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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
in Corduba überwinterte, ruhten auf der ganzen Halbinsel die Waf-
fen. Inzwischen ward in Rom über den Frieden mit den Areva-
kern verhandelt. Es ist bezeichnend für die inneren Verhältnisse
Spaniens, dass vornämlich die Sendlinge der bei den Arevakern
bestehenden römischen Partei in Rom die Verwerfung der Frie-
densvorschläge durchsetzten, indem sie vorstellten, dass, wenn
man die römisch gesinnten Spanier nicht preisgeben wolle, nur
die Wahl bleibe entweder jährlich einen Consul mit entsprechen-
dem Heer nach der Halbinsel zu senden oder jetzt ein nach-
drückliches Exempel zu statuiren. In Folge dessen wurden die
Boten der Arevaker ohne entscheidende Antwort verabschiedet
und die energische Fortsetzung des Krieges beschlossen. Mar-
cellus sah sich demnach genöthigt im folgenden Frühjahr (603)
den Krieg gegen die Arevaker wieder zu beginnen. Indess sei es
nun, wie behauptet wird, dass er den Ruhm den Krieg beendigt
zu haben, seinem bald zu erwartenden Nachfolger nicht gönnte,
sei es, was vielleicht wahrscheinlicher ist, dass er gleich Gracchus
in der milden Behandlung der Spanier die erste Bedingung eines
dauerhaften Friedens sah -- nach einer geheimen Zusammen-
kunft des römischen Feldherrn mit den einflussreichsten Män-
nern der Arevaker kam unter den Mauern von Numantia ein
Tractat zu Stande, durch den die Arevaker den Römern sich auf
Gnade und Ungnade ergaben, aber unter Verpflichtung zu Geld-
zahlung und Geisselstellung in ihre bisherigen vertragsmässigen
Rechte wieder eingesetzt wurden. -- Als der neue Oberfeldherr,
der Consul Lucius Lucullus bei dem Heere eintraf, fand er den
Krieg, den zu führen er gekommen war, bereits durch förmlichen
Friedensschluss beendigt und seine Hoffnungen Ehre und vor
Allem Geld aus Spanien heimzubringen schienen vereitelt. In-
dess dafür gab es Rath. Auf eigene Hand griff Lucullus die
westlichen Nachbaren der Arevaker, die Vaccaeer an, eine noch
unabhängige keltiberische Nation, die mit den Römern im besten
Einvernehmen lebte. Auf die Frage der Spanier, was sie denn
gefehlt hätten, war die Antwort der Ueberfall der Stadt Cauca
(Coca 8 Leguas westlich von Segovia); und als die erschreckte
Stadt mit schweren Geldopfern die Capitulation erkauft zu haben
meinte, rückten römische Truppen in die Stadt und knechteten
oder mordeten die Einwohnerschaft ohne jeglichen Vorwand.
Nach dieser Heldenthat, die etwa 20000 Menschen das Leben ge-
kostet haben soll, ging der Marsch weiter. Weit und breit stan-
den die Dörfer und Ortschaften leer; oder schlossen, wie das
feste Intercatia und die Hauptstadt der Vaccaeer Pallantia (Pa-

DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
in Corduba überwinterte, ruhten auf der ganzen Halbinsel die Waf-
fen. Inzwischen ward in Rom über den Frieden mit den Areva-
kern verhandelt. Es ist bezeichnend für die inneren Verhältnisse
Spaniens, daſs vornämlich die Sendlinge der bei den Arevakern
bestehenden römischen Partei in Rom die Verwerfung der Frie-
densvorschläge durchsetzten, indem sie vorstellten, daſs, wenn
man die römisch gesinnten Spanier nicht preisgeben wolle, nur
die Wahl bleibe entweder jährlich einen Consul mit entsprechen-
dem Heer nach der Halbinsel zu senden oder jetzt ein nach-
drückliches Exempel zu statuiren. In Folge dessen wurden die
Boten der Arevaker ohne entscheidende Antwort verabschiedet
und die energische Fortsetzung des Krieges beschlossen. Mar-
cellus sah sich demnach genöthigt im folgenden Frühjahr (603)
den Krieg gegen die Arevaker wieder zu beginnen. Indeſs sei es
nun, wie behauptet wird, daſs er den Ruhm den Krieg beendigt
zu haben, seinem bald zu erwartenden Nachfolger nicht gönnte,
sei es, was vielleicht wahrscheinlicher ist, daſs er gleich Gracchus
in der milden Behandlung der Spanier die erste Bedingung eines
dauerhaften Friedens sah — nach einer geheimen Zusammen-
kunft des römischen Feldherrn mit den einfluſsreichsten Män-
nern der Arevaker kam unter den Mauern von Numantia ein
Tractat zu Stande, durch den die Arevaker den Römern sich auf
Gnade und Ungnade ergaben, aber unter Verpflichtung zu Geld-
zahlung und Geiſselstellung in ihre bisherigen vertragsmäſsigen
Rechte wieder eingesetzt wurden. — Als der neue Oberfeldherr,
der Consul Lucius Lucullus bei dem Heere eintraf, fand er den
Krieg, den zu führen er gekommen war, bereits durch förmlichen
Friedensschluss beendigt und seine Hoffnungen Ehre und vor
Allem Geld aus Spanien heimzubringen schienen vereitelt. In-
deſs dafür gab es Rath. Auf eigene Hand griff Lucullus die
westlichen Nachbaren der Arevaker, die Vaccaeer an, eine noch
unabhängige keltiberische Nation, die mit den Römern im besten
Einvernehmen lebte. Auf die Frage der Spanier, was sie denn
gefehlt hätten, war die Antwort der Ueberfall der Stadt Cauca
(Coca 8 Leguas westlich von Segovia); und als die erschreckte
Stadt mit schweren Geldopfern die Capitulation erkauft zu haben
meinte, rückten römische Truppen in die Stadt und knechteten
oder mordeten die Einwohnerschaft ohne jeglichen Vorwand.
