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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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Er gab auf alles sehr ordentliche und passende
Antworten, nur wenn es auf die Wunder kam, so
blieb er bei seiner alten Meinung, vertheidigte aber
dieselbe nicht hartnäckig, sondern versicherte, wenn
er zu Hause käme, und fände, daß es sich nicht so
verhielte, wie er gedacht hätte, so wolle er gern
zugeben, daß er sich geirrt haben könnte. Auch
habe er auf die Weise schon einmal einen Jrrthum
eingesehen, indem er eine dortige alte Frau für eine
Hexe hielt, nachher aber fand, daß er ihr Unrecht
gethan hatte. Endlich wünschte er nichts mehr,
als zu seiner Frau und Kindern nach Hause zu kom-
men, wo er sich redlich nähren, friedlich leben, und
keinen Menschen mehr beunruhigen wolle. Wor-
auf der Herr Doktor Pihl sein Gutachten gab, daß
dieser Mensch ohne Gefahr entlassen, und wieder
in seine Heimath geschickt werden könne.



VI.
Geschichte des Kindermörders J. F.
D. Seybell.

Dieser Seybell wurde vom vierten bis zum zwei-
undzwanzigsten Jahre im großen Waisenhause zu
Potsdam erzogen, wo er das Schneiderhandwerk
lernte, und war nach den Zeugniß aller, die ihn

kann-

Er gab auf alles sehr ordentliche und passende
Antworten, nur wenn es auf die Wunder kam, so
blieb er bei seiner alten Meinung, vertheidigte aber
dieselbe nicht hartnaͤckig, sondern versicherte, wenn
er zu Hause kaͤme, und faͤnde, daß es sich nicht so
verhielte, wie er gedacht haͤtte, so wolle er gern
zugeben, daß er sich geirrt haben koͤnnte. Auch
habe er auf die Weise schon einmal einen Jrrthum
eingesehen, indem er eine dortige alte Frau fuͤr eine
Hexe hielt, nachher aber fand, daß er ihr Unrecht
gethan hatte. Endlich wuͤnschte er nichts mehr,
als zu seiner Frau und Kindern nach Hause zu kom-
men, wo er sich redlich naͤhren, friedlich leben, und
keinen Menschen mehr beunruhigen wolle. Wor-
auf der Herr Doktor Pihl sein Gutachten gab, daß
dieser Mensch ohne Gefahr entlassen, und wieder
in seine Heimath geschickt werden koͤnne.



VI.
Geschichte des Kindermoͤrders J. F.
D. Seybell.

Dieser Seybell wurde vom vierten bis zum zwei-
undzwanzigsten Jahre im großen Waisenhause zu
Potsdam erzogen, wo er das Schneiderhandwerk
lernte, und war nach den Zeugniß aller, die ihn

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[26/0030] Er gab auf alles sehr ordentliche und passende Antworten, nur wenn es auf die Wunder kam, so blieb er bei seiner alten Meinung, vertheidigte aber dieselbe nicht hartnaͤckig, sondern versicherte, wenn er zu Hause kaͤme, und faͤnde, daß es sich nicht so verhielte, wie er gedacht haͤtte, so wolle er gern zugeben, daß er sich geirrt haben koͤnnte. Auch habe er auf die Weise schon einmal einen Jrrthum eingesehen, indem er eine dortige alte Frau fuͤr eine Hexe hielt, nachher aber fand, daß er ihr Unrecht gethan hatte. Endlich wuͤnschte er nichts mehr, als zu seiner Frau und Kindern nach Hause zu kom- men, wo er sich redlich naͤhren, friedlich leben, und keinen Menschen mehr beunruhigen wolle. Wor- auf der Herr Doktor Pihl sein Gutachten gab, daß dieser Mensch ohne Gefahr entlassen, und wieder in seine Heimath geschickt werden koͤnne. VI. Geschichte des Kindermoͤrders J. F. D. Seybell. Dieser Seybell wurde vom vierten bis zum zwei- undzwanzigsten Jahre im großen Waisenhause zu Potsdam erzogen, wo er das Schneiderhandwerk lernte, und war nach den Zeugniß aller, die ihn kann-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/30>, abgerufen am 29.03.2024.