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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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KAPITEL VIII.
Der Osten und König Mithradates.

Die athemlose Spannung, in welcher die Revolution mit
ihrem ewig sich erneuernden Feuerlärm und Löschungsruf die
römische Regierung erhielt, war die Ursache, dass dieselbe die
Provinzialverhältnisse überhaupt aus den Augen verlor, am mei-
sten aber die des asiatischen Ostens, dessen ferne und unkrie-
gerische Nationen nicht so unmittelbar wie Africa, Spanien und
die transalpinischen Nachbarn der Beachtung der Regierung sich
aufdrängten. Nach der Einziehung des attalischen Königreiches,
die mit dem Ausbruch der Revolution zusammenfällt, ist ein vol-
les Menschenalter hindurch kaum irgend eine ernstliche Bethei-
ligung Roms an den orientalischen Angelegenheiten nachzuwei-
sen, mit Ausnahme der durch die masslose Dreistigkeit der kili-
kischen Piraterie den Römern abgedrungenen Einrichtung der
Provinz Kilikien im J. 652 (S. 127), welche der Sache nach
auch nichts weiter war als die Anordnung einer bleibenden Sta-
tion für eine kleine römische Heer- und Flottenabtheilung in den
östlichen Gewässern. Erst nachdem die marianische Katastrophe
im J. 654 die Restaurationsregierung einigermassen consolidirt
hatte, begann die römische Regierung aufs Neue den Ereignissen
im Osten einige Aufmerksamkeit zuzuwenden.

In vieler Hinsicht waren die Verhältnisse noch dieselben wie
ein Menschenalter zuvor. Das Reich Aegypten mit seinen beiden
Nebenländern Kyrene und Kypros löste mit dem Tode Euerge-
tes II. (637) theils rechtlich, theils factisch sich auf. Kyrene kam
an den natürlichen Sohn desselben Ptolemaeos Apion und trennte

KAPITEL VIII.
Der Osten und König Mithradates.

Die athemlose Spannung, in welcher die Revolution mit
ihrem ewig sich erneuernden Feuerlärm und Löschungsruf die
römische Regierung erhielt, war die Ursache, daſs dieselbe die
Provinzialverhältnisse überhaupt aus den Augen verlor, am mei-
sten aber die des asiatischen Ostens, dessen ferne und unkrie-
gerische Nationen nicht so unmittelbar wie Africa, Spanien und
die transalpinischen Nachbarn der Beachtung der Regierung sich
aufdrängten. Nach der Einziehung des attalischen Königreiches,
die mit dem Ausbruch der Revolution zusammenfällt, ist ein vol-
les Menschenalter hindurch kaum irgend eine ernstliche Bethei-
ligung Roms an den orientalischen Angelegenheiten nachzuwei-
sen, mit Ausnahme der durch die maſslose Dreistigkeit der kili-
kischen Piraterie den Römern abgedrungenen Einrichtung der
Provinz Kilikien im J. 652 (S. 127), welche der Sache nach
auch nichts weiter war als die Anordnung einer bleibenden Sta-
tion für eine kleine römische Heer- und Flottenabtheilung in den
östlichen Gewässern. Erst nachdem die marianische Katastrophe
im J. 654 die Restaurationsregierung einigermaſsen consolidirt
hatte, begann die römische Regierung aufs Neue den Ereignissen
im Osten einige Aufmerksamkeit zuzuwenden.

In vieler Hinsicht waren die Verhältnisse noch dieselben wie
ein Menschenalter zuvor. Das Reich Aegypten mit seinen beiden
Nebenländern Kyrene und Kypros löste mit dem Tode Euerge-
tes II. (637) theils rechtlich, theils factisch sich auf. Kyrene kam
an den natürlichen Sohn desselben Ptolemaeos Apion und trennte

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[[253]/0263] KAPITEL VIII. Der Osten und König Mithradates. Die athemlose Spannung, in welcher die Revolution mit ihrem ewig sich erneuernden Feuerlärm und Löschungsruf die römische Regierung erhielt, war die Ursache, daſs dieselbe die Provinzialverhältnisse überhaupt aus den Augen verlor, am mei- sten aber die des asiatischen Ostens, dessen ferne und unkrie- gerische Nationen nicht so unmittelbar wie Africa, Spanien und die transalpinischen Nachbarn der Beachtung der Regierung sich aufdrängten. Nach der Einziehung des attalischen Königreiches, die mit dem Ausbruch der Revolution zusammenfällt, ist ein vol- les Menschenalter hindurch kaum irgend eine ernstliche Bethei- ligung Roms an den orientalischen Angelegenheiten nachzuwei- sen, mit Ausnahme der durch die maſslose Dreistigkeit der kili- kischen Piraterie den Römern abgedrungenen Einrichtung der Provinz Kilikien im J. 652 (S. 127), welche der Sache nach auch nichts weiter war als die Anordnung einer bleibenden Sta- tion für eine kleine römische Heer- und Flottenabtheilung in den östlichen Gewässern. Erst nachdem die marianische Katastrophe im J. 654 die Restaurationsregierung einigermaſsen consolidirt hatte, begann die römische Regierung aufs Neue den Ereignissen im Osten einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. In vieler Hinsicht waren die Verhältnisse noch dieselben wie ein Menschenalter zuvor. Das Reich Aegypten mit seinen beiden Nebenländern Kyrene und Kypros löste mit dem Tode Euerge- tes II. (637) theils rechtlich, theils factisch sich auf. Kyrene kam an den natürlichen Sohn desselben Ptolemaeos Apion und trennte

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/263>, abgerufen am 20.04.2024.