Urſachen; nur auf das Beſtehende kann eingewirkt werden;
und nur bei einem richtigen und vollſtändigen Begreifen des
Beſtehenden iſt eine zweckmäßige Einwirkung geſichert.

Die Wiſſenſchaft, welche die beſtehenden Zuſtände kennen
lehrt und erklärt, iſt nun die Statiſtik. — Vielfach und
mit Scharfſinn (freilich auch mit verkehrter Spitzfündigkeit) iſt
über die richtige Begriffsbezeichnung derſelben geſtritten worden,
ſo daß eine eigene zahlreiche Literatur über das Weſen und
den Zweck dieſer jüngſten der Staatswiſſenſchaften vorliegt 1).
Wenn man ſich jedoch nicht durch ſeine eigene Gelehrſamkeit
verwirren und durch logiſchen Luxus zu nutzloſen Grübeleien
verführen läßt, ſo iſt die Sache äußerſt einfach. Die Statiſtik
iſt die Wiſſenſchaft der ſtaatlichen und geſellſchaft-
lichen Zuſtände
, weit in der Regel die Gegenwart ſchil-
dernd, wohl aber auch befähigt zur Darſtellung eines rückwärts-

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[[732]/0746] 2. Statiſtik. § 110. 1. Begriff und Umfang der Statiſtik. Nicht blos die Kenntniß des Werdens, ſondern — und ſelbſt wohl noch in höherem Grade — die Kenntniß des Ge- wordenen im Staatsleben iſt nützlich und nöthig. Der neueſte Zuſtand iſt das Ergebniß aller vorangegangenen, die Folge aller Urſachen; nur auf das Beſtehende kann eingewirkt werden; und nur bei einem richtigen und vollſtändigen Begreifen des Beſtehenden iſt eine zweckmäßige Einwirkung geſichert. Die Wiſſenſchaft, welche die beſtehenden Zuſtände kennen lehrt und erklärt, iſt nun die Statiſtik. — Vielfach und mit Scharfſinn (freilich auch mit verkehrter Spitzfündigkeit) iſt über die richtige Begriffsbezeichnung derſelben geſtritten worden, ſo daß eine eigene zahlreiche Literatur über das Weſen und den Zweck dieſer jüngſten der Staatswiſſenſchaften vorliegt 1). Wenn man ſich jedoch nicht durch ſeine eigene Gelehrſamkeit verwirren und durch logiſchen Luxus zu nutzloſen Grübeleien verführen läßt, ſo iſt die Sache äußerſt einfach. Die Statiſtik iſt die Wiſſenſchaft der ſtaatlichen und geſellſchaft- lichen Zuſtände, weit in der Regel die Gegenwart ſchil- dernd, wohl aber auch befähigt zur Darſtellung eines rückwärts-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. [732]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/746>, abgerufen am 18.04.2024.