Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

nen Töne wieder zu hören glaubten; so har-
monisch war des Liedes Klang
.

Auch fügte das glückliche Delos seinen Nahmen
dem Nahmen des Gottes bei. -- Von dem felsigten
Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem
silbernen Bogen oft bestieg, hieß er der Cynthi-
sche,
von Delos selber, der Delische Apoll.

Delphi.

Am Abhange des Parnasses war schon in den
ältesten Zeiten eine Höhlung in der Erde, woraus
ein betäubender Dampf aufstieg, der diejenigen,
welche sich der Oefnung näherten, in eine Art von
Wahnwitz versetzte, worin sie zuweilen wie im
begeisternden Taumel, sich selber unbewußt, von
hohen Dingen sprachen, entfernte Begriffe anein-
ander knüpften, und eine Art von dunkler Dich-
tersprache redeten, die eben so wie das Murmeln
des Baches, oder wie der Klang des Dodonischen
Erztes, auf mannichfaltige Weise gedeutet werden
konnte.

In den ältesten Zeiten war es die Erde sel-
ber,
welche hier unmittelbar ihre Orakelsprüche
ertheilte. -- Zu den Zeiten des Deukalion war es
Themis, eine Tochter des Himmels und der
Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den
Schluß des Schicksals den Sterblichen offen-
barte. --

nen Toͤne wieder zu hoͤren glaubten; ſo har-
moniſch war des Liedes Klang
.

Auch fuͤgte das gluͤckliche Delos ſeinen Nahmen
dem Nahmen des Gottes bei. — Von dem felſigten
Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem
ſilbernen Bogen oft beſtieg, hieß er der Cynthi-
ſche,
von Delos ſelber, der Deliſche Apoll.

Delphi.

Am Abhange des Parnaſſes war ſchon in den
aͤlteſten Zeiten eine Hoͤhlung in der Erde, woraus
ein betaͤubender Dampf aufſtieg, der diejenigen,
welche ſich der Oefnung naͤherten, in eine Art von
Wahnwitz verſetzte, worin ſie zuweilen wie im
begeiſternden Taumel, ſich ſelber unbewußt, von
hohen Dingen ſprachen, entfernte Begriffe anein-
ander knuͤpften, und eine Art von dunkler Dich-
terſprache redeten, die eben ſo wie das Murmeln
des Baches, oder wie der Klang des Dodoniſchen
Erztes, auf mannichfaltige Weiſe gedeutet werden
konnte.

In den aͤlteſten Zeiten war es die Erde ſel-
ber,
welche hier unmittelbar ihre Orakelſpruͤche
ertheilte. — Zu den Zeiten des Deukalion war es
Themis, eine Tochter des Himmels und der
Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den
Schluß des Schickſals den Sterblichen offen-
barte. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#fr"><pb facs="#f0232" n="184"/>
nen To&#x0364;ne wieder zu ho&#x0364;ren glaubten; &#x017F;o har-<lb/>
moni&#x017F;ch war des Liedes Klang</hi>.</p><lb/>
          <p>Auch fu&#x0364;gte das glu&#x0364;ckliche Delos &#x017F;einen Nahmen<lb/>
dem Nahmen des Gottes bei. &#x2014; Von dem fel&#x017F;igten<lb/>
Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem<lb/>
&#x017F;ilbernen Bogen oft be&#x017F;tieg, hieß er der <hi rendition="#fr">Cynthi-<lb/>
&#x017F;che,</hi> von Delos &#x017F;elber, der <hi rendition="#fr">Deli&#x017F;che Apoll</hi>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Delphi</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Am Abhange des Parna&#x017F;&#x017F;es war &#x017F;chon in den<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten eine Ho&#x0364;hlung in der Erde, woraus<lb/>
ein beta&#x0364;ubender Dampf auf&#x017F;tieg, der diejenigen,<lb/>
welche &#x017F;ich der Oefnung na&#x0364;herten, in eine Art von<lb/>
Wahnwitz ver&#x017F;etzte, worin &#x017F;ie zuweilen wie im<lb/>
begei&#x017F;ternden Taumel, &#x017F;ich &#x017F;elber unbewußt, von<lb/>
hohen Dingen &#x017F;prachen, entfernte Begriffe anein-<lb/>
ander knu&#x0364;pften, und eine Art von dunkler Dich-<lb/>
ter&#x017F;prache redeten, die eben &#x017F;o wie das Murmeln<lb/>
des Baches, oder wie der Klang des Dodoni&#x017F;chen<lb/>
Erztes, auf mannichfaltige Wei&#x017F;e gedeutet werden<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p>In den a&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten war es die <hi rendition="#fr">Erde &#x017F;el-<lb/>
ber,</hi> welche hier unmittelbar ihre Orakel&#x017F;pru&#x0364;che<lb/>
ertheilte. &#x2014; Zu den Zeiten des Deukalion war es<lb/><hi rendition="#fr">Themis,</hi> eine Tochter des Himmels und der<lb/>
Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den<lb/>
Schluß des Schick&#x017F;als den Sterblichen offen-<lb/>
barte. &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0232] nen Toͤne wieder zu hoͤren glaubten; ſo har- moniſch war des Liedes Klang. Auch fuͤgte das gluͤckliche Delos ſeinen Nahmen dem Nahmen des Gottes bei. — Von dem felſigten Berge Cynthus auf Delos, den der Gott mit dem ſilbernen Bogen oft beſtieg, hieß er der Cynthi- ſche, von Delos ſelber, der Deliſche Apoll. Delphi. Am Abhange des Parnaſſes war ſchon in den aͤlteſten Zeiten eine Hoͤhlung in der Erde, woraus ein betaͤubender Dampf aufſtieg, der diejenigen, welche ſich der Oefnung naͤherten, in eine Art von Wahnwitz verſetzte, worin ſie zuweilen wie im begeiſternden Taumel, ſich ſelber unbewußt, von hohen Dingen ſprachen, entfernte Begriffe anein- ander knuͤpften, und eine Art von dunkler Dich- terſprache redeten, die eben ſo wie das Murmeln des Baches, oder wie der Klang des Dodoniſchen Erztes, auf mannichfaltige Weiſe gedeutet werden konnte. In den aͤlteſten Zeiten war es die Erde ſel- ber, welche hier unmittelbar ihre Orakelſpruͤche ertheilte. — Zu den Zeiten des Deukalion war es Themis, eine Tochter des Himmels und der Erde, welche hier die dunkle Zukunft und den Schluß des Schickſals den Sterblichen offen- barte. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/232
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/232>, abgerufen am 24.04.2024.