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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.

Einzig er ist ein Mann, die andern sind wandelnde Schatten*.

Ueber diese Vorgänge war der Jahresschluss und damit
der Commandowechsel herangekommen: ziemlich spät erschien
der Consul Lucius Piso (606) und übernahm den Oberbefehl des
Landheers so wie Lucius Mancinus den der Flotte. Indess hatten
die Vorgänger wenig geleistet, so geschah nun gar nichts. Statt
mit der Belagerung Karthagos oder der Vernichtung der Armee
Hasdrubals beschäftigte Piso sich damit die kleinen phönikischen
Seestädte anzugreifen und auch dies war meist ohne Erfolg, wie
zum Beispiel Clupea ihn zurückschlug und er von Hippo Diarrhy-
tos, nachdem er den ganzen Sommer davor verloren hatte und
das Belagerungsgeräth ihm zweimal verbrannt worden war, schimpf-
lich abziehen musste. Neapolis ward zwar genommen; aber
die Plünderung der Stadt gegen das gegebene Ehrenwort
war auch dem Fortgang der römischen Waffen nicht sonderlich
günstig. Der Muth der Karthager stieg. Ein numidischer Scheik
Bithyas ging mit 800 Pferden zu ihnen über; karthagische Ge-
sandte konnten es versuchen mit den Königen von Numidien und
Mauretanien, ja mit dem falschen Philippos von Makedonien Ver-
bindungen einzuleiten. Vielleicht mehr die inneren Intriguen --
Hasdrubal der Samnite verdächtigte den gleichnamigen Feldherrn,
der in der Stadt befehligte, wegen seiner Verwandtschaft mit
Massinissa und liess ihn im Rathhause erschlagen -- als die Thä-
tigkeit der Römer verhinderten eine für Karthago noch günsti-
gere Wendung der Dinge. So griff man in Rom, um dem be-
sorglichen Stand der africanischen Angelegenheiten Wandel zu
schaffen, zu der ausserordentlichen Massregel dem einzigen Mann,
der bis jetzt von den libyschen Feldern Ehre heimgebracht hatte
und den sein Name selbst für diesen Krieg empfahl, dem Scipio
statt der Aedilität, um die er sich bewarb, mit Beseitigung der
Altersgesetze vor der Zeit das Consulat und durch besonderen
Beschluss die Führung des africanischen Kriegs zu übertragen.
Er traf (607) in Utica in einem Augenblick ein, wo viel auf dem
Spiel stand. Der römische Admiral Mancinus, der von Piso mit
der nominellen Fortsetzung der Belagerung der Hauptstadt be-
auftragt war, hatte an der schwer zugänglichen Seeseite der
Aussenstadt Magalia eine steile von dem bewohnten Bezirk weit
entlegene und kaum vertheidigte Klippe fast mit seiner gesamm-

* Oios pepnutai, toi de skiai aissousin.
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.

Einzig er ist ein Mann, die andern sind wandelnde Schatten*.

