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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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LEPIDUS UND SERTORIUS.
die Beharrlichkeit, mit der er rang alles zu besitzen und alles zu
bedeuten. Vor allen Dingen warf er sich in die Speculation.
Güterkäufe während der Revolution begründeten sein Vermögen;
aber er verschmähte keinen Erwerbszweig: er betrieb das Bau-
geschäft in der Hauptstadt ebenso grossartig wie vorsichtig; er
ging mit seinen Freigelassenen bei den mannigfaltigsten Unter-
nehmungen in Compagnie; er machte in und ausser Rom, selbst
oder durch seine Leute, den Banquier; er schoss seinen Collegen
im Senat Geld vor und unternahm es für ihre Rechnung wie es
fiel Arbeiten auszuführen oder Richtercollegien zu bestechen.
Wählerisch im Profitmachen war er eben nicht. Schon bei den
sullanischen Aechtungen war ihm eine Fälschung in den Listen
nachgewiesen worden, wesshalb Sulla sich von da an in Staats-
geschäften seiner nicht weiter bedient hatte; die Erbschaft nahm
er darum nicht weniger, weil die Testamentsurkunde, in der sein
Name stand, notorisch gefälscht war; er hatte nichts dagegen,
wenn seine Meier die kleinen Anlieger ihres Herrn von ihren
Ländereien gewaltsam oder heimlich verdrängten. Uebrigens ver-
mied er offene Collisionen mit der Criminaljustiz und lebte als
echter Geldmann selbst bürgerlich und einfach. Auf diesem Wege
ward Crassus binnen wenig Jahren aus einem Mann von gewöhn-
lichem senatorischen der Herr eines Vermögens, das nicht lange
vor seinem Tode nach Bestreitung ungeheurer ausserordentli-
cher Ausgaben sich noch auf 170 Mill. Sesterzen (12 Mill.
Thlr.) belief: er war der reichste Römer geworden und damit
zugleich eine politische Grösse. Wenn nach seiner Aeusserung
Niemand sich reich nennen durfte, der nicht aus seinen Zinsen
ein Kriegsheer zu unterhalten vermochte, so war, wer dies ver-
mochte, kaum noch ein blosser Bürger. In der That war Crassus
Blick auf ein höheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der gefüll-
testen Geldkiste in Rom. Er liess es sich keine Mühe verdriessen
seine Verbindungen auszudehnen. Jeden Bürger der Hauptstadt
wusste er beim Namen zu grüssen. Keinem Bittenden versagte
er seinen Beistand vor Gericht. Zwar die Natur hatte nicht viel
für ihn als Sprecher gethan: seine Rede war trocken, der Vor-
trag eintönig, er hörte schwer; aber sein zäher Sinn, den keine
Langeweile abschreckte, wie kein Genuss ihn anzog, überwand
die Hindernisse. Nie erschien er unvorbereitet, nie extemporirte
er und so ward er ein allzeit gesuchter und allzeit fertiger An-
walt, dem es keinen Eintrag that, dass ihm nicht leicht eine
Sache zu schlecht war und dass er nicht bloss durch sein Wort,
sondern auch durch seine Verbindungen und vorkommenden

