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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL. I.
nisch erklärend, dass der geleistete Eid nur für das laufende Jahr
ihn binde. Jetzt setzte der Senat die Orakelmaschine in Bewegung,
um ihn zur Rückkehr zu bestimmen und übertrug ihm die Lei-
tung der bevorstehenden Consulwahlen; allein Lepidus wich aus
und während die Boten desswegen kamen und gingen und über
Vergleichsvorschläge verhandelt ward, schwoll seine Mannschaft
zu einem Heer an. Endlich im Anfang des Jahrs 677 erging an
Lepidus der bestimmte Befehl des Senats ungesäumt zurückzu-
kehren; trotzig weigerte sich der Proconsul und forderte seiner-
seits die Erneuerung der ehemaligen tribunicischen Gewalt und
die Wiedereinsetzung der gewaltthätig Vertriebenen in ihr Bürger-
recht und ihr Eigenthum, überdies für sich die Wiederwahl zum
Consul für das laufende Jahr, das heisst die Tyrannis in gesetz-
licher Form. Damit war der Krieg erklärt. Die Senatspartei
konnte ausser auf die sullanischen Veteranen, deren bürgerliche
Existenz durch Lepidus bedroht ward, zählen auf das dem Catu-
lus für seine Provinz bewilligte und noch in Italien stehende
Heer. Auf die dringenden Mahnungen der Einsichtigeren, na-
mentlich des Philippus, ward die Vertheidigung der Hauptstadt
und die Abwehr der in Etrurien stehenden Hauptmacht der Demo-
kratenpartei vom Senat dem Proconsul Catulus übertragen, wäh-
rend Gnaeus Pompeius mit einem andern Haufen ausrückte, um
seinem ehemaligen Schützling das Pothal zu entreissen, das dessen
Unterbefehlshaber Marcus Brutus besetzt hielt. Während Pom-
peius rasch seinen Auftrag vollzog und den feindlichen Feldherrn
eng in Mutina einschloss, erschien Lepidus vor der Hauptstadt,
um wie einst Marius sie mit stürmender Hand für die Revolution
zu erobern. Das rechte Tiberufer gerieth ganz in seine Gewalt
und er konnte sogar den Fluss überschreiten; auf dem Marsfelde,
hart unter den Mauern der Stadt ward die entscheidende Schlacht
geschlagen. Allein in derselben siegte Catulus; Lepidus musste
zurückweichen nach Etrurien, während eine andere Abtheilung
unter Lepidus Sohn Scipio sich in die Festung Alba warf. Damit
war der Aufstand im Wesentlichen zu Ende. Mutina ergab sich
an Pompeius; Brutus wurde trotz des ihm zugestandenen siche-
ren Geleits nachträglich auf Befehl des Pompeius getödtet. Eben-
so ward Alba nach langer Belagerung durch Hunger bezwungen
und der Führer gleichfalls hingerichtet. Lepidus, durch Catulus und
Pompeius von zwei Seiten gedrängt, lieferte am etrurischen Ge-

Verfassung dem Consul verbiete während seines Amtsjahres Italien zu ver-
lassen.

FÜNFTES BUCH. KAPITEL. I.
nisch erklärend, daſs der geleistete Eid nur für das laufende Jahr
ihn binde. Jetzt setzte der Senat die Orakelmaschine in Bewegung,
um ihn zur Rückkehr zu bestimmen und übertrug ihm die Lei-
tung der bevorstehenden Consulwahlen; allein Lepidus wich aus
und während die Boten deſswegen kamen und gingen und über
Vergleichsvorschläge verhandelt ward, schwoll seine Mannschaft
zu einem Heer an. Endlich im Anfang des Jahrs 677 erging an
Lepidus der bestimmte Befehl des Senats ungesäumt zurückzu-
kehren; trotzig weigerte sich der Proconsul und forderte seiner-
seits die Erneuerung der ehemaligen tribunicischen Gewalt und
die Wiedereinsetzung der gewaltthätig Vertriebenen in ihr Bürger-
recht und ihr Eigenthum, überdies für sich die Wiederwahl zum
Consul für das laufende Jahr, das heiſst die Tyrannis in gesetz-
licher Form. Damit war der Krieg erklärt. Die Senatspartei
konnte auſser auf die sullanischen Veteranen, deren bürgerliche
Existenz durch Lepidus bedroht ward, zählen auf das dem Catu-
lus für seine Provinz bewilligte und noch in Italien stehende
Heer. Auf die dringenden Mahnungen der Einsichtigeren, na-
mentlich des Philippus, ward die Vertheidigung der Hauptstadt
und die Abwehr der in Etrurien stehenden Hauptmacht der Demo-
kratenpartei vom Senat dem Proconsul Catulus übertragen, wäh-
rend Gnaeus Pompeius mit einem andern Haufen ausrückte, um
seinem ehemaligen Schützling das Pothal zu entreiſsen, das dessen
Unterbefehlshaber Marcus Brutus besetzt hielt. Während Pom-
peius rasch seinen Auftrag vollzog und den feindlichen Feldherrn
eng in Mutina einschloſs, erschien Lepidus vor der Hauptstadt,
um wie einst Marius sie mit stürmender Hand für die Revolution
zu erobern. Das rechte Tiberufer gerieth ganz in seine Gewalt
und er konnte sogar den Fluſs überschreiten; auf dem Marsfelde,
hart unter den Mauern der Stadt ward die entscheidende Schlacht
geschlagen. Allein in derselben siegte Catulus; Lepidus muſste
zurückweichen nach Etrurien, während eine andere Abtheilung
unter Lepidus Sohn Scipio sich in die Festung Alba warf. Damit
war der Aufstand im Wesentlichen zu Ende. Mutina ergab sich
an Pompeius; Brutus wurde trotz des ihm zugestandenen siche-
ren Geleits nachträglich auf Befehl des Pompeius getödtet. Eben-
so ward Alba nach langer Belagerung durch Hunger bezwungen
und der Führer gleichfalls hingerichtet. Lepidus, durch Catulus und
Pompeius von zwei Seiten gedrängt, lieferte am etrurischen Ge-

