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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
wegen von Rom abgeschlossen ist, zeigt die nur für Sici-
lien den römischen Kaufleuten darin zugesicherte vollstän-
dige Rechtsgleichheit; das Ostmeer aber war den Römern
vertragsmässig geschlossen. -- Fragen wir schliesslich, wie
dieser Handel geführt ward, ob von italischen Kaufleuten in
der Fremde oder von fremden Kaufleuten in Italien, so
scheinen, wenigstens was Latium anlangt, all die eben
angeführten Spuren für die erstere Annahme zu entspre-
chen. Es ist kaum denkbar, dass jene latinischen Be-
zeichnungen des Geldsurrogats und des Handelsdarlehns da-
durch in allgemeinen Gebrauch auf der sicilischen Insel
kommen konnten, dass sicilische Kaufleute nach Ostia gingen
und Kupfer einhandelten gegen Schmuck. Entscheidend ist
aber, dass der Vertrag mit Karthago wohl dem römischen
Kaufmann im karthagischen Gebiet Rechtsgleichheit oder doch
gewisse Vergünstigungen stipulirt, aber keineswegs dem kar-
thagischen auf römischem Gebiet die Reciprocität. Es soll
natürlich nicht behauptet werden, dass dem karthagischen
Unterthan und dem befreundeten Griechen der römische
Hafen geradezu verschlossen gewesen wäre. Aber es ist
nur eine consequente Entwicklung der italischen Handels-
politik, dass man so weit es anging den Handel mit eigenen
Schiffen führte und durch Staatsverträge darauf hinwirkte;
dass man andrerseits sich dies gefallen liess, zeigt nicht min-
der die Einträglichkeit dieses Verkehrs für die Griechen und
Punier wie die achtunggebietende Stellung der italischen See-
mächte. -- Was endlich die Personen und Stände anlangt,
durch die dieser Handel in Italien geführt ward, so hat sich
auffallender Weise in Rom nie ein eigener höherer Kauf-
mannsstand entwickelt. Der Grund ist, dass der Grosshandel
von Anfang an sich in den Händen der grossen Grundbesitzer
befunden hat -- eine Annahme, die nicht so seltsam ist, wie
sie scheint. Dass in einer von mehreren schiffbaren Flüssen
durchschnittenen Landschaft der grosse Grundbesitzer, der
von seinen Pächtern in Fruchtquoten bezahlt wird, früh in
den Besitz von Barken gelangte, ist natürlich und beglaubigt;
der überseeische Eigenhandel musste also um so mehr ihm
zufallen, als der grosse Grundbesitzer allein die Schiffe und
in den Früchten die Ausfuhrartikel besass. In der That ist
der Gegensatz zwischen Land- und Geldaristokratie den Rö-
mern der älteren Zeit nicht bekannt; die grossen Grundbe-
sitzer sind immer zugleich die Speculanten und die Capita-

ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.
wegen von Rom abgeschlossen ist, zeigt die nur für Sici-
lien den römischen Kaufleuten darin zugesicherte vollstän-
dige Rechtsgleichheit; das Ostmeer aber war den Römern
vertragsmäſsig geschlossen. — Fragen wir schlieſslich, wie
dieser Handel geführt ward, ob von italischen Kaufleuten in
der Fremde oder von fremden Kaufleuten in Italien, so
scheinen, wenigstens was Latium anlangt, all die eben
angeführten Spuren für die erstere Annahme zu entspre-
chen. Es ist kaum denkbar, daſs jene latinischen Be-
zeichnungen des Geldsurrogats und des Handelsdarlehns da-
durch in allgemeinen Gebrauch auf der sicilischen Insel
kommen konnten, daſs sicilische Kaufleute nach Ostia gingen
und Kupfer einhandelten gegen Schmuck. Entscheidend ist
aber, daſs der Vertrag mit Karthago wohl dem römischen
Kaufmann im karthagischen Gebiet Rechtsgleichheit oder doch
gewisse Vergünstigungen stipulirt, aber keineswegs dem kar-
thagischen auf römischem Gebiet die Reciprocität. Es soll
natürlich nicht behauptet werden, daſs dem karthagischen
Unterthan und dem befreundeten Griechen der römische
Hafen geradezu verschlossen gewesen wäre. Aber es ist
nur eine consequente Entwicklung der italischen Handels-
politik, daſs man so weit es anging den Handel mit eigenen