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die Beharrlichkeit, mit der er rang alles zu besitzen und alles zu
bedeuten. Vor allen Dingen warf er sich in die Speculation.
Güterkäufe während der Revolution begründeten sein Vermögen;
aber er verschmähte keinen Erwerbszweig: er betrieb das Bau-
geschäft in der Hauptstadt ebenso groſsartig wie vorsichtig; er
ging mit seinen Freigelassenen bei den mannigfaltigsten Unter-
nehmungen in Compagnie; er machte in und auſser Rom, selbst
oder durch seine Leute, den Banquier; er schoſs seinen Collegen
im Senat Geld vor und unternahm es für ihre Rechnung wie es
fiel Arbeiten auszuführen oder Richtercollegien zu bestechen.
Wählerisch im Profitmachen war er eben nicht. Schon bei den
sullanischen Aechtungen war ihm eine Fälschung in den Listen
nachgewiesen worden, weſshalb Sulla sich von da an in Staats-
geschäften seiner nicht weiter bedient hatte; die Erbschaft nahm
er darum nicht weniger, weil die Testamentsurkunde, in der sein
Name stand, notorisch gefälscht war; er hatte nichts dagegen,
wenn seine Meier die kleinen Anlieger ihres Herrn von ihren
Ländereien gewaltsam oder heimlich verdrängten. Uebrigens ver-
mied er offene Collisionen mit der Criminaljustiz und lebte als
echter Geldmann selbst bürgerlich und einfach. Auf diesem Wege
ward Crassus binnen wenig Jahren aus einem Mann von gewöhn-
lichem senatorischen der Herr eines Vermögens, das nicht lange
vor seinem Tode nach Bestreitung ungeheurer auſserordentli-
cher Ausgaben sich noch auf 170 Mill. Sesterzen (12 Mill.
Thlr.) belief: er war der reichste Römer geworden und damit
zugleich eine politische Gröſse. Wenn nach seiner Aeuſserung
Niemand sich reich nennen durfte, der nicht aus seinen Zinsen
ein Kriegsheer zu unterhalten vermochte, so war, wer dies ver-
mochte, kaum noch ein bloſser Bürger. In der That war Crassus
Blick auf ein höheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der gefüll-
testen Geldkiste in Rom. Er lieſs es sich keine Mühe verdrieſsen
seine Verbindungen auszudehnen. Jeden Bürger der Hauptstadt
wuſste er beim Namen zu grüſsen. Keinem Bittenden versagte
er seinen Beistand vor Gericht. Zwar die Natur hatte nicht viel
für ihn als Sprecher gethan: seine Rede war trocken, der Vor-
trag eintönig, er hörte schwer; aber sein zäher Sinn, den keine
Langeweile abschreckte, wie kein Genuſs ihn anzog, überwand
die Hindernisse. Nie erschien er unvorbereitet, nie extemporirte
er und so ward er ein allzeit gesuchter und allzeit fertiger An-
walt, dem es keinen Eintrag that, daſs ihm nicht leicht eine
Sache zu schlecht war und daſs er nicht bloſs durch sein Wort,
sondern auch durch seine Verbindungen und vorkommenden

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[13/0023] LEPIDUS UND SERTORIUS. die Beharrlichkeit, mit der er rang alles zu besitzen und alles zu bedeuten. Vor allen Dingen warf er sich in die Speculation. Güterkäufe während der Revolution begründeten sein Vermögen; aber er verschmähte keinen Erwerbszweig: er betrieb das Bau- geschäft in der Hauptstadt ebenso groſsartig wie vorsichtig; er ging mit seinen Freigelassenen bei den mannigfaltigsten Unter- nehmungen in Compagnie; er machte in und auſser Rom, selbst oder durch seine Leute, den Banquier; er schoſs seinen Collegen im Senat Geld vor und unternahm es für ihre Rechnung wie es fiel Arbeiten auszuführen oder Richtercollegien zu bestechen. Wählerisch im Profitmachen war er eben nicht. Schon bei den sullanischen Aechtungen war ihm eine Fälschung in den Listen nachgewiesen worden, weſshalb Sulla sich von da an in Staats- geschäften seiner nicht weiter bedient hatte; die Erbschaft nahm er darum nicht weniger, weil die Testamentsurkunde, in der sein Name stand, notorisch gefälscht war; er hatte nichts dagegen, wenn seine Meier die kleinen Anlieger ihres Herrn von ihren Ländereien gewaltsam oder heimlich verdrängten. Uebrigens ver- mied er offene Collisionen mit der Criminaljustiz und lebte als echter Geldmann selbst bürgerlich und einfach. Auf diesem Wege ward Crassus binnen wenig Jahren aus einem Mann von gewöhn- lichem senatorischen der Herr eines Vermögens, das nicht lange vor seinem Tode nach Bestreitung ungeheurer auſserordentli- cher Ausgaben sich noch auf 170 Mill. Sesterzen (12 Mill. Thlr.) belief: er war der reichste Römer geworden und damit zugleich eine politische Gröſse. Wenn nach seiner Aeuſserung Niemand sich reich nennen durfte, der nicht aus seinen Zinsen ein Kriegsheer zu unterhalten vermochte, so war, wer dies ver- mochte, kaum noch ein bloſser Bürger. In der That war Crassus Blick auf ein höheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der gefüll- testen Geldkiste in Rom. Er lieſs es sich keine Mühe verdrieſsen seine Verbindungen auszudehnen. Jeden Bürger der Hauptstadt wuſste er beim Namen zu grüſsen. Keinem Bittenden versagte er seinen Beistand vor Gericht. Zwar die Natur hatte nicht viel für ihn als Sprecher gethan: seine Rede war trocken, der Vor- trag eintönig, er hörte schwer; aber sein zäher Sinn, den keine Langeweile abschreckte, wie kein Genuſs ihn anzog, überwand die Hindernisse. Nie erschien er unvorbereitet, nie extemporirte er und so ward er ein allzeit gesuchter und allzeit fertiger An- walt, dem es keinen Eintrag that, daſs ihm nicht leicht eine Sache zu schlecht war und daſs er nicht bloſs durch sein Wort, sondern auch durch seine Verbindungen und vorkommenden

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/23>, abgerufen am 19.04.2024.