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Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.

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Poetico.
ac e fabularum Scriptoribus Graecis, Lati-
nis, Italis.
Wodurch mir keine geringe
Begierde erwachsen/ dieses Buches hab-
hafft zu werden/ dann er eine ungemei-
ne Scharffsinnigkeit in erforschung des
Rhythmi in Carmine zeiget/ welches nie-
mand vor ihm in den Sinn gekommen.
Die alten Griechischen und Lateinischen
Poeten haben durch diesen Numerun ihre
Carmina unvergleichlich gemacht/ und je
mehr er von ihnen in acht genommen
worden/ je vortreflicher ist ihre dictio und
Elocutio gewesen. Dieses macht des
Homeri Poesie so herrlich: daher auch
Athenaeus davor hanlt/ daß keine Carmina
besser zu singen sein/ als die seinige. Vir-
gilius
ist im Lateinischen der Meister/ des-
sen unvergleichliches Urthel alle Worte
und Verse so abmißt/ daß man die Sa-
chen selbst vor Augen zu haben meinet.
Wer dieses begreiffen kan/ und den Vor-
zug/ den Virgilius in diesem Stücke vor
andern hat/ der hat einen vollkommenen
Verstand von der Lateinischen Poesi zu

ur-

Poetico.
ac è fabularum Scriptoribus Græcis, Lati-
nis, Italis.
Wodurch mir keine geringe
Begierde erwachſen/ dieſes Buches hab-
hafft zu werden/ dann er eine ungemei-
ne Scharffſinnigkeit in erforſchung des
Rhythmi in Carmine zeiget/ welches nie-
mand vor ihm in den Sinn gekommen.
Die alten Griechiſchen und Lateiniſchen
Poeten haben durch dieſen Numerũ ihre
Carmina unvergleichlich gemacht/ und je
mehr er von ihnen in acht genommen
wordẽ/ je vortreflicher iſt ihre dictio und
Elocutio geweſen. Dieſes macht des
Homeri Poeſie ſo herrlich: daher auch
Athenæus davor hālt/ daß keine Carmina
beſſer zu ſingen ſein/ als die ſeinige. Vir-
gilius
iſt im Lateiniſchen der Meiſter/ deſ-
ſen unvergleichliches Urthel alle Worte
und Verſe ſo abmißt/ daß man die Sa-
chen ſelbſt vor Augen zu haben meinet.
Wer dieſes begreiffen kan/ und den Vor-
zug/ den Virgilius in dieſem Stuͤcke vor
andern hat/ der hat einen vollkommenen
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[559/0571] Poetico. ac è fabularum Scriptoribus Græcis, Lati- nis, Italis. Wodurch mir keine geringe Begierde erwachſen/ dieſes Buches hab- hafft zu werden/ dann er eine ungemei- ne Scharffſinnigkeit in erforſchung des Rhythmi in Carmine zeiget/ welches nie- mand vor ihm in den Sinn gekommen. Die alten Griechiſchen und Lateiniſchen Poeten haben durch dieſen Numerũ ihre Carmina unvergleichlich gemacht/ und je mehr er von ihnen in acht genommen wordẽ/ je vortreflicher iſt ihre dictio und Elocutio geweſen. Dieſes macht des Homeri Poeſie ſo herrlich: daher auch Athenæus davor hālt/ daß keine Carmina beſſer zu ſingen ſein/ als die ſeinige. Vir- gilius iſt im Lateiniſchen der Meiſter/ deſ- ſen unvergleichliches Urthel alle Worte und Verſe ſo abmißt/ daß man die Sa- chen ſelbſt vor Augen zu haben meinet. Wer dieſes begreiffen kan/ und den Vor- zug/ den Virgilius in dieſem Stuͤcke vor andern hat/ der hat einen vollkommenen Verſtand von der Lateiniſchen Poeſi zu ur-

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Zitationshilfe: Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/571>, abgerufen am 25.04.2024.