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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Als Cephalus nun nach einiger Zeit sich wieder
mit ihr versöhnte, ward Prokris von Eifersucht
gequält, weil sie vernahm, daß ihr Gemahl die
Nymphe Aura liebte, mit der er auf der Jagd
verstohlnen Umgangs pflege. Einst versteckte Pro-
kris sich im Gebüsch, um ihren Gatten zu belau-
schen. Dieser seufzte, erhitzt vom Jagen, unter
dem Nahmen Aura, nach nichts als nach der
kühlen Luft. Prokris aber, welche den Nah-
men ihrer Nebenbuhlerin von seinen Lippen zu hö-
ren glaubte, regte sich im Gebüsch. Cephalus
meinte das Rauschen von einem versteckten Wild
zu hören, wornach er seinen Jagdspieß warf, der
seine unglückliche Gattin traf, welche sterbend ihren
Irrthum erst erkannte. --

Phaeton.

In Aegypten, wo Jupiter mit der Jo den
Epaphus erzeugte, hatte auch Klymene dem He-
lios
oder dem Sonnengotte den Phaeton geboh-
ren. Diesem warf einst Epaphus vor, daß er kein
Sohn der Sonne sey, sondern daß seine Mutter sich
dessen nur fälschlich rühme. -- Um auf die glän-
zendste Weise diesen bittern Vorwurf zu widerlegen,
begab sich Phaeton, auf Anstiften seiner Mutter,
selber zum Pallast des Sonnengottes, und ließ
sich erst von ihm beim Styx zuschwören, daß er

Als Cephalus nun nach einiger Zeit ſich wieder
mit ihr verſoͤhnte, ward Prokris von Eiferſucht
gequaͤlt, weil ſie vernahm, daß ihr Gemahl die
Nymphe Aura liebte, mit der er auf der Jagd
verſtohlnen Umgangs pflege. Einſt verſteckte Pro-
kris ſich im Gebuͤſch, um ihren Gatten zu belau-
ſchen. Dieſer ſeufzte, erhitzt vom Jagen, unter
dem Nahmen Aura, nach nichts als nach der
kuͤhlen Luft. Prokris aber, welche den Nah-
men ihrer Nebenbuhlerin von ſeinen Lippen zu hoͤ-
ren glaubte, regte ſich im Gebuͤſch. Cephalus
meinte das Rauſchen von einem verſteckten Wild
zu hoͤren, wornach er ſeinen Jagdſpieß warf, der
ſeine ungluͤckliche Gattin traf, welche ſterbend ihren
Irrthum erſt erkannte. —

Phaeton.

In Aegypten, wo Jupiter mit der Jo den
Epaphus erzeugte, hatte auch Klymene dem He-
lios
oder dem Sonnengotte den Phaeton geboh-
ren. Dieſem warf einſt Epaphus vor, daß er kein
Sohn der Sonne ſey, ſondern daß ſeine Mutter ſich
deſſen nur faͤlſchlich ruͤhme. — Um auf die glaͤn-
zendſte Weiſe dieſen bittern Vorwurf zu widerlegen,
begab ſich Phaeton, auf Anſtiften ſeiner Mutter,
ſelber zum Pallaſt des Sonnengottes, und ließ
ſich erſt von ihm beim Styx zuſchwoͤren, daß er

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[384/0458] Als Cephalus nun nach einiger Zeit ſich wieder mit ihr verſoͤhnte, ward Prokris von Eiferſucht gequaͤlt, weil ſie vernahm, daß ihr Gemahl die Nymphe Aura liebte, mit der er auf der Jagd verſtohlnen Umgangs pflege. Einſt verſteckte Pro- kris ſich im Gebuͤſch, um ihren Gatten zu belau- ſchen. Dieſer ſeufzte, erhitzt vom Jagen, unter dem Nahmen Aura, nach nichts als nach der kuͤhlen Luft. Prokris aber, welche den Nah- men ihrer Nebenbuhlerin von ſeinen Lippen zu hoͤ- ren glaubte, regte ſich im Gebuͤſch. Cephalus meinte das Rauſchen von einem verſteckten Wild zu hoͤren, wornach er ſeinen Jagdſpieß warf, der ſeine ungluͤckliche Gattin traf, welche ſterbend ihren Irrthum erſt erkannte. — Phaeton. In Aegypten, wo Jupiter mit der Jo den Epaphus erzeugte, hatte auch Klymene dem He- lios oder dem Sonnengotte den Phaeton geboh- ren. Dieſem warf einſt Epaphus vor, daß er kein Sohn der Sonne ſey, ſondern daß ſeine Mutter ſich deſſen nur faͤlſchlich ruͤhme. — Um auf die glaͤn- zendſte Weiſe dieſen bittern Vorwurf zu widerlegen, begab ſich Phaeton, auf Anſtiften ſeiner Mutter, ſelber zum Pallaſt des Sonnengottes, und ließ ſich erſt von ihm beim Styx zuſchwoͤren, daß er

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/458>, abgerufen am 25.04.2024.