Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Glückseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen -- welche werd' ich aufopfern? --

Wenn ich denke, ich will diesen quälenden Durst nach Ruhm, durch vernünftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fürchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will.

Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon -- o Freiheit, was bist du?

Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth hätte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. --

Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wünsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu können, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen -- wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fünkchen mehr davon übrig zu seyn scheint -- wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein höheres Glück wünsche. --

So war es mir heute Morgen, wo mir alles -- alles zuwider, und der Schlaf meine


Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Gluͤckseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen — welche werd' ich aufopfern? —

Wenn ich denke, ich will diesen quaͤlenden Durst nach Ruhm, durch vernuͤnftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fuͤrchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will.

Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon — o Freiheit, was bist du?

Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth haͤtte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. —

Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wuͤnsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu koͤnnen, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen — wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fuͤnkchen mehr davon uͤbrig zu seyn scheint — wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein hoͤheres Gluͤck wuͤnsche. —

So war es mir heute Morgen, wo mir alles — alles zuwider, und der Schlaf meine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0037" n="37"/><lb/>
              <p>Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Glu&#x0364;ckseligkeit. Bei der ersten kann,                         bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen &#x2014;                         welche werd' ich aufopfern? &#x2014;</p>
              <p>Wenn ich denke, ich will diesen qua&#x0364;lenden Durst nach Ruhm, durch vernu&#x0364;nftige                         Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fu&#x0364;rchte ich mich sogar, diese                         Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers,                         den er mir verursacht, nicht gern verlieren will.</p>
              <p>Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon &#x2014; o Freiheit, was bist                         du?</p>
            </div>
            <div n="4">
              <opener>
                <dateline> <hi rendition="#c">Sonntag den 22. Julius. </hi> </dateline>
              </opener>
              <p>Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth ha&#x0364;tte,                         etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu                         bieten. &#x2014;</p>
              <p>Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wu&#x0364;nsche, als ruhig                         in meinem Gleise fortwandeln zu ko&#x0364;nnen, und mich weder zur Rechten noch zur                         Linken umzusehen &#x2014; wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fu&#x0364;nkchen                         mehr davon u&#x0364;brig zu seyn scheint &#x2014; wenn ich mich dann niederlege, so kann                         ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß                         ich mir in dem Augenblick gar kein ho&#x0364;heres Glu&#x0364;ck wu&#x0364;nsche. &#x2014;</p>
              <p>So war es mir heute Morgen, wo mir alles &#x2014; alles zuwider, und der Schlaf                         meine<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0037] Jch wanke jetzt zwischen Ehrbegierde und Gluͤckseligkeit. Bei der ersten kann, bei mir, die letztre, und bei der letztern die erstre nicht bestehen — welche werd' ich aufopfern? — Wenn ich denke, ich will diesen quaͤlenden Durst nach Ruhm, durch vernuͤnftige Ueberlegung in meiner Seel' ersticken, so fuͤrchte ich mich sogar, diese Ueberlegungen anzustellen, weil ich jenen Trieb, ohngeachtet des Kummers, den er mir verursacht, nicht gern verlieren will. Also befreit seyn wollen kann ich nicht einmal davon — o Freiheit, was bist du? Sonntag den 22. Julius. Manchmal ist es mir, als wenn ich noch so viel Muth haͤtte, etwas Großes zu unternehmen, und allen Hindernissen und Gefahren Trotz zu bieten. — Dann giebt es wieder Zeitpunkte, wo ich mir weiter nichts wuͤnsche, als ruhig in meinem Gleise fortwandeln zu koͤnnen, und mich weder zur Rechten noch zur Linken umzusehen — wo alle mein Muth erloschen ist, daß auch kein Fuͤnkchen mehr davon uͤbrig zu seyn scheint — wenn ich mich dann niederlege, so kann ich eine so außerordentliche Wonne, kurz vor dem Einschlafen, empfinden, daß ich mir in dem Augenblick gar kein hoͤheres Gluͤck wuͤnsche. — So war es mir heute Morgen, wo mir alles — alles zuwider, und der Schlaf meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/37
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/37>, abgerufen am 29.03.2024.