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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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So rächte die zürnende Eifersucht der
Juno
sich an Agenors Hause. Wie ein Flücht-
ling mußte Kadmus umherirren, und durfte, da
er seine Schwester nirgends fand, in seine väter-
liche Heimath nicht wiederkehren, sondern mußte
im fremden Lande sich einen Wohnsitz suchen.

Er kam nach Böotien in Griechenland, und
wählte es, einem Orakelspruch zu Folge, zu sei-
nem Aufenthalt. Als er nun seine Gefährten,
um Wasser zu einem Opfer zu schöpfen, in ein
dem Mars geweihtes Gehölze schickte, wurden
sie von einem ungeheuren Drachen, dem Hüter
dieses heiligen Hains, getödtet.

Kadmus erlegte dieß Ungeheuer, und mußte,
auf den Befehl der Minerva, die Zähne des Dra-
chen in die Erde säen. -- Aus dieser Saat keim-
ten geharnischte Männer auf, die sogleich ihre
Schwerdter gegeneinander zückten, und sich ein-
ander erschlugen, bis auf fünf, die dem Kadmus
Theben erbauen halfen.

Diese Dichtung von den Kriegern, die aus
der Saat der Drachenzähne entsprossen, sich selbst
einander aufreiben, ist schon ein dunkles Vorbild
von alle dem Jammer und der Zwietracht, welche
die Nachkommen des Kadmus einst ihre Schwerd-
ter gegen sich selber kehren, und sie in ihr Einge-
weide wüthen läßt.

So raͤchte die zuͤrnende Eiferſucht der
Juno
ſich an Agenors Hauſe. Wie ein Fluͤcht-
ling mußte Kadmus umherirren, und durfte, da
er ſeine Schweſter nirgends fand, in ſeine vaͤter-
liche Heimath nicht wiederkehren, ſondern mußte
im fremden Lande ſich einen Wohnſitz ſuchen.

Er kam nach Boͤotien in Griechenland, und
waͤhlte es, einem Orakelſpruch zu Folge, zu ſei-
nem Aufenthalt. Als er nun ſeine Gefaͤhrten,
um Waſſer zu einem Opfer zu ſchoͤpfen, in ein
dem Mars geweihtes Gehoͤlze ſchickte, wurden
ſie von einem ungeheuren Drachen, dem Huͤter
dieſes heiligen Hains, getoͤdtet.

Kadmus erlegte dieß Ungeheuer, und mußte,
auf den Befehl der Minerva, die Zaͤhne des Dra-
chen in die Erde ſaͤen. — Aus dieſer Saat keim-
ten geharniſchte Maͤnner auf, die ſogleich ihre
Schwerdter gegeneinander zuͤckten, und ſich ein-
ander erſchlugen, bis auf fuͤnf, die dem Kadmus
Theben erbauen halfen.

Dieſe Dichtung von den Kriegern, die aus
der Saat der Drachenzaͤhne entſproſſen, ſich ſelbſt
einander aufreiben, iſt ſchon ein dunkles Vorbild
von alle dem Jammer und der Zwietracht, welche
die Nachkommen des Kadmus einſt ihre Schwerd-
ter gegen ſich ſelber kehren, und ſie in ihr Einge-
weide wuͤthen laͤßt.

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[347/0417] So raͤchte die zuͤrnende Eiferſucht der Juno ſich an Agenors Hauſe. Wie ein Fluͤcht- ling mußte Kadmus umherirren, und durfte, da er ſeine Schweſter nirgends fand, in ſeine vaͤter- liche Heimath nicht wiederkehren, ſondern mußte im fremden Lande ſich einen Wohnſitz ſuchen. Er kam nach Boͤotien in Griechenland, und waͤhlte es, einem Orakelſpruch zu Folge, zu ſei- nem Aufenthalt. Als er nun ſeine Gefaͤhrten, um Waſſer zu einem Opfer zu ſchoͤpfen, in ein dem Mars geweihtes Gehoͤlze ſchickte, wurden ſie von einem ungeheuren Drachen, dem Huͤter dieſes heiligen Hains, getoͤdtet. Kadmus erlegte dieß Ungeheuer, und mußte, auf den Befehl der Minerva, die Zaͤhne des Dra- chen in die Erde ſaͤen. — Aus dieſer Saat keim- ten geharniſchte Maͤnner auf, die ſogleich ihre Schwerdter gegeneinander zuͤckten, und ſich ein- ander erſchlugen, bis auf fuͤnf, die dem Kadmus Theben erbauen halfen. Dieſe Dichtung von den Kriegern, die aus der Saat der Drachenzaͤhne entſproſſen, ſich ſelbſt einander aufreiben, iſt ſchon ein dunkles Vorbild von alle dem Jammer und der Zwietracht, welche die Nachkommen des Kadmus einſt ihre Schwerd- ter gegen ſich ſelber kehren, und ſie in ihr Einge- weide wuͤthen laͤßt.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/417>, abgerufen am 25.04.2024.