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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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lungen auf das Leben, wenn man einen Blick
auf dasselbe mit allen seinen ernsten und
komischen
Scenen wirft, wozu der zarte jung-
fräuliche Finger der hohen Schicksalsgöttin den
Faden drehet, indem die einen ihr nicht wichti-
ger
als die andern sind.

Auf eine ähnliche Weise, in ruhiger Stellung,
sich auf eine Säule stützend, in der Linken den
Rocken sorglos haltend, und gleichsam mit dem
Schicksalsfaden spielend,
ist die Parze noch
einmal auf einem andern geschnittenen Steine in
der Stoschischen Sammlung abgebildet, wovon
der Umriß ebenfalls hier beigefügt ist.

Diese ruhige Stellung der hohen Schicksals-
göttin, womit sie auf die weitaussehenden Plane
gleichsam lächelnd herabsieht, ist eine vorzüglich
schöne Idee des alten Künstlers, von dem sich diese
Bildung herschreibt. -- Während daß Götter
ihre ganze Macht, und Sterbliche alle ihre Kräfte
aufbieten, um ihre Endzwecke und Absichten durch-
zusetzen, hält die hohe Göttin, spielend den Faden
in der Hand, an welchem sie die Umwälzungen
der Dinge, und die stolzesten Entwürfe der Köni-
ge lenkt. --


lungen auf das Leben, wenn man einen Blick
auf daſſelbe mit allen ſeinen ernſten und
komiſchen
Scenen wirft, wozu der zarte jung-
fraͤuliche Finger der hohen Schickſalsgoͤttin den
Faden drehet, indem die einen ihr nicht wichti-
ger
als die andern ſind.

Auf eine aͤhnliche Weiſe, in ruhiger Stellung,
ſich auf eine Saͤule ſtuͤtzend, in der Linken den
Rocken ſorglos haltend, und gleichſam mit dem
Schickſalsfaden ſpielend,
iſt die Parze noch
einmal auf einem andern geſchnittenen Steine in
der Stoſchiſchen Sammlung abgebildet, wovon
der Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt.

Dieſe ruhige Stellung der hohen Schickſals-
goͤttin, womit ſie auf die weitausſehenden Plane
gleichſam laͤchelnd herabſieht, iſt eine vorzuͤglich
ſchoͤne Idee des alten Kuͤnſtlers, von dem ſich dieſe
Bildung herſchreibt. — Waͤhrend daß Goͤtter
ihre ganze Macht, und Sterbliche alle ihre Kraͤfte
aufbieten, um ihre Endzwecke und Abſichten durch-
zuſetzen, haͤlt die hohe Goͤttin, ſpielend den Faden
in der Hand, an welchem ſie die Umwaͤlzungen
der Dinge, und die ſtolzeſten Entwuͤrfe der Koͤni-
ge lenkt. —


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[52/0078] lungen auf das Leben, wenn man einen Blick auf daſſelbe mit allen ſeinen ernſten und komiſchen Scenen wirft, wozu der zarte jung- fraͤuliche Finger der hohen Schickſalsgoͤttin den Faden drehet, indem die einen ihr nicht wichti- ger als die andern ſind. Auf eine aͤhnliche Weiſe, in ruhiger Stellung, ſich auf eine Saͤule ſtuͤtzend, in der Linken den Rocken ſorglos haltend, und gleichſam mit dem Schickſalsfaden ſpielend, iſt die Parze noch einmal auf einem andern geſchnittenen Steine in der Stoſchiſchen Sammlung abgebildet, wovon der Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt. Dieſe ruhige Stellung der hohen Schickſals- goͤttin, womit ſie auf die weitausſehenden Plane gleichſam laͤchelnd herabſieht, iſt eine vorzuͤglich ſchoͤne Idee des alten Kuͤnſtlers, von dem ſich dieſe Bildung herſchreibt. — Waͤhrend daß Goͤtter ihre ganze Macht, und Sterbliche alle ihre Kraͤfte aufbieten, um ihre Endzwecke und Abſichten durch- zuſetzen, haͤlt die hohe Goͤttin, ſpielend den Faden in der Hand, an welchem ſie die Umwaͤlzungen der Dinge, und die ſtolzeſten Entwuͤrfe der Koͤni- ge lenkt. —

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/78>, abgerufen am 28.03.2024.