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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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des Nemäischen Löwen, und der vielköpfigten
Hydra, war es ein Leichtes, den Eber zu fangen,
welchen er gebunden dem Eurystheus brachte,
der vor Schrecken über den Anblick des Ungeheu-
ers sich in ein ehernes Faß verkroch.

In dieser lächerlichen Stellung ist Eurystheus
auf einem antiken geschnittenen Steine abgebil-
det. -- Der auffallende Kontrast zwischen der
Stärke und dem Heldenmuth des Gehorchen-
den, und der Schwäche und Verzagtheit des Be-
fehlenden, welcher durch diese ganze Dichtung
herrscht, giebt ihr ein desto lebhafteres Interesse. --
Dadurch, daß der Held sich überwindet, nach
dem Schluß des Schicksals dem Schwächern zu
gehorchen, erhalten seine kühnsten Thaten einen
doppelten Werth, weil er erst sich selber zum Ge-
horsam, und dann die Ungeheuer zum Weichen
zwingt.

Der Hirsch der Diana.

Um nicht nur die Stärke, sondern auch die
Geschwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu
prüfen, mußte eine neue wunderbare Erscheinung
sich ereignen. Auf dem Berge Mänelus ließ nem-
lich ein Hirsch mit goldenem Geweih sich sehen,
welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunsch
eines jeden, ihn zu besitzen, auf sich zog.

des Nemaͤiſchen Loͤwen, und der vielkoͤpfigten
Hydra, war es ein Leichtes, den Eber zu fangen,
welchen er gebunden dem Euryſtheus brachte,
der vor Schrecken uͤber den Anblick des Ungeheu-
ers ſich in ein ehernes Faß verkroch.

In dieſer laͤcherlichen Stellung iſt Euryſtheus
auf einem antiken geſchnittenen Steine abgebil-
det. — Der auffallende Kontraſt zwiſchen der
Staͤrke und dem Heldenmuth des Gehorchen-
den, und der Schwaͤche und Verzagtheit des Be-
fehlenden, welcher durch dieſe ganze Dichtung
herrſcht, giebt ihr ein deſto lebhafteres Intereſſe. —
Dadurch, daß der Held ſich uͤberwindet, nach
dem Schluß des Schickſals dem Schwaͤchern zu
gehorchen, erhalten ſeine kuͤhnſten Thaten einen
doppelten Werth, weil er erſt ſich ſelber zum Ge-
horſam, und dann die Ungeheuer zum Weichen
zwingt.

Der Hirſch der Diana.

Um nicht nur die Staͤrke, ſondern auch die
Geſchwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu
pruͤfen, mußte eine neue wunderbare Erſcheinung
ſich ereignen. Auf dem Berge Maͤnelus ließ nem-
lich ein Hirſch mit goldenem Geweih ſich ſehen,
welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunſch
eines jeden, ihn zu beſitzen, auf ſich zog.

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[228/0278] des Nemaͤiſchen Loͤwen, und der vielkoͤpfigten Hydra, war es ein Leichtes, den Eber zu fangen, welchen er gebunden dem Euryſtheus brachte, der vor Schrecken uͤber den Anblick des Ungeheu- ers ſich in ein ehernes Faß verkroch. In dieſer laͤcherlichen Stellung iſt Euryſtheus auf einem antiken geſchnittenen Steine abgebil- det. — Der auffallende Kontraſt zwiſchen der Staͤrke und dem Heldenmuth des Gehorchen- den, und der Schwaͤche und Verzagtheit des Be- fehlenden, welcher durch dieſe ganze Dichtung herrſcht, giebt ihr ein deſto lebhafteres Intereſſe. — Dadurch, daß der Held ſich uͤberwindet, nach dem Schluß des Schickſals dem Schwaͤchern zu gehorchen, erhalten ſeine kuͤhnſten Thaten einen doppelten Werth, weil er erſt ſich ſelber zum Ge- horſam, und dann die Ungeheuer zum Weichen zwingt. Der Hirſch der Diana. Um nicht nur die Staͤrke, ſondern auch die Geſchwindigkeit und Behendigkeit des Herkules zu pruͤfen, mußte eine neue wunderbare Erſcheinung ſich ereignen. Auf dem Berge Maͤnelus ließ nem- lich ein Hirſch mit goldenem Geweih ſich ſehen, welcher, obgleich der Diana geheiligt, den Wunſch eines jeden, ihn zu beſitzen, auf ſich zog.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/278>, abgerufen am 28.03.2024.