Schiffen führte und durch Staatsverträge darauf hinwirkte;
daſs man andrerseits sich dies gefallen lieſs, zeigt nicht min-
der die Einträglichkeit dieses Verkehrs für die Griechen und
Punier wie die achtunggebietende Stellung der italischen See-
mächte. — Was endlich die Personen und Stände anlangt,
durch die dieser Handel in Italien geführt ward, so hat sich
auffallender Weise in Rom nie ein eigener höherer Kauf-
mannsstand entwickelt. Der Grund ist, daſs der Groſshandel
von Anfang an sich in den Händen der groſsen Grundbesitzer
befunden hat — eine Annahme, die nicht so seltsam ist, wie
sie scheint. Daſs in einer von mehreren schiffbaren Flüssen
durchschnittenen Landschaft der groſse Grundbesitzer, der
von seinen Pächtern in Fruchtquoten bezahlt wird, früh in
den Besitz von Barken gelangte, ist natürlich und beglaubigt;
der überseeische Eigenhandel muſste also um so mehr ihm
zufallen, als der groſse Grundbesitzer allein die Schiffe und
in den Früchten die Ausfuhrartikel besaſs. In der That ist
der Gegensatz zwischen Land- und Geldaristokratie den Rö-
mern der älteren Zeit nicht bekannt; die groſsen Grundbe-
sitzer sind immer zugleich die Speculanten und die Capita-

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[134/0148] ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. wegen von Rom abgeschlossen ist, zeigt die nur für Sici- lien den römischen Kaufleuten darin zugesicherte vollstän- dige Rechtsgleichheit; das Ostmeer aber war den Römern vertragsmäſsig geschlossen. — Fragen wir schlieſslich, wie dieser Handel geführt ward, ob von italischen Kaufleuten in der Fremde oder von fremden Kaufleuten in Italien, so scheinen, wenigstens was Latium anlangt, all die eben angeführten Spuren für die erstere Annahme zu entspre- chen. Es ist kaum denkbar, daſs jene latinischen Be- zeichnungen des Geldsurrogats und des Handelsdarlehns da- durch in allgemeinen Gebrauch auf der sicilischen Insel kommen konnten, daſs sicilische Kaufleute nach Ostia gingen und Kupfer einhandelten gegen Schmuck. Entscheidend ist aber, daſs der Vertrag mit Karthago wohl dem römischen Kaufmann im karthagischen Gebiet Rechtsgleichheit oder doch gewisse Vergünstigungen stipulirt, aber keineswegs dem kar- thagischen auf römischem Gebiet die Reciprocität. Es soll natürlich nicht behauptet werden, daſs dem karthagischen Unterthan und dem befreundeten Griechen der römische Hafen geradezu verschlossen gewesen wäre. Aber es ist nur eine consequente Entwicklung der italischen Handels- politik, daſs man so weit es anging den Handel mit eigenen Schiffen führte und durch Staatsverträge darauf hinwirkte; daſs man andrerseits sich dies gefallen lieſs, zeigt nicht min- der die Einträglichkeit dieses Verkehrs für die Griechen und Punier wie die achtunggebietende Stellung der italischen See- mächte. — Was endlich die Personen und Stände anlangt, durch die dieser Handel in Italien geführt ward, so hat sich auffallender Weise in Rom nie ein eigener höherer Kauf- mannsstand entwickelt. Der Grund ist, daſs der Groſshandel von Anfang an sich in den Händen der groſsen Grundbesitzer befunden hat — eine Annahme, die nicht so seltsam ist, wie sie scheint. Daſs in einer von mehreren schiffbaren Flüssen durchschnittenen Landschaft der groſse Grundbesitzer, der von seinen Pächtern in Fruchtquoten bezahlt wird, früh in den Besitz von Barken gelangte, ist natürlich und beglaubigt; der überseeische Eigenhandel muſste also um so mehr ihm zufallen, als der groſse Grundbesitzer allein die Schiffe und in den Früchten die Ausfuhrartikel besaſs. In der That ist der Gegensatz zwischen Land- und Geldaristokratie den Rö- mern der älteren Zeit nicht bekannt; die groſsen Grundbe- sitzer sind immer zugleich die Speculanten und die Capita-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/148>, abgerufen am 19.04.2024.