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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Die Nacht und das Fatum,
das
über Götter und Menschen herrscht.

Als Jupiter einst auf den Gott des Schlafs er-
zürnt war, so hüllte diesen die Nacht in ihren
Mantel, und Jupiter hielt seinen Zorn zurück,
denn er fürchtete sich, die schnelle Nacht zu
betrüben.

Es giebt also etwas, wovor die Götter selber
Scheu tragen. Es ist das nächtliche geheimniß-
volle Dunkel, worin sich noch etwas über Götter
und Menschen Obwaltendes verhüllt, das die Be-
griffe der Sterblichen übersteigt.

Die Nacht verbirgt, verhüllt; darum ist sie
die Mutter alles Schönen, so wie alles Furcht-
baren.

Aus ihrem Schooße wird des Tages Glanz
gebohren, worin alle Bildungen sich entfalten.

Und sie ist auch die Mutter:

Des in Dunkel gehüllten Schicksals;

Der unerbittlichen Parzen Lachesis, Klotho
und Atropos;

Die Nacht und das Fatum,
das
uͤber Goͤtter und Menſchen herrſcht.

Als Jupiter einſt auf den Gott des Schlafs er-
zuͤrnt war, ſo huͤllte dieſen die Nacht in ihren
Mantel, und Jupiter hielt ſeinen Zorn zuruͤck,
denn er fuͤrchtete ſich, die ſchnelle Nacht zu
betruͤben.

Es giebt alſo etwas, wovor die Goͤtter ſelber
Scheu tragen. Es iſt das naͤchtliche geheimniß-
volle Dunkel, worin ſich noch etwas uͤber Goͤtter
und Menſchen Obwaltendes verhuͤllt, das die Be-
griffe der Sterblichen uͤberſteigt.

Die Nacht verbirgt, verhuͤllt; darum iſt ſie
die Mutter alles Schoͤnen, ſo wie alles Furcht-
baren.

Aus ihrem Schooße wird des Tages Glanz
gebohren, worin alle Bildungen ſich entfalten.

Und ſie iſt auch die Mutter:

Des in Dunkel gehuͤllten Schickſals;

Der unerbittlichen Parzen Lacheſis, Klotho
und Atropos;

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[44/0066] Die Nacht und das Fatum, das uͤber Goͤtter und Menſchen herrſcht. Als Jupiter einſt auf den Gott des Schlafs er- zuͤrnt war, ſo huͤllte dieſen die Nacht in ihren Mantel, und Jupiter hielt ſeinen Zorn zuruͤck, denn er fuͤrchtete ſich, die ſchnelle Nacht zu betruͤben. Es giebt alſo etwas, wovor die Goͤtter ſelber Scheu tragen. Es iſt das naͤchtliche geheimniß- volle Dunkel, worin ſich noch etwas uͤber Goͤtter und Menſchen Obwaltendes verhuͤllt, das die Be- griffe der Sterblichen uͤberſteigt. Die Nacht verbirgt, verhuͤllt; darum iſt ſie die Mutter alles Schoͤnen, ſo wie alles Furcht- baren. Aus ihrem Schooße wird des Tages Glanz gebohren, worin alle Bildungen ſich entfalten. Und ſie iſt auch die Mutter: Des in Dunkel gehuͤllten Schickſals; Der unerbittlichen Parzen Lacheſis, Klotho und Atropos;

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/66>, abgerufen am 29.03.2024.