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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
vertheidigten Städte der Lusitaner wurden durch ihn bezwungen
und die bis dahin unabhängigen Gallaeker nach einer grossen
Schlacht, in der ihrer 50000 gefallen sein sollen, mit der römi-
schen Provinz vereinigt. Nach Unterwerfung der Vaccaeer, Lu-
sitaner und Gallaeker war jetzt mit Ausnahme der Nordküste
die ganze Halbinsel wenigstens dem Namen nach den Römern
unterthan; es erschien eine senatorische Commission um im Ein-
vernehmen mit Scipio das neu gewonnene Provinzialgebiet rö-
misch zu ordnen, und Scipio that was er konnte um die Folgen
der ehr- und kopflosen Politik seiner Vorgänger zu beseitigen,
wie denn zum Beispiel die Kaukaeer, deren schmachvolle Miss-
handlung durch Lucullus er neunzehn Jahre zuvor als Kriegs-
tribun mit hatte ansehen müssen, von ihm eingeladen wur-
den in ihre Stadt zurückzukehren und sie wieder aufzubauen.
Es begann wiederum für Spanien eine bessere Zeit. Die Un-
terdrückung des Seeraubes, der auf den Balearen gefährliche
Schlupfwinkel fand, durch Quintus Caecilius Metellus Besetzung
dieser Inseln im J. 631 war dem Aufblühen des spanischen
Handels ungemein förderlich und auch sonst waren die frucht-
baren und von einer dichten in der Schleuderkunst unüber-
troffenen Bevölkerung bewohnten Inseln ein werthvoller Be-
sitz. Wie zahlreich schon damals die lateinisch redende Bevölke-
rung auf der Halbinsel war, beweist die Ansiedlung von 3000
spanischen Lateinern in den Städten Palma und Pollentia (Pol-
lenza) auf den neugewonnenen Inseln. Trotz mancher schwerer
Missstände bewahrte die römische Verwaltung Spaniens im Gan-
zen den Stempel, den die catonische Zeit und zunächst Tiberius
Gracchus ihr aufgeprägt hatten. Das spanische Gebiet der Rö-
mer hatte zwar von den Ueberfällen der halb oder gar nicht be-
zwungenen Stämme des Nordens und Westens nicht wenig zu
leiden; bei den Lusitanern namentlich that die ärmere Jugend re-
gelmässig sich in Räuberbanden zusammen und brandschatzte in
hellen Haufen die Landsleute oder die Nachbarn, wesshalb noch
in viel späterer Zeit die einzeln gelegenen Bauerhöfe in dieser
Gegend festungsartig angelegt und im Nothfall vertheidigungs-
fähig waren. Es gelang den Römern nicht diesem Räuberwesen
in den unwirthlichen und schwer zugänglichen lusitanischen Ber-
gen ein Ende zu machen. Aber die bisherigen Grenzkriege nah-
men doch mehr und mehr den Charakter des Bandenunfugs an,
den jeder leidlich tüchtige Statthalter mit den gewöhnlichen Mit-
teln niederzuhalten vermochte, und trotz dieser Heimsuchung war
Spanien unter allen römischen Gebieten das blühendste und am

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
vertheidigten Städte der Lusitaner wurden durch ihn bezwungen
und die bis dahin unabhängigen Gallaeker nach einer groſsen
Schlacht, in der ihrer 50000 gefallen sein sollen, mit der römi-
schen Provinz vereinigt. Nach Unterwerfung der Vaccaeer, Lu-
sitaner und Gallaeker war jetzt mit Ausnahme der Nordküste
die ganze Halbinsel wenigstens dem Namen nach den Römern
unterthan; es erschien eine senatorische Commission um im Ein-
vernehmen mit Scipio das neu gewonnene Provinzialgebiet rö-
misch zu ordnen, und Scipio that was er konnte um die Folgen
der ehr- und kopflosen Politik seiner Vorgänger zu beseitigen,
wie denn zum Beispiel die Kaukaeer, deren schmachvolle Miſs-
handlung durch Lucullus er neunzehn Jahre zuvor als Kriegs-
tribun mit hatte ansehen müssen, von ihm eingeladen wur-
den in ihre Stadt zurückzukehren und sie wieder aufzubauen.
Es begann wiederum für Spanien eine bessere Zeit. Die Un-
terdrückung des Seeraubes, der auf den Balearen gefährliche
Schlupfwinkel fand, durch Quintus Caecilius Metellus Besetzung
dieser Inseln im J. 631 war dem Aufblühen des spanischen
Handels ungemein förderlich und auch sonst waren die frucht-
baren und von einer dichten in der Schleuderkunst unüber-
troffenen Bevölkerung bewohnten Inseln ein werthvoller Be-
sitz. Wie zahlreich schon damals die lateinisch redende Bevölke-
rung auf der Halbinsel war, beweist die Ansiedlung von 3000
spanischen Lateinern in den Städten Palma und Pollentia (Pol-
lenza) auf den neugewonnenen Inseln. Trotz mancher schwerer
Miſsstände bewahrte die römische Verwaltung Spaniens im Gan-
zen den Stempel, den die catonische Zeit und zunächst Tiberius
Gracchus ihr aufgeprägt hatten. Das spanische Gebiet der Rö-
mer hatte zwar von den Ueberfällen der halb oder gar nicht be-
zwungenen Stämme des Nordens und Westens nicht wenig zu
leiden; bei den Lusitanern namentlich that die ärmere Jugend re-
gelmäſsig sich in Räuberbanden zusammen und brandschatzte in
hellen Haufen die Landsleute oder die Nachbarn, weſshalb noch
in viel späterer Zeit die einzeln gelegenen Bauerhöfe in dieser
Gegend festungsartig angelegt und im Nothfall vertheidigungs-
fähig waren. Es gelang den Römern nicht diesem Räuberwesen
in den unwirthlichen und schwer zugänglichen lusitanischen Ber-
gen ein Ende zu machen. Aber die bisherigen Grenzkriege nah-
men doch mehr und mehr den Charakter des Bandenunfugs an,
den jeder leidlich tüchtige Statthalter mit den gewöhnlichen Mit-
teln niederzuhalten vermochte, und trotz dieser Heimsuchung war
Spanien unter allen römischen Gebieten das blühendste und am

