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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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einzige Zuflucht vor dem wachsenden Unmuth war. --

Jn E.... würde ich gewiß ein Raub der Verzweiflung geworden seyn, wenn mich ein wohlthätiger Schlaf, obgleich auf einem Lager von Stroh, nicht vor ihrer Wuth geschützt hätte -- und manchmal, wenn ich unnatürlich lange geschlafen hatte, mit welchen frölichen Aussichten konnte ich da erwachen! wie leicht schüttelte ich die Bürde meines entsetzlichen Zustandes ab, und bot allen meinen Widerwärtigkeiten muthig Trotz!

Was hätte ich nicht diese Tage über ausrichten können, wenn ich immer auf einen Zweck gearbeitet hätte.

So aber verdrängte immer ein Plan den andern, und ich habe meine kostbarste Zeit in der größten Unthätigkeit zugebracht.

Heute Morgen schien ein fester Entschluß in meiner Seele zur Reife zu kommen; noch aber hat er nicht durchdringen können.

Wenn ich mein ...projekt durchsetzen will, so muß ich von diesem Augenblick an beinahe keine Minute mehr verlieren. Jch will doch sehen, wie viel ich heute Abend noch leisten werde?

Verdrießlich -- ein unbehagliches Wort -- mir gellen die Ohren, wenn ich es höre -- und ein


einzige Zuflucht vor dem wachsenden Unmuth war. —

Jn E.... wuͤrde ich gewiß ein Raub der Verzweiflung geworden seyn, wenn mich ein wohlthaͤtiger Schlaf, obgleich auf einem Lager von Stroh, nicht vor ihrer Wuth geschuͤtzt haͤtte — und manchmal, wenn ich unnatuͤrlich lange geschlafen hatte, mit welchen froͤlichen Aussichten konnte ich da erwachen! wie leicht schuͤttelte ich die Buͤrde meines entsetzlichen Zustandes ab, und bot allen meinen Widerwaͤrtigkeiten muthig Trotz!

Was haͤtte ich nicht diese Tage uͤber ausrichten koͤnnen, wenn ich immer auf einen Zweck gearbeitet haͤtte.

So aber verdraͤngte immer ein Plan den andern, und ich habe meine kostbarste Zeit in der groͤßten Unthaͤtigkeit zugebracht.

Heute Morgen schien ein fester Entschluß in meiner Seele zur Reife zu kommen; noch aber hat er nicht durchdringen koͤnnen.

Wenn ich mein ...projekt durchsetzen will, so muß ich von diesem Augenblick an beinahe keine Minute mehr verlieren. Jch will doch sehen, wie viel ich heute Abend noch leisten werde?

Verdrießlich — ein unbehagliches Wort — mir gellen die Ohren, wenn ich es hoͤre — und ein

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[38/0038] einzige Zuflucht vor dem wachsenden Unmuth war. — Jn E.... wuͤrde ich gewiß ein Raub der Verzweiflung geworden seyn, wenn mich ein wohlthaͤtiger Schlaf, obgleich auf einem Lager von Stroh, nicht vor ihrer Wuth geschuͤtzt haͤtte — und manchmal, wenn ich unnatuͤrlich lange geschlafen hatte, mit welchen froͤlichen Aussichten konnte ich da erwachen! wie leicht schuͤttelte ich die Buͤrde meines entsetzlichen Zustandes ab, und bot allen meinen Widerwaͤrtigkeiten muthig Trotz! Donnerstag den 2. August. Was haͤtte ich nicht diese Tage uͤber ausrichten koͤnnen, wenn ich immer auf einen Zweck gearbeitet haͤtte. So aber verdraͤngte immer ein Plan den andern, und ich habe meine kostbarste Zeit in der groͤßten Unthaͤtigkeit zugebracht. Heute Morgen schien ein fester Entschluß in meiner Seele zur Reife zu kommen; noch aber hat er nicht durchdringen koͤnnen. Wenn ich mein ...projekt durchsetzen will, so muß ich von diesem Augenblick an beinahe keine Minute mehr verlieren. Jch will doch sehen, wie viel ich heute Abend noch leisten werde? Sonntag den 4. August. Verdrießlich — ein unbehagliches Wort — mir gellen die Ohren, wenn ich es hoͤre — und ein

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/38>, abgerufen am 28.03.2024.