Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun ist es aber die Pflicht eines jeden, der vorzugsweise erleuchtet worden ist, daß er mit seinem Licht auch um sich her erleuchtet, so viel nur in seinem Vermögen steht. Bis zu der Zeit, da dieser Gedanke in ihm lebhaft geworden, war er noch umgänglich, informirte Kinder, und that was ihm zukam; ob er gleich freilich immer hartnäckig disputirte, wenn es seine besondern Meinungen betraf.

Als er aber den Bekehrungsberuf lebhafter in sich zu fühlen anfieng, da äußerte er auch in seinen Predigten ungeheuchelter seine Meinungen. Die letzte Predigt, welche er hielt, schloß er mit den merkwürdigen Worten: "Wer keine Hexen glaubt, glaubt keinen Teufel; wer keinen Teufel glaubt, keinen Gott; wer keinen Gott glaubt, der ist verdammt." Hierauf wurde ihm nicht mehr erlaubt zu predigen, und nun glaubte er sich berechtigt, öffentlich auf den Straßen seine Lehren zu verbreiten, und diejenigen namentlich anzugeben, die nicht von seiner Lehre waren.

Dieses Gassenpredigen unterließ er nach erhaltenem Verweiß; auch wurde er stiller. Die Obrigkeit wollte ihn an einen Sicherheitsort bringen lassen; aber der Vater bat, den Sohn bei ihm zu lassen.

Der Sohn schämte sich jetzt dessen, was er gethan hatte, und weigerte sich des Ausgehens. Endlich besserte es sich so weit mit ihm, daß er wieder


Nun ist es aber die Pflicht eines jeden, der vorzugsweise erleuchtet worden ist, daß er mit seinem Licht auch um sich her erleuchtet, so viel nur in seinem Vermoͤgen steht. Bis zu der Zeit, da dieser Gedanke in ihm lebhaft geworden, war er noch umgaͤnglich, informirte Kinder, und that was ihm zukam; ob er gleich freilich immer hartnaͤckig disputirte, wenn es seine besondern Meinungen betraf.

Als er aber den Bekehrungsberuf lebhafter in sich zu fuͤhlen anfieng, da aͤußerte er auch in seinen Predigten ungeheuchelter seine Meinungen. Die letzte Predigt, welche er hielt, schloß er mit den merkwuͤrdigen Worten: »Wer keine Hexen glaubt, glaubt keinen Teufel; wer keinen Teufel glaubt, keinen Gott; wer keinen Gott glaubt, der ist verdammt.« Hierauf wurde ihm nicht mehr erlaubt zu predigen, und nun glaubte er sich berechtigt, oͤffentlich auf den Straßen seine Lehren zu verbreiten, und diejenigen namentlich anzugeben, die nicht von seiner Lehre waren.

Dieses Gassenpredigen unterließ er nach erhaltenem Verweiß; auch wurde er stiller. Die Obrigkeit wollte ihn an einen Sicherheitsort bringen lassen; aber der Vater bat, den Sohn bei ihm zu lassen.

Der Sohn schaͤmte sich jetzt dessen, was er gethan hatte, und weigerte sich des Ausgehens. Endlich besserte es sich so weit mit ihm, daß er wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0019" n="19"/><lb/>
            <p>Nun ist es aber die Pflicht eines jeden, der vorzugsweise erleuchtet worden                         ist, daß er mit seinem Licht auch um sich her erleuchtet, so viel nur in                         seinem Vermo&#x0364;gen steht. Bis zu der Zeit, da dieser Gedanke in ihm lebhaft                         geworden, war er noch umga&#x0364;nglich, informirte Kinder, und that was ihm zukam;                         ob er gleich freilich immer hartna&#x0364;ckig disputirte, wenn es seine besondern                         Meinungen betraf. </p>
            <p>Als er aber den Bekehrungsberuf lebhafter in sich zu fu&#x0364;hlen anfieng, da                         a&#x0364;ußerte er auch in seinen Predigten ungeheuchelter seine Meinungen. Die                         letzte Predigt, welche er hielt, schloß er mit den merkwu&#x0364;rdigen Worten: »Wer                         keine Hexen glaubt, glaubt keinen Teufel; wer keinen Teufel glaubt, keinen                         Gott; wer keinen Gott glaubt, der ist verdammt.« Hierauf wurde ihm nicht                         mehr erlaubt zu predigen, und nun glaubte er sich berechtigt, o&#x0364;ffentlich auf                         den Straßen seine Lehren zu verbreiten, und diejenigen namentlich anzugeben,                         die nicht von seiner Lehre waren.</p>
            <p>Dieses Gassenpredigen unterließ er nach erhaltenem Verweiß; auch wurde er                         stiller. Die Obrigkeit wollte ihn an einen Sicherheitsort bringen lassen;                         aber der Vater bat, den Sohn bei ihm zu lassen.</p>
            <p>Der Sohn scha&#x0364;mte sich jetzt dessen, was er gethan hatte, und weigerte sich                         des Ausgehens. Endlich besserte es sich so weit mit ihm, daß er wieder<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0019] Nun ist es aber die Pflicht eines jeden, der vorzugsweise erleuchtet worden ist, daß er mit seinem Licht auch um sich her erleuchtet, so viel nur in seinem Vermoͤgen steht. Bis zu der Zeit, da dieser Gedanke in ihm lebhaft geworden, war er noch umgaͤnglich, informirte Kinder, und that was ihm zukam; ob er gleich freilich immer hartnaͤckig disputirte, wenn es seine besondern Meinungen betraf. Als er aber den Bekehrungsberuf lebhafter in sich zu fuͤhlen anfieng, da aͤußerte er auch in seinen Predigten ungeheuchelter seine Meinungen. Die letzte Predigt, welche er hielt, schloß er mit den merkwuͤrdigen Worten: »Wer keine Hexen glaubt, glaubt keinen Teufel; wer keinen Teufel glaubt, keinen Gott; wer keinen Gott glaubt, der ist verdammt.« Hierauf wurde ihm nicht mehr erlaubt zu predigen, und nun glaubte er sich berechtigt, oͤffentlich auf den Straßen seine Lehren zu verbreiten, und diejenigen namentlich anzugeben, die nicht von seiner Lehre waren. Dieses Gassenpredigen unterließ er nach erhaltenem Verweiß; auch wurde er stiller. Die Obrigkeit wollte ihn an einen Sicherheitsort bringen lassen; aber der Vater bat, den Sohn bei ihm zu lassen. Der Sohn schaͤmte sich jetzt dessen, was er gethan hatte, und weigerte sich des Ausgehens. Endlich besserte es sich so weit mit ihm, daß er wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/19
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/19>, abgerufen am 29.03.2024.