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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Sinnbilde der Fruchtbarkeit der auf ihm ruhenden
Erdenfläche, abgebildet; dann hieß er Jupiter Se-
rapis,
oder der Aegyptische Jupiter. -- Wie Ju-
gend und Schönheit unmittelbar oder durch Alter
und Verwelken, der zerstörenden Macht, dem Gra-
be und der Verwesung zum Raube werden, ist in
die schöne Dichtung, von der Entführung Proser-
pinens
durch den Pluto, eingehüllt.

Diese Dichtung ist ausführlich in die den Er-
zählungen von der Unterwelt so nah verwandte
Göttergeschichte der Ceres eingewebt. -- Proser-
pina, die Tochter der Ceres ward, nachdem sie
lange vergebens sich gesträubt, vom Pluto zur
Königin der Schatten auf seinen Thron erho-
ben. -- Diese Königin der Unterwelt hieß bei
den Griechen Persephone, welcher Nahme selbst
schon auf Zerstörung und Verwesung deutet. --
In dem unterirdischen Pallaste sitzen nun, in me-
lancholischer Eintracht, Pluto und Proserpina ne-
beneinander auf ihrem düstern Throne, und herr-
schen über das öde Reich der Todten. -- Der
dreiköpfigte Cerberus wacht am Höllenthore, und
auf seinem morschen Kahne fährt Charon die
Todten über den Fluß, den keiner je zurückschifft. --
Die unterirdischen Gewässer, welche den Erebus
umgeben, sind schon durch ihre Nahmen furcht-
bar: mit den Seufzern der Sterbenden fließt der
Acheron; der schwarze Kocytus mit dem Ge-

Sinnbilde der Fruchtbarkeit der auf ihm ruhenden
Erdenflaͤche, abgebildet; dann hieß er Jupiter Se-
rapis,
oder der Aegyptiſche Jupiter. — Wie Ju-
gend und Schoͤnheit unmittelbar oder durch Alter
und Verwelken, der zerſtoͤrenden Macht, dem Gra-
be und der Verweſung zum Raube werden, iſt in
die ſchoͤne Dichtung, von der Entfuͤhrung Proſer-
pinens
durch den Pluto, eingehuͤllt.

Dieſe Dichtung iſt ausfuͤhrlich in die den Er-
zaͤhlungen von der Unterwelt ſo nah verwandte
Goͤttergeſchichte der Ceres eingewebt. — Proſer-
pina, die Tochter der Ceres ward, nachdem ſie
lange vergebens ſich geſtraͤubt, vom Pluto zur
Koͤnigin der Schatten auf ſeinen Thron erho-
ben. — Dieſe Koͤnigin der Unterwelt hieß bei
den Griechen Perſephone, welcher Nahme ſelbſt
ſchon auf Zerſtoͤrung und Verweſung deutet. —
In dem unterirdiſchen Pallaſte ſitzen nun, in me-
lancholiſcher Eintracht, Pluto und Proſerpina ne-
beneinander auf ihrem duͤſtern Throne, und herr-
ſchen uͤber das oͤde Reich der Todten. — Der
dreikoͤpfigte Cerberus wacht am Hoͤllenthore, und
auf ſeinem morſchen Kahne faͤhrt Charon die
Todten uͤber den Fluß, den keiner je zuruͤckſchifft. —
Die unterirdiſchen Gewaͤſſer, welche den Erebus
umgeben, ſind ſchon durch ihre Nahmen furcht-
bar: mit den Seufzern der Sterbenden fließt der
Acheron; der ſchwarze Kocytus mit dem Ge-

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[388/0462] Sinnbilde der Fruchtbarkeit der auf ihm ruhenden Erdenflaͤche, abgebildet; dann hieß er Jupiter Se- rapis, oder der Aegyptiſche Jupiter. — Wie Ju- gend und Schoͤnheit unmittelbar oder durch Alter und Verwelken, der zerſtoͤrenden Macht, dem Gra- be und der Verweſung zum Raube werden, iſt in die ſchoͤne Dichtung, von der Entfuͤhrung Proſer- pinens durch den Pluto, eingehuͤllt. Dieſe Dichtung iſt ausfuͤhrlich in die den Er- zaͤhlungen von der Unterwelt ſo nah verwandte Goͤttergeſchichte der Ceres eingewebt. — Proſer- pina, die Tochter der Ceres ward, nachdem ſie lange vergebens ſich geſtraͤubt, vom Pluto zur Koͤnigin der Schatten auf ſeinen Thron erho- ben. — Dieſe Koͤnigin der Unterwelt hieß bei den Griechen Perſephone, welcher Nahme ſelbſt ſchon auf Zerſtoͤrung und Verweſung deutet. — In dem unterirdiſchen Pallaſte ſitzen nun, in me- lancholiſcher Eintracht, Pluto und Proſerpina ne- beneinander auf ihrem duͤſtern Throne, und herr- ſchen uͤber das oͤde Reich der Todten. — Der dreikoͤpfigte Cerberus wacht am Hoͤllenthore, und auf ſeinem morſchen Kahne faͤhrt Charon die Todten uͤber den Fluß, den keiner je zuruͤckſchifft. — Die unterirdiſchen Gewaͤſſer, welche den Erebus umgeben, ſind ſchon durch ihre Nahmen furcht- bar: mit den Seufzern der Sterbenden fließt der Acheron; der ſchwarze Kocytus mit dem Ge-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/462>, abgerufen am 25.04.2024.