Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Apollo erzeugte nehmlich den Aeskulap mit der
Koronis, der Tochter eines Thessalischen Königs.
Als Koronis mit dem Ischys einer heimlichen
Liebe pflog, bestrafte Apollo ihre Untreue mit dem
Tode; den Aeskulap aber, mit dem sie schwanger
war, rettete er noch, da sie schon auf dem Schei-
terhaufen lag.

Nun wurde der Göttersohn in der Höhle des
weisen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wis-
senschaft, und vorzüglich in der Kräuterkunde
unterwieß, welche Wissenschaft Aeskulap zu einer
Wohlthäterin der Menschheit machte, indem er
die Kräfte der Pflanzen erforschend, die mannich-
faltigsten Heilmittel für die mannichfaltigen Krank-
heiten des Körpers daraus erfand.

Er trieb diese Kunst so weit, daß die Dich-
tung von ihm sagt, es sey ihm mehrere Male ge-
lungen, den Todten selbst wieder Leben einzuhau-
chen. -- Darüber zürnte die immerzerstörende
Macht, das immerverschlingende Grab, und die
Gewalt des schrecklichen Pluto, die den Erwecker
der Todten, als einen kühnen und vermeßnen
Frevler beim Donnerer verklagte. Dieser ließ den
Aeskulap, so wie den Prometheus, für seine
Wohlthat an den Menschen büßen -- und schleu-
derte seine Blitze auf das schuldlose Haupt. --
Der die Schmerzen der Menschen linderte und ihre

Apollo erzeugte nehmlich den Aeſkulap mit der
Koronis, der Tochter eines Theſſaliſchen Koͤnigs.
Als Koronis mit dem Iſchys einer heimlichen
Liebe pflog, beſtrafte Apollo ihre Untreue mit dem
Tode; den Aeſkulap aber, mit dem ſie ſchwanger
war, rettete er noch, da ſie ſchon auf dem Schei-
terhaufen lag.

Nun wurde der Goͤtterſohn in der Hoͤhle des
weiſen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wiſ-
ſenſchaft, und vorzuͤglich in der Kraͤuterkunde
unterwieß, welche Wiſſenſchaft Aeſkulap zu einer
Wohlthaͤterin der Menſchheit machte, indem er
die Kraͤfte der Pflanzen erforſchend, die mannich-
faltigſten Heilmittel fuͤr die mannichfaltigen Krank-
heiten des Koͤrpers daraus erfand.