Nach dieser Heldenthat, die etwa 20000 Menschen das Leben ge-
kostet haben soll, ging der Marsch weiter. Weit und breit stan-
den die Dörfer und Ortschaften leer; oder schlossen, wie das
feste Intercatia und die Hauptstadt der Vaccaeer Pallantia (Pa-

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[7/0017] DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. in Corduba überwinterte, ruhten auf der ganzen Halbinsel die Waf- fen. Inzwischen ward in Rom über den Frieden mit den Areva- kern verhandelt. Es ist bezeichnend für die inneren Verhältnisse Spaniens, daſs vornämlich die Sendlinge der bei den Arevakern bestehenden römischen Partei in Rom die Verwerfung der Frie- densvorschläge durchsetzten, indem sie vorstellten, daſs, wenn man die römisch gesinnten Spanier nicht preisgeben wolle, nur die Wahl bleibe entweder jährlich einen Consul mit entsprechen- dem Heer nach der Halbinsel zu senden oder jetzt ein nach- drückliches Exempel zu statuiren. In Folge dessen wurden die Boten der Arevaker ohne entscheidende Antwort verabschiedet und die energische Fortsetzung des Krieges beschlossen. Mar- cellus sah sich demnach genöthigt im folgenden Frühjahr (603) den Krieg gegen die Arevaker wieder zu beginnen. Indeſs sei es nun, wie behauptet wird, daſs er den Ruhm den Krieg beendigt zu haben, seinem bald zu erwartenden Nachfolger nicht gönnte, sei es, was vielleicht wahrscheinlicher ist, daſs er gleich Gracchus in der milden Behandlung der Spanier die erste Bedingung eines dauerhaften Friedens sah — nach einer geheimen Zusammen- kunft des römischen Feldherrn mit den einfluſsreichsten Män- nern der Arevaker kam unter den Mauern von Numantia ein Tractat zu Stande, durch den die Arevaker den Römern sich auf Gnade und Ungnade ergaben, aber unter Verpflichtung zu Geld- zahlung und Geiſselstellung in ihre bisherigen vertragsmäſsigen Rechte wieder eingesetzt wurden. — Als der neue Oberfeldherr, der Consul Lucius Lucullus bei dem Heere eintraf, fand er den Krieg, den zu führen er gekommen war, bereits durch förmlichen Friedensschluss beendigt und seine Hoffnungen Ehre und vor Allem Geld aus Spanien heimzubringen schienen vereitelt. In- deſs dafür gab es Rath. Auf eigene Hand griff Lucullus die westlichen Nachbaren der Arevaker, die Vaccaeer an, eine noch unabhängige keltiberische Nation, die mit den Römern im besten Einvernehmen lebte. Auf die Frage der Spanier, was sie denn gefehlt hätten, war die Antwort der Ueberfall der Stadt Cauca (Coca 8 Leguas westlich von Segovia); und als die erschreckte Stadt mit schweren Geldopfern die Capitulation erkauft zu haben meinte, rückten römische Truppen in die Stadt und knechteten oder mordeten die Einwohnerschaft ohne jeglichen Vorwand. Nach dieser Heldenthat, die etwa 20000 Menschen das Leben ge- kostet haben soll, ging der Marsch weiter. Weit und breit stan- den die Dörfer und Ortschaften leer; oder schlossen, wie das feste Intercatia und die Hauptstadt der Vaccaeer Pallantia (Pa-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/17>, abgerufen am 28.03.2024.