Verfassung dem Consul verbiete während seines Amtsjahres Italien zu ver-
lassen.
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[22/0032] FÜNFTES BUCH. KAPITEL. I. nisch erklärend, daſs der geleistete Eid nur für das laufende Jahr ihn binde. Jetzt setzte der Senat die Orakelmaschine in Bewegung, um ihn zur Rückkehr zu bestimmen und übertrug ihm die Lei- tung der bevorstehenden Consulwahlen; allein Lepidus wich aus und während die Boten deſswegen kamen und gingen und über Vergleichsvorschläge verhandelt ward, schwoll seine Mannschaft zu einem Heer an. Endlich im Anfang des Jahrs 677 erging an Lepidus der bestimmte Befehl des Senats ungesäumt zurückzu- kehren; trotzig weigerte sich der Proconsul und forderte seiner- seits die Erneuerung der ehemaligen tribunicischen Gewalt und die Wiedereinsetzung der gewaltthätig Vertriebenen in ihr Bürger- recht und ihr Eigenthum, überdies für sich die Wiederwahl zum Consul für das laufende Jahr, das heiſst die Tyrannis in gesetz- licher Form. Damit war der Krieg erklärt. Die Senatspartei konnte auſser auf die sullanischen Veteranen, deren bürgerliche Existenz durch Lepidus bedroht ward, zählen auf das dem Catu- lus für seine Provinz bewilligte und noch in Italien stehende Heer. Auf die dringenden Mahnungen der Einsichtigeren, na- mentlich des Philippus, ward die Vertheidigung der Hauptstadt und die Abwehr der in Etrurien stehenden Hauptmacht der Demo- kratenpartei vom Senat dem Proconsul Catulus übertragen, wäh- rend Gnaeus Pompeius mit einem andern Haufen ausrückte, um seinem ehemaligen Schützling das Pothal zu entreiſsen, das dessen Unterbefehlshaber Marcus Brutus besetzt hielt. Während Pom- peius rasch seinen Auftrag vollzog und den feindlichen Feldherrn eng in Mutina einschloſs, erschien Lepidus vor der Hauptstadt, um wie einst Marius sie mit stürmender Hand für die Revolution zu erobern. Das rechte Tiberufer gerieth ganz in seine Gewalt und er konnte sogar den Fluſs überschreiten; auf dem Marsfelde, hart unter den Mauern der Stadt ward die entscheidende Schlacht geschlagen. Allein in derselben siegte Catulus; Lepidus muſste zurückweichen nach Etrurien, während eine andere Abtheilung unter Lepidus Sohn Scipio sich in die Festung Alba warf. Damit war der Aufstand im Wesentlichen zu Ende. Mutina ergab sich an Pompeius; Brutus wurde trotz des ihm zugestandenen siche- ren Geleits nachträglich auf Befehl des Pompeius getödtet. Eben- so ward Alba nach langer Belagerung durch Hunger bezwungen und der Führer gleichfalls hingerichtet. Lepidus, durch Catulus und Pompeius von zwei Seiten gedrängt, lieferte am etrurischen Ge- * * Verfassung dem Consul verbiete während seines Amtsjahres Italien zu ver- lassen.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/32>, abgerufen am 29.03.2024.