Ueber diese Vorgänge war der Jahresschluſs und damit
der Commandowechsel herangekommen: ziemlich spät erschien
der Consul Lucius Piso (606) und übernahm den Oberbefehl des
Landheers so wie Lucius Mancinus den der Flotte. Indeſs hatten
die Vorgänger wenig geleistet, so geschah nun gar nichts. Statt
mit der Belagerung Karthagos oder der Vernichtung der Armee
Hasdrubals beschäftigte Piso sich damit die kleinen phönikischen
Seestädte anzugreifen und auch dies war meist ohne Erfolg, wie
zum Beispiel Clupea ihn zurückschlug und er von Hippo Diarrhy-
tos, nachdem er den ganzen Sommer davor verloren hatte und
das Belagerungsgeräth ihm zweimal verbrannt worden war, schimpf-
lich abziehen musste. Neapolis ward zwar genommen; aber
die Plünderung der Stadt gegen das gegebene Ehrenwort
war auch dem Fortgang der römischen Waffen nicht sonderlich
günstig. Der Muth der Karthager stieg. Ein numidischer Scheik
Bithyas ging mit 800 Pferden zu ihnen über; karthagische Ge-
sandte konnten es versuchen mit den Königen von Numidien und
Mauretanien, ja mit dem falschen Philippos von Makedonien Ver-
bindungen einzuleiten. Vielleicht mehr die inneren Intriguen —
Hasdrubal der Samnite verdächtigte den gleichnamigen Feldherrn,
der in der Stadt befehligte, wegen seiner Verwandtschaft mit
Massinissa und lieſs ihn im Rathhause erschlagen — als die Thä-
tigkeit der Römer verhinderten eine für Karthago noch günsti-
gere Wendung der Dinge. So griff man in Rom, um dem be-
sorglichen Stand der africanischen Angelegenheiten Wandel zu
schaffen, zu der auſserordentlichen Maſsregel dem einzigen Mann,
der bis jetzt von den libyschen Feldern Ehre heimgebracht hatte
und den sein Name selbst für diesen Krieg empfahl, dem Scipio
statt der Aedilität, um die er sich bewarb, mit Beseitigung der
Altersgesetze vor der Zeit das Consulat und durch besonderen
Beschluſs die Führung des africanischen Kriegs zu übertragen.
Er traf (607) in Utica in einem Augenblick ein, wo viel auf dem
Spiel stand. Der römische Admiral Mancinus, der von Piso mit
der nominellen Fortsetzung der Belagerung der Hauptstadt be-
auftragt war, hatte an der schwer zugänglichen Seeseite der
Auſsenstadt Magalia eine steile von dem bewohnten Bezirk weit
entlegene und kaum vertheidigte Klippe fast mit seiner gesamm-

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[31/0041] DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. Einzig er ist ein Mann, die andern sind wandelnde Schatten *. Ueber diese Vorgänge war der Jahresschluſs und damit der Commandowechsel herangekommen: ziemlich spät erschien der Consul Lucius Piso (606) und übernahm den Oberbefehl des Landheers so wie Lucius Mancinus den der Flotte. Indeſs hatten die Vorgänger wenig geleistet, so geschah nun gar nichts. Statt mit der Belagerung Karthagos oder der Vernichtung der Armee Hasdrubals beschäftigte Piso sich damit die kleinen phönikischen Seestädte anzugreifen und auch dies war meist ohne Erfolg, wie zum Beispiel Clupea ihn zurückschlug und er von Hippo Diarrhy- tos, nachdem er den ganzen Sommer davor verloren hatte und das Belagerungsgeräth ihm zweimal verbrannt worden war, schimpf- lich abziehen musste. Neapolis ward zwar genommen; aber die Plünderung der Stadt gegen das gegebene Ehrenwort war auch dem Fortgang der römischen Waffen nicht sonderlich günstig. Der Muth der Karthager stieg. Ein numidischer Scheik Bithyas ging mit 800 Pferden zu ihnen über; karthagische Ge- sandte konnten es versuchen mit den Königen von Numidien und Mauretanien, ja mit dem falschen Philippos von Makedonien Ver- bindungen einzuleiten. Vielleicht mehr die inneren Intriguen — Hasdrubal der Samnite verdächtigte den gleichnamigen Feldherrn, der in der Stadt befehligte, wegen seiner Verwandtschaft mit Massinissa und lieſs ihn im Rathhause erschlagen — als die Thä- tigkeit der Römer verhinderten eine für Karthago noch günsti- gere Wendung der Dinge. So griff man in Rom, um dem be- sorglichen Stand der africanischen Angelegenheiten Wandel zu schaffen, zu der auſserordentlichen Maſsregel dem einzigen Mann, der bis jetzt von den libyschen Feldern Ehre heimgebracht hatte und den sein Name selbst für diesen Krieg empfahl, dem Scipio statt der Aedilität, um die er sich bewarb, mit Beseitigung der Altersgesetze vor der Zeit das Consulat und durch besonderen Beschluſs die Führung des africanischen Kriegs zu übertragen. Er traf (607) in Utica in einem Augenblick ein, wo viel auf dem Spiel stand. Der römische Admiral Mancinus, der von Piso mit der nominellen Fortsetzung der Belagerung der Hauptstadt be- auftragt war, hatte an der schwer zugänglichen Seeseite der Auſsenstadt Magalia eine steile von dem bewohnten Bezirk weit entlegene und kaum vertheidigte Klippe fast mit seiner gesamm- * Οἶος πέπνυται, τοὶ δὲ σϰιαὶ ἀίσσουσιν.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/41>, abgerufen am 19.04.2024.