Er trieb dieſe Kunſt ſo weit, daß die Dich-
tung von ihm ſagt, es ſey ihm mehrere Male ge-
lungen, den Todten ſelbſt wieder Leben einzuhau-
chen. — Daruͤber zuͤrnte die immerzerſtoͤrende
Macht, das immerverſchlingende Grab, und die
Gewalt des ſchrecklichen Pluto, die den Erwecker
der Todten, als einen kuͤhnen und vermeßnen
Frevler beim Donnerer verklagte. Dieſer ließ den
Aeſkulap, ſo wie den Prometheus, fuͤr ſeine
Wohlthat an den Menſchen buͤßen — und ſchleu-
derte ſeine Blitze auf das ſchuldloſe Haupt. —
Der die Schmerzen der Menſchen linderte und ihre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0393" n="327"/>
          <p>Apollo erzeugte nehmlich den Ae&#x017F;kulap mit der<lb/><hi rendition="#fr">Koronis,</hi> der Tochter eines The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;chen Ko&#x0364;nigs.<lb/>
Als Koronis mit dem <hi rendition="#fr">I&#x017F;chys</hi> einer heimlichen<lb/>
Liebe pflog, be&#x017F;trafte Apollo ihre Untreue mit dem<lb/>
Tode; den Ae&#x017F;kulap aber, mit dem &#x017F;ie &#x017F;chwanger<lb/>
war, rettete er noch, da &#x017F;ie &#x017F;chon auf dem Schei-<lb/>
terhaufen lag.</p><lb/>
          <p>Nun wurde der Go&#x0364;tter&#x017F;ohn in der Ho&#x0364;hle des<lb/>
wei&#x017F;en Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft, und vorzu&#x0364;glich in der <hi rendition="#fr">Kra&#x0364;uterkunde</hi><lb/>
unterwieß, welche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft Ae&#x017F;kulap zu einer<lb/>
Wohltha&#x0364;terin der Men&#x017F;chheit machte, indem er<lb/>
die Kra&#x0364;fte der Pflanzen erfor&#x017F;chend, die mannich-<lb/>
faltig&#x017F;ten Heilmittel fu&#x0364;r die mannichfaltigen Krank-<lb/>
heiten des Ko&#x0364;rpers daraus erfand.</p><lb/>
          <p>Er trieb die&#x017F;e Kun&#x017F;t &#x017F;o weit, daß die Dich-<lb/>
tung von ihm &#x017F;agt, es &#x017F;ey ihm mehrere Male ge-<lb/>
lungen, den Todten &#x017F;elb&#x017F;t wieder Leben einzuhau-<lb/>
chen. &#x2014; Daru&#x0364;ber zu&#x0364;rnte die immerzer&#x017F;to&#x0364;rende<lb/>
Macht, das immerver&#x017F;chlingende Grab, und die<lb/>
Gewalt des &#x017F;chrecklichen Pluto, die den Erwecker<lb/>
der Todten, als einen ku&#x0364;hnen und vermeßnen<lb/>
Frevler beim Donnerer verklagte. Die&#x017F;er ließ den<lb/>
Ae&#x017F;kulap, <hi rendition="#fr">&#x017F;o wie den Prometheus,</hi> fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Wohlthat an den Men&#x017F;chen bu&#x0364;ßen &#x2014; und &#x017F;chleu-<lb/>
derte &#x017F;eine Blitze auf das &#x017F;chuldlo&#x017F;e Haupt. &#x2014;<lb/>
Der die Schmerzen der Men&#x017F;chen linderte und ihre<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0393] Apollo erzeugte nehmlich den Aeſkulap mit der Koronis, der Tochter eines Theſſaliſchen Koͤnigs. Als Koronis mit dem Iſchys einer heimlichen Liebe pflog, beſtrafte Apollo ihre Untreue mit dem Tode; den Aeſkulap aber, mit dem ſie ſchwanger war, rettete er noch, da ſie ſchon auf dem Schei- terhaufen lag. Nun wurde der Goͤtterſohn in der Hoͤhle des weiſen Chiron erzogen, der ihn in jeglicher Wiſ- ſenſchaft, und vorzuͤglich in der Kraͤuterkunde unterwieß, welche Wiſſenſchaft Aeſkulap zu einer Wohlthaͤterin der Menſchheit machte, indem er die Kraͤfte der Pflanzen erforſchend, die mannich- faltigſten Heilmittel fuͤr die mannichfaltigen Krank- heiten des Koͤrpers daraus erfand. Er trieb dieſe Kunſt ſo weit, daß die Dich- tung von ihm ſagt, es ſey ihm mehrere Male ge- lungen, den Todten ſelbſt wieder Leben einzuhau- chen. — Daruͤber zuͤrnte die immerzerſtoͤrende Macht, das immerverſchlingende Grab, und die Gewalt des ſchrecklichen Pluto, die den Erwecker der Todten, als einen kuͤhnen und vermeßnen Frevler beim Donnerer verklagte. Dieſer ließ den Aeſkulap, ſo wie den Prometheus, fuͤr ſeine Wohlthat an den Menſchen buͤßen — und ſchleu- derte ſeine Blitze auf das ſchuldloſe Haupt. — Der die Schmerzen der Menſchen linderte und ihre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/393
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/393>, abgerufen am 29.03.2024.