Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

schimmern dennoch immer durch, weil die Phan-
tasie die Zartheit nnd Bildsamkeit des Neuen mit
der Hoheit des Alten wieder überkleidet.

Aurora.

Hyperion, ein Sohn des Himmels und der
Erde, erzeugte mit der Thia, einer Tochter des
Himmels, die Aurora, den Helios, und die
Selene. Anstatt des Helios und der Selene tre-
ten unter den neuen Göttern Apoll und Diana
auf. Aurora aber schimmert, selbst unter den neu-
en Gottheiten, in ursprünglicher Schönheit und
Jugend hervor.

Sie vermählt sich mit dem Asträus aus dem
Titanengeschlechte, einem Sohne des Krius,
und gebiehrt die starken Winde, und den Mor-
genstern.
-- Man siehet, daß sie zu den alten
Göttergestalten gehört, die eigentlich als erhabene
Naturerscheinungen betrachtet wurden, und
welche die Einbildungskraft nur gleichsam mit we-
nigen großen Umrissen,
als zu Personen gebil-
dete Wesen darstellte. -- Sie erscheint in der
Frühe, aus der dunkeln Luft, mit Rosenfingern den
Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den
Sterblichen eine Weile, und verschwindet wieder
vor dem Glanz des Tages.

ſchimmern dennoch immer durch, weil die Phan-
taſie die Zartheit nnd Bildſamkeit des Neuen mit
der Hoheit des Alten wieder uͤberkleidet.

Aurora.

Hyperion, ein Sohn des Himmels und der
Erde, erzeugte mit der Thia, einer Tochter des
Himmels, die Aurora, den Helios, und die
Selene. Anſtatt des Helios und der Selene tre-
ten unter den neuen Goͤttern Apoll und Diana
auf. Aurora aber ſchimmert, ſelbſt unter den neu-
en Gottheiten, in urſpruͤnglicher Schoͤnheit und
Jugend hervor.

Sie vermaͤhlt ſich mit dem Aſtraͤus aus dem
Titanengeſchlechte, einem Sohne des Krius,
und gebiehrt die ſtarken Winde, und den Mor-
genſtern.
— Man ſiehet, daß ſie zu den alten
Goͤttergeſtalten gehoͤrt, die eigentlich als erhabene
Naturerſcheinungen betrachtet wurden, und
welche die Einbildungskraft nur gleichſam mit we-
nigen großen Umriſſen,
als zu Perſonen gebil-
dete Weſen darſtellte. — Sie erſcheint in der
Fruͤhe, aus der dunkeln Luft, mit Roſenfingern den
Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den
Sterblichen eine Weile, und verſchwindet wieder
vor dem Glanz des Tages.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="57"/>
&#x017F;chimmern dennoch immer durch, weil die Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie die Zartheit nnd Bild&#x017F;amkeit des Neuen mit<lb/>
der Hoheit des Alten wieder u&#x0364;berkleidet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Aurora</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Hyperion,</hi> ein Sohn des Himmels und der<lb/>
Erde, erzeugte mit der <hi rendition="#fr">Thia,</hi> einer Tochter des<lb/>
Himmels, die <hi rendition="#fr">Aurora,</hi> den <hi rendition="#fr">Helios,</hi> und die<lb/><hi rendition="#fr">Selene.</hi> An&#x017F;tatt des Helios und der Selene tre-<lb/>
ten unter den neuen Go&#x0364;ttern <hi rendition="#fr">Apoll</hi> und <hi rendition="#fr">Diana</hi><lb/>
auf. Aurora aber &#x017F;chimmert, &#x017F;elb&#x017F;t unter den neu-<lb/>
en Gottheiten, in ur&#x017F;pru&#x0364;nglicher Scho&#x0364;nheit und<lb/>
Jugend hervor.</p><lb/>
          <p>Sie verma&#x0364;hlt &#x017F;ich mit dem <hi rendition="#fr">A&#x017F;tra&#x0364;us</hi> aus dem<lb/>
Titanenge&#x017F;chlechte, einem Sohne des <hi rendition="#fr">Krius,</hi><lb/>
und gebiehrt die <hi rendition="#fr">&#x017F;tarken Winde,</hi> und den <hi rendition="#fr">Mor-<lb/>
gen&#x017F;tern.</hi> &#x2014; Man &#x017F;iehet, daß &#x017F;ie zu den alten<lb/>
Go&#x0364;tterge&#x017F;talten geho&#x0364;rt, die eigentlich als erhabene<lb/><hi rendition="#fr">Naturer&#x017F;cheinungen</hi> betrachtet wurden, und<lb/>
welche die Einbildungskraft nur gleich&#x017F;am mit <hi rendition="#fr">we-<lb/>
nigen großen Umri&#x017F;&#x017F;en,</hi> als zu Per&#x017F;onen gebil-<lb/>
dete We&#x017F;en dar&#x017F;tellte. &#x2014; Sie er&#x017F;cheint in der<lb/>
Fru&#x0364;he, aus der dunkeln Luft, mit Ro&#x017F;enfingern den<lb/>
Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den<lb/>
Sterblichen eine Weile, und ver&#x017F;chwindet wieder<lb/>
vor dem Glanz des Tages.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0083] ſchimmern dennoch immer durch, weil die Phan- taſie die Zartheit nnd Bildſamkeit des Neuen mit der Hoheit des Alten wieder uͤberkleidet. Aurora. Hyperion, ein Sohn des Himmels und der Erde, erzeugte mit der Thia, einer Tochter des Himmels, die Aurora, den Helios, und die Selene. Anſtatt des Helios und der Selene tre- ten unter den neuen Goͤttern Apoll und Diana auf. Aurora aber ſchimmert, ſelbſt unter den neu- en Gottheiten, in urſpruͤnglicher Schoͤnheit und Jugend hervor. Sie vermaͤhlt ſich mit dem Aſtraͤus aus dem Titanengeſchlechte, einem Sohne des Krius, und gebiehrt die ſtarken Winde, und den Mor- genſtern. — Man ſiehet, daß ſie zu den alten Goͤttergeſtalten gehoͤrt, die eigentlich als erhabene Naturerſcheinungen betrachtet wurden, und welche die Einbildungskraft nur gleichſam mit we- nigen großen Umriſſen, als zu Perſonen gebil- dete Weſen darſtellte. — Sie erſcheint in der Fruͤhe, aus der dunkeln Luft, mit Roſenfingern den Schleier der Nacht aufhebend, und leuchtet den Sterblichen eine Weile, und verſchwindet wieder vor dem Glanz des Tages.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/83
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/83>, abgerufen am 29.03.2024.