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[18/0028] VIERTES BUCH. KAPITEL I. vertheidigten Städte der Lusitaner wurden durch ihn bezwungen und die bis dahin unabhängigen Gallaeker nach einer groſsen Schlacht, in der ihrer 50000 gefallen sein sollen, mit der römi- schen Provinz vereinigt. Nach Unterwerfung der Vaccaeer, Lu- sitaner und Gallaeker war jetzt mit Ausnahme der Nordküste die ganze Halbinsel wenigstens dem Namen nach den Römern unterthan; es erschien eine senatorische Commission um im Ein- vernehmen mit Scipio das neu gewonnene Provinzialgebiet rö- misch zu ordnen, und Scipio that was er konnte um die Folgen der ehr- und kopflosen Politik seiner Vorgänger zu beseitigen, wie denn zum Beispiel die Kaukaeer, deren schmachvolle Miſs- handlung durch Lucullus er neunzehn Jahre zuvor als Kriegs- tribun mit hatte ansehen müssen, von ihm eingeladen wur- den in ihre Stadt zurückzukehren und sie wieder aufzubauen. Es begann wiederum für Spanien eine bessere Zeit. Die Un- terdrückung des Seeraubes, der auf den Balearen gefährliche Schlupfwinkel fand, durch Quintus Caecilius Metellus Besetzung dieser Inseln im J. 631 war dem Aufblühen des spanischen Handels ungemein förderlich und auch sonst waren die frucht- baren und von einer dichten in der Schleuderkunst unüber- troffenen Bevölkerung bewohnten Inseln ein werthvoller Be- sitz. Wie zahlreich schon damals die lateinisch redende Bevölke- rung auf der Halbinsel war, beweist die Ansiedlung von 3000 spanischen Lateinern in den Städten Palma und Pollentia (Pol- lenza) auf den neugewonnenen Inseln. Trotz mancher schwerer Miſsstände bewahrte die römische Verwaltung Spaniens im Gan- zen den Stempel, den die catonische Zeit und zunächst Tiberius Gracchus ihr aufgeprägt hatten. Das spanische Gebiet der Rö- mer hatte zwar von den Ueberfällen der halb oder gar nicht be- zwungenen Stämme des Nordens und Westens nicht wenig zu leiden; bei den Lusitanern namentlich that die ärmere Jugend re- gelmäſsig sich in Räuberbanden zusammen und brandschatzte in hellen Haufen die Landsleute oder die Nachbarn, weſshalb noch in viel späterer Zeit die einzeln gelegenen Bauerhöfe in dieser Gegend festungsartig angelegt und im Nothfall vertheidigungs- fähig waren. Es gelang den Römern nicht diesem Räuberwesen in den unwirthlichen und schwer zugänglichen lusitanischen Ber- gen ein Ende zu machen. Aber die bisherigen Grenzkriege nah- men doch mehr und mehr den Charakter des Bandenunfugs an, den jeder leidlich tüchtige Statthalter mit den gewöhnlichen Mit- teln niederzuhalten vermochte, und trotz dieser Heimsuchung war Spanien unter allen römischen Gebieten das blühendste und am

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/28>, abgerufen am 29.03.2024.